Toyota forscht seit Jahren an Brennstoffzellenfahrzeugen. Nachdem der Autobauer bereits 2014 einen solchen Pkw auf den Markt gebracht hatte, sollen künftig schwere Lastwagen mit Wasserstoff betrieben werden. Foto: cf/Toyota

In Japan beginnt neuerdings ein reger Transportbetrieb mit Lastwagen, die mit Wasserstoff fahren. Im ostasiatischen Land soll so langfristig nicht nur Klimaneutralität erreicht werden, sondern eine ganze Wasserstoffwirtschaft entstehen.

Nur ein leises Surren ist zu hören, als Yoshihiko Hamamura den Schlüssel umgedreht hat. Zügig, aber leicht fährt der Ingenieur die Hauptstraße eines Forschungsgeländes von Toyota entlang, ehe er an einer Kreuzung halten muss. Der Bremsweg ist kurz, ein kräftiger Ruck bleibt aber aus. „Ich bin immer wieder verblüfft, wie geschmeidig sich dieses Fahrzeug lenken lässt“, sagt Hamamura in ruhigem Ton. Obwohl der Wagen weiterfährt, muss der Japaner nicht lauter sprechen als gewöhnlich. Im Cockpit ist es nämlich auffallend leise.

Wüsste man es nicht besser und denkt man sich die erhöhte Sitzposition sowie die Windschutzscheibe weg, so müsste man vermuten: Yoshihiko Hamamura steuert hier gerade mit einem kleinen Golfkart über das Gelände seines Arbeitgebers. Doch weit gefehlt: Er fährt einen Lkw, der sogar mit 2,8 Tonnen Gewicht beladen ist. Aber anders als herkömmliche Lastkraftfahrzeuge wird dieses Exemplar durch Wasserstoff angetrieben. „Wir glauben, das ist die Zukunft“, sagt Hamamura. Denn welcher Fern- oder Speditionsfahrer würde auf ein so lockeres Fahrgefühl verzichten wollen?

FCEV steht für „fuel cell electric vehicle“

Der eigentliche Coup dieses Lkw ist aber nicht der Komfort. Mit dem „FCEV Truck“, wie das Fahrzeug als Prototyp heißt, will Toyota den Lastenverkehr klimafreundlich machen. FCEV steht für „fuel cell electric vehicle“, auf Deutsch: Brennstoffzellenfahrzeug, und ist neben batterieelektrischen Antrieben die vielversprechendste Technologie, um einen CO2-neutralen Transportsektor zu erreichen. „Wenn Sie wollen, können Sie auch hinten aus dem Auspuff trinken“, sagt Yoshihiko Hamamura und grinst. Denn statt Treibstoffgasen emittierten Wasserstofffahrzeuge nur Wasser.

Der Beitrag eines solchen Trucks zum Klimaschutz könnte herausragend sein: Laut einer Studie des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse Cooper macht der Lastentransport, der bisher vor allem mit Dieselmotoren betrieben wird, gut zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Führen Lkw ausschließlich auf grünem Wasserstoff, lägen sie bei null. Seit diesem Frühjahr lässt Toyota seinen „FCEV Truck“ von mehreren großen Logistikunternehmen und Supermarktketten testen. Ab 2025 will der Konzern das Fahrzeug als ersten Wasserstoff-Lkw der Welt in Serie produzieren.

Es ist ein riesiges Versprechen, das auf diesem Campus voller Labore und Parkplätze südlich der Industriemetropole Nagoya sowie überall im Land schon täglich hundertfach auf Schnellstraßen fährt. Dabei ist das, was dahintersteckt, sogar noch größer: Seit das ostasiatische Land im Jahr 2017 als erster Staat der Welt eine nationale Wasserstoffstrategie beschloss, hat es sich zum Ziel erklärt, eine umfassende Wasserstoffwirtschaft zu etablieren. Statt fossilen Energien soll langfristig Wasserstoff die wichtigste Quelle sein – neben dem Transport auch beim Heizen und sogar in der Industrie.

Japan meint es ernst

Wie ernst Japan es meint, wurde erst im Juli wieder deutlich, als der Staat seinen Einsatz noch einmal erhöhte. Für die kommenden 15 Jahre hat die Regierung Investitionen von umgerechnet gut 100 Milliarden Dollar angekündigt. Das Geld soll einerseits in die Förderung von Wasserstoff fließen. Denn dieses Material ist in der Natur kaum frei verfügbar, muss aus diversen Quellen hergestellt werden. Andererseits geht es um die Verbesserung von Brennstoffzellen, mit denen wie in Toyotas „FCEV Truck“ durch eine chemische Reaktion aus Wasserstoff und Sauerstoff dann Strom entsteht.

Japan ist bisher führend in diesen Bereichen. Das zeigt sich nicht nur darin, dass von hier die meisten Patentanmeldungen kommen.

Ebenso in der Herstellung von Wasserstoff gilt Japan als Vorbild. So drückte es im April 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz aus, als er ins ostasiatische Land reiste und eine Anlage des Wasserstoffproduzenten Chiyoda besuchte. Der Multikonzern Panasonic setzt seine Brennstoffzellen außerdem bereits seit einigen Jahren für Strom im Bausektor ein. Honda, Nissan und Mazda arbeiten jeweils an Wasserstoffautos.

Der profilierteste Konzern im Geschäft aber ist Toyota, der größte Autobauer der Welt. Mit der Limousine Mirai wurde schon 2014 das erste in Serie produzierte Brennstoffzellenauto vorgestellt. „Bei unseren Lkw ist die Technologie grundsätzlich dieselbe“, erklärt Yoshihiko Hamamura, als er den „FCEV Truck“ vor einem weißen Gebäude parkt, nachdem er einige Male ums Gelände gefahren ist. „Wir arbeiten derzeit daran, die Tankkapazität zu vergrößern und die Reichweite zu erhöhen.“ Der Mirai schafft in seiner jüngsten Generation 650 Kilometer, ein beladener Klein-Lkw ein Drittel davon.

Vorteil gegenüber Batterieantrieb

Mit zunehmender Distanz und Fahrzeuggröße macht sich ein Vorteil des Wasserstoffantriebs gegenüber E-Batterien bemerkbar: Während ein größerer Batterie-Lkw schwere Akkus benötigt, verändert sich das Gewicht eines Wasserstoff-Lkw deutlich weniger. So erwartet man bei Toyota, dass diese Technologie mit zunehmenden Reichweiten auch attraktiver wird. Allerdings bemerkt Hamamura: „Mit der nötigen Infrastruktur brauchen wir aber gar keine allzu großen Reichweiten.“