222 Millionen Foto: AFP

Die Wechselperiode endet an diesem Donnerstag. Experten gehen davon aus, dass dank potenter Investoren künftig nicht weniger Geld in den Fußball fließen wird.

Stuttgart - Die Kreativität von Fußballfans ist beachtlich – zum Beispiel in Dortmund. Dort nahmen einige Anhänger den rapiden Wertverlust ihrer 90 Euro teuren Dembélé-Trikots mit Humor. Einer ersetzte auf seinem gelben Shirt den Namen des Stürmers, der sich zum FC Barcelona gestreikt hatte, durch die Ablösesumme 148 000 000. Ein anderer überklebte dessen Rückennummer 7 mit dem Etikett „Verkauft“. Und bei einem BVB-Fan stand der Satz „Who the fuck is . . .“ über dem Schriftzug Dembélé. Was nur zeigt: Man kann über den Transfer-Wahnsinn in diesem Sommer Witze machen. Oder sich ernsthaft fragen, wie lange dieses Spiel noch gut geht.

Neymar ist nur der Anfang“

222 Millionen Euro legte Paris St-Germain für den Brasilianer Neymar hin. Eine Rekordsumme. Aber kein Höchstwert, der lange zu Buche stehen wird – meint zumindest Joachim Löw. „Neymar ist nur der Anfang“, sagt der Bundestrainer, „ich bin sicher, dass künftig noch mehr Geld in den Fußball investiert wird.“ Ähnlich sieht es Jörg Schmadtke. „Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft. Seitdem sagen immer alle, dass die Blase bald platzt“, erklärt der Manager des 1. FC Köln, „aber ich habe bisher noch keine Blase platzen sehen.“ Und dazu wird es nach Ansicht vieler Wirtschaftsexperten auch in den nächsten Jahren nicht kommen.

Christoph Breuer will noch nicht mal von einer Blase sprechen. Während die Immobilienkrise in den USA durch faule Kredite ausgelöst wurde, seien die Clubs und Ligen im Fußball heute gesünder als vor fünf oder zehn Jahren. „Das Geld, mit dem gespielt wird, ist nicht geliehen“, sagt der Leiter des Instituts für Sportökonomie und -management an der Sporthochschule Köln, „es ist real vorhanden.“ Sogar beim Neymar-Wechsel.

Im Fußball steckt mehr Geld als je zuvor

Der Brasilianer erhielt angeblich einen Werbevertrag über 300 Millionen Euro vom Staatsfond Qatar Sports Investment, der gleichzeitig Eigentümer von Paris St-Germain ist. 222 Millionen Euro überwies der Kicker als Ablöse an den FC Barcelona, womit gleich noch die Fair-Play-Regel der Uefa, nach der Clubs innerhalb von drei Jahren nur ein Transferminus von 30 Millionen Euro machen dürfen, elegant umdribbelt war. „Weltweit ist unendlich viel Geld in der Hand von wenigen Leuten“, sagt der Sportphilosoph Gunter Gebauer, „jemand wie Neymar ist für manche von ihnen eine Trophäe, mit der sie sich in den Jetset einer Stadt wie Paris einkaufen können.“ Laut Christoph Breuer lassen sich Top-Stars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar „nur“ bis zu einer Summe von 100 Millionen Euro refinanzieren. „Bei Neymar ging es um Eitelkeiten, nicht um betriebswirtschaftliche Ratio. Er ist ein Liebhaberstück.“ Die Folge: Der Brasilianer verdient nun 82 000 Euro – am Tag. Und im Fußball steckt jetzt noch mehr Kohle als zuvor. Was allerdings nicht nur an den Investoren aus Katar, Russland oder China liegt, sondern auch an den lukrativen TV-Verträgen.

