Zwei der Betonklötze, die von der dänischen Polizei unter der Brücke auf der Autobahn E20 auf Fünen sichergestellt wurden. Foto:  

Furchtbares Ende eines Familientrips: Auf einer dänischen Autobahn durchschlägt ein Betonklotz ein Autodach und tötet die Mutter eines kleinen Jungen. Bei den Anwohnern geht die Angst vor den Tätern um.

Stuttgart/Kopenhagen - Die Ermittlungen der Polizei im Fall der unbekannten Betonklotz-Werfer auf der dänischen Insel Fünen laufen auf Hochtouren. Inzwischen gehen die Fahnder von vorsätzlicher Tötung und mehreren Tätern aus, wie Kommissar Michael Lichtenstein von der Polizei auf Fünen erklärte: „Ich gehe davon aus, dass sich einer oder mehrere Erwachsene auf der Brücke befanden.“ Außerdem hätten der oder die Täter mit Sicherheit ein Auto dabei gehabt. „Diese Steine sind so schwer, die kann man nicht einfach so unter dem Arm tragen.“

Vier Betonblöcke runtergeworfen

Am Tatort wurden vier Betonblöcke gefunden, die von der Brücke geworfen wurden, darunter zwei gewaltige Klötze von 9,5 und 30 Kilogramm Gewicht. Einer der Steine hatte am frühen Sonntagmorgen (21. August) das Auto einer dreiköpfigen Familie aus Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen getroffen. Sie war mit ihrem Wagen nahe Odense auf der Autobahn E20 – der Hauptverbindung zwischen Schweden und Westdänemark – unterwegs, als plötzlich aus dem Dunkel ein Stein auf das Autodach einschlug. Die Frau, die auf dem Rücksitz saß, war sofort tot. Ihr 36 Jahre alter Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Der fünfjährige Sohn bekam wie durch ein Wunder nur ein paar Schrammen ab und erlitt einen schweren Schock.

Bei den Betonteilen handelt es sich um Ecksteine verschiedener Größe für Lärmschutzwände. Bauunternehmen wurden aufgefordert, ihre Bestände zu überprüfen. Man gehe nicht davon aus, dass es sich um einen Dumme-Jungen-Streich handle, sagte eine Polizeisprecherin. „Kinder können so schwere Steine nicht hochheben.“ Die Beamten suchen nun nach DNA-Spuren auf den Steinen und nach Zeugen, die Hinweise auf den oder die Täter geben können.

Schon mehrere Vorfälle auf Fünen

Nach Polizeiangaben wurden in diesem Jahr auf Fünen schon mehrmals Gegenstände auf Autos geschleudert. Von derselben Brücke zwischen der Ausfahrt Blommenslyst und der Ausfahrt Vissenbjerg, von der aus am Sonntag die Frau getötet wurde, wurden bereits schwere Steine geworfen. Eine 30-Kilogramm-Platte traf im Januar 2016 das Auto einer vierköpfigen Familie, die Mutter wurde damals schwer verletzt. Ein anderer deutscher Autofahrer berichtete, dass sein Wagen ebenfalls an dieser Stelle mit Steinen beworfen worden sei.

Als der Kenneth Faaborg Schrøder in der Nacht zum Donnerstag unter der Brücke herfährt, treffen Holzklötze seinen Wagen. Er kommt mit dem Schrecken davon. „Da müssen irgendwelche kranken Menschen da draußen sein, die sich ein Vergnügen daraus machen, mit Steinen zu werfen“, sagt Faaborg Schrøder.

„Das Tiefenwerfen ist weit verbreitet, die Dunkelziffer riesig“

Eimer mit Bauschutt, Pflastersteine, Betonplatten, Gullydeckel oder Baumstämme. Es gibt nichts, was nicht als Wurfgeschoss verwendet werden könnte. Erfahrungsgemäß seien es überwiegend männliche Personen jeden Alters, die von Autobahnbrücken, aber auch aus höheren Stockwerken eines Gebäudes, von Türmen oder Bergen gerade verfügbare Gegenstände hinunterwerfen, sagt der Münchner Psychologe Georg Sieber, der früher die Polizei beraten und Einsatzkonzepte entwickelt hat.

„Das spontane Tiefenwerfen ist weit verbreitet, die Dunkelziffer riesig.“ Dahinter steht Sieber zufolge in den meisten Fällen nicht die Absicht anderen Schaden zuzufügen, sondern eher Gedankenlosigkeit. „Die Leute werfen Dinge einfach im Vorbeigehen runter.“ Im Rahmen der Analyse von Unfallschwerpunkten sei er darauf aufmerksam geworden, berichtet der Psychologe. „Wie viel und was so von Autobahnbrücken heruntergeworfen wird, sieht man auf den Seiten- und Mittelstreifen gegen die Fahrtrichtung. Das ist erschreckend.“

Fangnetze und Gitter gegen Steinwerfer

Bei den Gegenständen, die auf die Fahrbahn fallen, könne es sich aber auch um Teile der Ladung oder des Zubehörs von Fahrzeugen handeln, so Sieber weiter. Bei fallweisen Zählungen seien bis zu über 1000 Objekte unter Brücken, an Mittel- und Seitenstreifen gefunden worden. „Die zuständigen Straßenmeistereien berichten auf Anfrage über brückentypisch gehäuftes Müllvorkommen. Bei rund 3600 Brücken mit Fußgängerverkehr ist in Deutschland pro Tag mit 300 bis 400 Abwürfen zu rechnen, die ganz überwiegend folgenlos bleiben.“

Verhindern oder zumindest Einschränken ließe sich solche Vorfälle wie jetzt auf Fünen nur durch Fangnetze, engmaschige Gitter oder Glas an den Fußgängerwegen, sagt der Psychologe. „Dies wird aber nur an wenigen Brücken praktiziert.“