Aus der Not heraus wurde während der Coronapandemie die Traktorkirche in Endersbach geboren. Sie hat sich zu einem festen Angebot im Sommer entwickelt.
Traktorenlärm statt Glockengeläut leitet den Gottesdienst ein. Hoch oben auf dem Anhänger eines Schleppers fährt Helmut Dietz, Prädikant der Evangelischen Kirchengemeinde Endersbach, an diesem Sonntag auf dem Sportplatz neben der Jahnhalle vor. Zuvor hat die Traktorkirche im ehemaligen Steinbruch am Wohngebiet Trappeler Station gemacht. Alles was es für einen Gottesdienst braucht hat Dietz auf dem Anhänger mit dabei: Altar, Kreuz und sogar ein Kirchenbänklein. Wie Don Camillo, fühle er sich „so offen und unverblümt“ im Auftrag des Herrn unterwegs zu sein, sagt Dietz. Zumindest fast: Im Wettstreit um die Gunst der Bürger mit dem kommunistischen Bürgermeister, so wie der gewiefte Pfarrer in den Romanen von Giovannino Guareschi, die auch verfilmt wurden, befindet sich Dietz freilich nicht. Doch würde die unkonventionelle Art den Gottesdienst zu feiern sicherlich auch zu Don Camillo passen.
Der Stil der Traktorkirche? Kurz und bündig!
An die 80 Gläubige versammeln sich diesmal am Sportplatz. Die meisten suchen sich einen der raren Schattenplätze am Rand, ein paar wenige trotzen der drückender Hitze auf der Spielfeldmitte. Die Auswirkungen des Klimawandels kann angesichts des verbrannten Grases unter den Schuhsohlen und der sengenden Sonne über den Köpfen niemand verleugnen. Umso eindrücklicher ist Dietz Appell im Auftrag Gottes, die von ihm anvertraute Schöpfung zu bewahren. Auch der Pfarrer der Gemeinde, Michael Schneider, lauscht Dietz‘ Predigt, die im Stile der Traktorkirche kurz und bündig ausfällt.
Ein paar Kinder, denen es doch zu lange dauert, vertreiben sich die Zeit, indem sie eine Runde über den Sportplatz flitzen. Ein Mädchen spielt mit seiner Oma Ball. Doch der andächtigen Stimmung tut all dies keinen Abbruch. Nach nicht einmal einer halben Stunde ist der Gottesdienst, den eine Abordnung des örtlichen Musikvereins musikalisch begleitet hat, dann zu Ende.
Inzwischen gibt es andernorts Nachahmer
Ursprünglich aus der Not heraus aufgrund der Coronapandemie geboren, habe sich die Traktorkirche mittlerweile zu einem festen Angebot im Sommer entwickelt, weiß Pfarrer Schneider. Allerdings sei sie wegen nun wieder stattfindender Veranstaltungen nicht mehr ganz so gut besuch: Zu Beginn seien alleine bis zu 170 Menschen auf den Sportplatz gekommen.
Die Gemeindeglieder selbst waren es, die gefordert hatten, dass diese besondere Art der Gottesdienstfeier weiter angeboten wird, freut sich der Pfarrer. Er hatte gemeinsam mit Landwirt und Gemeindeglied, Albert Hekeler, 2020 die Idee. Inzwischen gebe es schon andernorts Nachahmer, berichtet Schneider nicht ohne Stolz: „Dabei ist die Traktorkirche keine Raketenwissenschaft.“
„So hat Corona sein Gutes gehabt.“
Das niederschwellige Angebot locke aber Menschen an, die sonst nicht in die Kirche kommen, weiß Schneider: „So hat Corona sein Gutes gehabt.“ Und nicht nur bei den Gottesdienstbesuchern ist das Angebot recht beliebt. Weil Prädikant Dietz so gerne an der Traktorkirche mitwirke, habe er ihm für diesen Sonntag den Vortritt gelassen, sagt Michael Schneider. Die beiden letzten Gottesdienste der Traktorkirche für dieses Jahr am 21. August will Schneider indes wieder selbst abhalten.
Die letzten Traktorgottesdienst in diesem Sommer finden am Sonntag, 21. August, statt. Um 9.30 Uhr macht der Schlepper im Steinbruch Trappeler halt und um 10.15 Uhr am Sportplatz neben der Jahnhalle in Endersbach.