Fußball als exklusive Aufmerksamkeits-Plattform

Die Deutsche Fußball-Liga kassiert von diesem Sommer an bis 2021 pro Saison 1,16 Milliarden Euro, die englische Premier League sogar 2,3 Milliarden Euro. Exorbitante Summen? Ja. Aber für Christoph Breuer nachvollziehbare Investitionen. „Wir befinden uns in einer Aufmerksamkeitsökonomie, Aufmerksamkeit ist das knappste Gut unserer Zeit“, sagt der Wirtschaftsexperte, „Fußball ist eine der ganz wenigen globalen Aufmerksamkeits-Plattformen und deshalb für die werbetreibende Industrie und Medienkonzerne hochinteressant.“ Zudem schaffe der TV-Fußball, was „normalen Wirtschaftsgütern“ nicht gelinge: mit neuen Angeboten neue Nachfrage zu generieren. „Das kennen wir sonst nur aus dem Gesundheitsmarkt“, sagt Breuer, „je mehr Arztpraxen aufmachen, umso mehr Arztbesuche gibt es.“

Die TV-Milliarden machen die Clubs nicht nur potent, sie sind auch ein Faustpfand. „Die Vereine geben das Geld mit breiter Brust aus, weil sie Planungssicherheit haben“, sagt Roland Häussermann, Steuerberater und Sportexperte bei Ernst & Young, „allerdings staune ich schon, wie viel Geld für Übertragungsrechte ausgegeben wird.“ Trotzdem glaubt Häussermann nicht, dass künftige Abschlüsse weniger Volumen haben werden: „Dafür gibt es keine Anzeichen. Das Unterhaltungsprodukt Fußball findet offenbar immer genügend Abnehmer.“

Im Ergebnis bedeutet dies zwar eine Inflation, da für dieselbe Anzahl an Spielern immer mehr Geld zur Verfügung steht, eine Gefahr sieht Häussermann darin allerdings nicht. „Auch Durchschnittskicker werden immer teurer“, sagt er, „doch sie werden nicht durch Kredite finanziert, sondern durch zusätzliche Einnahmen. Wird der Spieler bei seinem neuen Club als Verstärkung gesehen, ist keine Spekulation im Spiel.“ Aber dennoch die eine oder andere Gefahr.

Die Höchstpreise im Fußball sind noch nicht erreicht

Christoph Schlienkamp glaubt, dass die Höchstpreise im Fußball noch längst nicht erreicht sind. Für ungesund hält er die Entwicklung trotzdem. „Derzeit werden Spieler weit über ihrem Marktwert gekauft“, sagt der Analyst, der beim Düsseldorfer Bankhaus Lampe die Aktie von Borussia Dortmund bewertet, „ich glaube, dass Investoren die Lust verlieren könnten, wenn sie merken, dass die Zahl der Titel, die sie kaufen wollen, beschränkt ist.“

Investoren, die den Spaß an ihrem Spielzeug verlieren? Ein Rückgang der TV-Gelder? Weniger Marketingeinnahmen? Es sind Szenarien, die Christoph Breuer sich nur schwer vorstellen kann. „Der Fußball ist ein extrem stabiles Gebilde“, sagt der Ökonomieprofessor, „selbst Korruptions- und Wettskandale, Sozialneid, Dopingvorwürfe und Fangewalt können ihm nichts anhaben. Das ist beinahe unglaublich.“ Weshalb Breuer davon ausgeht, dass sich die Preisspirale weiterdrehen wird. Und dass die Bundesliga, in der die 50+1-Regel die Machtübernahme von Investoren verhindert, ins Abseits geraten könnte: „Die Summen, die bewegt werden, sind so groß, dass sogar der FC Bayern und erst recht Borussia Dortmund in Zukunft froh sein müssen, wenn sie noch das Viertelfinale der Champions League erreichen.“

Die Bayern trotzen der neureichen Konkurrenz

Eine These, die Uli Hoeneß keine Angst einjagt. Im Gegenteil. Der FC Bayern trotzt der neureichen Konkurrenz mit dem Motto: Mia san mia! „Kein Spieler der Welt ist 100 Millionen wert. Selbst wenn ich das Geld hätte, wäre es mir zu schade“, sagt der FCB-Präsident, „unser Ehrgeiz ist, die Champions League ohne Wahnsinnstransfer zu gewinnen.“ Und wenn’s nicht klappt? Bleibt den Fans nur, es mit Humor zu nehmen.