Der Stiefvater des kleinen Alessio legt ein Geständnis ab. Foto: dpa

Der kleine Alessio stirbt im Januar 2015 in den Armen eines Kinderarztes. Der Dreijährige aus Lenzkirch im Schwarzwald wurde zu Tode geprügelt. Der Vater war am Dienstag vor Gericht und hat gestanden. Auch die Mutter sagte aus.

Freiburg - Der Stiefvater, der für den Tod des dreijährigen Alessio verantwortlich gemacht wird, versteckt sein Gesicht unter einer Jacke. Er möchte nicht fotografiert werden. Als er später im Landgericht Freiburg auf der Anklagebank sitzt und die Fragen der Richterin beantwortet, stockt seine Stimme. Er kämpft mit den Tränen. Und er legt, nachdem er die Tat bislang stets abgestritten hat, zum Prozessauftakt am Dienstag ein Geständnis ab.

Er gibt zu, seinen Stiefsohn brutal geschlagen und so getötet zu haben. „Es tut mir leid“, sagt er. Und: „Das geht nicht, was ich getan habe.“ Der 33 Jahre alte Landwirt muss sich wegen Totschlags und mehrfacher schwerer Kindesmisshandlung vor Gericht verantworten. Im Prozess um den qualvollen Tod des dreijährigen Alessio hat am Dienstag die Mutter des Jungen ausgesagt. Ihre Befragung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In dem Prozess gegen Alessios Stiefvater tritt die Mutter als Nebenklägerin auf. Gegenüber der Polizei hatte sie nach dem Tod des Kindes die Vorwürfe gegen den Stiefvater bestätigt.

Es ist ein Bild des Grauens, das Staatsanwalt Klaus Hoffmann in seiner Anklage zeichnet. Der Stiefvater habe Mitte Januar im Bauernhof der Familie bei Freiburg auf den Dreijährigen eingeprügelt und ihn so getötet. Zuvor habe er ihn, mehr als eineinhalb Jahren lang, regelmäßig geschlagen und mehrfach schwer misshandelt. „Alessio war einer Vielzahl körperlicher Übergriffe ausgesetzt“, sagt Hoffmann. Der Junge habe in seinem kurzen Leben ein Martyrium ertragen müssen. Und auch die kleine Halbschwester, die Tochter des Angeklagten, sei Opfer seiner Gewalt geworden. Diese Vorwürfe weist der Landwirt zurück.

Den Jungen noch zum Kinderarzt gebracht

Alessio sei ein „Tölpel“ gewesen, immer wieder gestolpert und gestürzt, daher kamen die Verletzungen. Und seine eigene Tochter habe er nie geschlagen. Das Mädchen lebt seit Alessios Tod in einer Pflegefamilie. An den Tag von Alessios Tod erinnert sich der Stiefvater vor Gericht. „Ich hatte Stress im Stall“, sagt er. Der landwirtschaftliche Betrieb habe ihn stark in Anspruch genommen und an Grenzen gebracht. Hinzu kamen Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen und der seit eineinhalb Jahren bestehende Verdacht, er misshandele seinen Stiefsohn.

Er habe Angst vor dem Jugendamt gehabt, sagt der Stiefvater. Und gibt zu, dem nackt auf dem Boden liegenden Alessio zwei bis drei Mal mit der Faust in den Bauch geschlagen zu haben. Die Folge sind schwerste innere Verletzungen: Kurze Zeit später stirbt der Junge in der Praxis eines Kinderarztes, zu dem ihn der Stiefvater bringt. „Als wir zum Kinderarzt gekommen sind, hat er noch gelebt“, sagt der 33-Jährige. Wieso er zugeschlagen habe, wisse er nicht. „Ich frage mich jeden Tag, wie das passieren konnte. Aber ich habe bis heute keine Erklärung.“ Er sei wohl überfordert gewesen. Außer dem Stiefvater und den zwei Kindern war niemand im Haus, als die Tat geschah.

Eine Liste tödlicher Kindesmisshandlungen

Der Fall machte Schlagzeilen, weil das Jugendamt informiert war, den Jungen und seine kleine Halbschwester jedoch trotz mehrfacher Warnungen in der Familie und allein beim Stiefvater ließ. Alessio reiht sich damit ein in eine Liste von tödlichen Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen in Deutschland: Auch nach dem Tod von Kevin (2) in Bremen, Lea-Sophie (5) in Schwerin sowie Yagmur (3) und Chantal (11) in Hamburg wurde den jeweiligen Jugendämtern Versagen vorgeworfen. Sie kannten das Leid der Kinder. Doch es gelang ihnen nicht, deren Tod zu verhindern.

Hinzu kommt ein jüngster Fall: Nach dem Tod der eineinhalbjährigen Emily in Sachsen-Anhalt steht die 20 Jahre alte Stiefmutter seit August vor Gericht. In dem Prozess in Freiburg tritt Alessios Mutter als Nebenklägerin auf. Nicht auf der Anklagebank sitzt das Jugendamt. Die Behörde, die seit Alessios Tod in der Kritik steht, betreute die Familie bereits seit Jahren. Nachdem mehrere Bürger Anzeige erstattet haben, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen möglichen Behördenversagens. Diese Untersuchungen dauern den Angaben zufolge noch an. Alessios Stiefvater drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.