Immer wieder werden in Deutschland Luchse erschossen oder vergiftet – nur selten kann die Polizei die Fälle aufklären. Auch der Täter, der vor vier Jahren einen Wolf im Schwarzwald erschossen hat, wurde nie gefasst.
St. Blasien - Bisher hat die Freiburger Polizei keine heiße Spur, wer Ende Mai den jungen männlichen Luchs bei Menzenschwand in der Nähe des Schluchsees erschossen hat. Und es spricht einiges dafür, dass sich daran auch nichts ändern wird. Zwar konnte vor wenigen Tagen recht sicher nachgewiesen werden, dass das ein- bis zweijährige Tier einen Streifschuss bekam und daran verblutet ist. Eine Nachuntersuchung der kleinen entdeckten Metallteile im Körper blieb aber jetzt ohne eindeutiges Ergebnis, wie Polizeisprecher Matthias Albicker mitteilte.
Man werde weiter mit Jägern und Landwirten der Umgebung sprechen, betonte er. Doch da man keine Kugel sicherstellen konnte, gebe es jetzt keine wirklichen Ansatzpunkte mehr für die Ermittlung, räumte Albicker ein. Vor recht genau vier Jahren war in der Gegend auch ein Wolf erschossen und in den Schluchsee geworfen worden – damals fand man die Kugel, dennoch blieb der Täter bis heute unentdeckt.
In Bayern wurden Luchsen die Pfoten abgeschnitten
Theoretisch kann die Tötung eines streng geschützten Tieres bis zu fünf Jahren Haft nach sich ziehen; in der Praxis aber kommt es selten zu Verurteilungen, weil es bei den Taten selten Zeugen gibt und weil kaum jemand als Zeuge zur Verfügung stehen will. Zuletzt wurde im März 2020 ein Verfahren am Landgericht Regensburg gegen einen Jäger eingestellt, weil die Schuldfrage nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte und weil die Tat womöglich schon verjährt war.
Dass einzelne Menschen Luchse und Wölfe so sehr hassen, dass sie sie töten, kommt immer wieder vor. Im Bayerischen Wald, wo es seit den 1980er Jahren wieder Luchse gibt, wurde etwa 2012 ein Weibchen vergiftet und 2013 ein trächtiges Weibchen erschossen. Besonders niederträchtig war ein Fall im Jahr 2015, als jemand zwei bis vier Luchse tötete, die Vorderbeine abschnitt und diese vor einer Fotofalle des örtlichen Luchsmonitorings ablegte. Im Februar dieses Jahres wurde bei Bischofsmais ein weiterer toter Luchs entdeckt, bei dem ebenfalls einiges auf eine illegale Tötung hindeutet. Im Harz, wo seit Beginn des Jahrtausends die zweite größere Luchspopulation in Deutschland angesiedelt worden ist, kam es 2016 zur ersten Tötung eines Tieres – auch dabei handelte es sich um einen weiblichen Luchs mit Jungen im Bauch.
Die meisten Tiere sterben bei Verkehrsunfällen
Der größte Feind des Luchses aber sind die Autos. Im Monitoringjahr 2019/20 sind in Deutschland insgesamt 15 Luchse tot aufgefunden worden – davon starben acht bei Verkehrsunfällen, zwei auf natürlichem Wege und einer durch illegale Tötung. Bei vier Tieren ist die Todesursache unklar.
Insgesamt geht das Bundesamt für Naturschutz derzeit von 125 bis 135 ausgewachsenen Luchsen vor allem im Bayerischen Wald, im Harz und im Pfälzer Wald (das Auswilderungsprogramm läuft dort seit 2016) aus. Hinzu kommen 59 Jungtiere. In Baden-Württemberg haben sich vier männliche Tiere im Donautal, im Schwarzwald und bei Konstanz angesiedelt – drei von ihnen haben Namen: Sie heißen Toni, Lias und Wilhelm.
Insgesamt sieht das Bundesamt für Naturschutz den Erhaltungszustand der Luchse in Deutschland weiterhin als kritisch an – noch immer sei die Population nicht so groß, dass ihr Überleben gesichert sei. Jedes einzelne Tier sei deshalb ein Verlust. Der BUND in Bayern geht sogar davon aus, dass es viel mehr illegale Tötungen gibt als bekannt: Die Population nehme kaum zu, immer wieder würden Tiere verschwinden – das sei mit natürlicher Sterblichkeit und allein mit Verkehrsunfällen nicht zu erklären, heißt es.
Mancher Jäger sieht den Luchs als Konkurrent
Aber was sind die Gründe dafür, dass Menschen Luchse töten? Mancher Landwirt ist gegen die Rückkehr der Luchse, weil diese manchmal auch Schafe oder Ziegen reißen. Und mancher Jäger möchte den Luchs nicht in seinem Revier haben, weil er ihn als Jagdkonkurrent ansieht und weil er der Meinung ist, der Luchs vertreibe durch seine pure Anwesenheit alles Wild.
Tatsächlich reißt ein Luchs rund ein Reh pro Woche. Bei 20 Luchsen – so groß ist derzeit etwa die Population im Pfälzer Wald – wären das 1000 Rehe im Jahr. Allein in Baden-Württemberg werden jährlich aber 155 000 Rehe geschossen; der Anteil des Luchses fiele also nicht wirklich ins Gewicht.
Verbände gründen in Bayern die Plattform „Tatort Natur“
Grundsätzlich handelt es sich bei den Tätern um wenige Einzelpersonen, und es müssen nicht zwangsläufig Jäger sein. Sehr viele Jäger sind nämlich ebenfalls fasziniert von der Schönheit der Großkatze. Und der Landesjagdverband hat in der Vergangenheit mehrfach die Patenschaft für einzelne Luchse übernommen. Hauptgeschäftsführer Erhard Jauch betont immer wieder, dass der Luchs willkommen sei, wenn er von selber in den Südwesten zuwandere. Nur eine aktive Wiederansiedlung will der Jagdverband nicht – Forstminister Peter Hauk (CDU) hatte vor einiger Zeit mit einem solchen Projekt geliebäugelt, es dann aber wegen des zu erwartenden Widerstands von Jagdverband, Nutztierverbänden und damals auch des Umweltministeriums abgeblasen.
Insgesamt werden nicht nur Luchse und Wölfe das Opfer illegaler Tötungen – auch Rotmilane, Kormorane oder Biber gehören dazu. In Bayern haben die Gregor-Louisoder-Umweltstiftung und der Landesbund für Vogelschutz deshalb vor zwei Jahren die Plattform „Tatort Natur“ gegründet, auf der man getötete Tiere melden kann. Bei einer Tagung im Frühjahr dieses Jahres legte Franziska Baur, die Projektmanagerin bei der Umweltstiftung, eine Bilanz für die ersten zwei Projektjahre vor: „In 75 Fällen sind mindestens 121 geschützte Wildtiere im Freistaat nachgewiesenermaßen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal getötet oder verfolgt worden“, sagte sie. Die Vergiftung mit Carbofuran war hierbei die am meisten angewandte Methode und der Rotmilan das häufigste Opfer. Das Projekt „Tatort Natur“ sei enorm erfolgreich, so Baur, auch wenn man „an die flächendeckende Etablierung derartiger Standards bei Polizei und Staatsanwaltschaften noch Fragezeichen machen“ müsse.