Florian Roller nutzte einmal mehr den „Heim-Vorteil“ und holte sich die WM-Krone im Ergometer-Rudern zurück. Foto: Archiv/privat

Florian Roller von der Stuttgarter Rudergesellschaft holt seinen dritten Weltmeistertitel im Ergometer-Rudern – und übt Kritik am Deutschen Ruderverband. Außer ihm jubelt noch ein Stuttgarter.

Es hat ihn gewurmt – und zwar gewaltig. Der Tscheche Jiri Simanek schnappte Florian Roller im vergangenen Jahr den Sieg bei den Worldrowing Indoor Championships vor der Nase weg. Nichts wurde es also mit dem angepeilten Titel-Hattrick bei den Weltmeisterschaften am Ergometer für den Athleten der Stuttgarter Rudergesellschaft. Doch der 31-Jährige hat die Verhältnisse wieder gerade gerückt. Bei den aktuellen globalen Titelkämpfen am Zugseil hieß es nach 2000 Metern umgekehrt: Roller vor Simanek. Während Ersterer die Strecke virtuell von seinem Wohnzimmer in Radolfzell aus absolvierte, war der Tscheche am Veranstaltungsort in Prag. Dort befand sich in Philip Kaltenborn ein weiterer Stuttgarter Ruderer, der in seiner Kategorie ebenfalls Weltmeister wurde.

 

Philip Kaltenborn mit seinem Trainer Andreas Linke. Foto: Archiv privat

Die Betätigung am Ergometer, dem Wintertrainingsgerät der Ruderer, sei schon stupide und zermürbend, sagt Roller. „Man braucht keine Technik, zieht unentwegt mit stumpfer Gewalt an der Kette“, fügt der frischgebackene Weltmeister an. Dabei waren seine eigene Zugkraft beziehungsweise das Trainingspensum dieses Mal anders als bei den Titelkämpfen zuvor. Die sportlichen Interessen haben sich für Roller verändert. Zum Teil aus Frust.

Alles auf Anschlag

Denn mit der Arbeit des Deutschen Ruderverbandes ist er alles andere als einverstanden. Dieser nehme die Besetzung der Boote nicht nach leistungssportlichen Kriterien vor – dementsprechend sei ihm eine mögliche Olympia-Teilnahme verwehrt geblieben. Das heißt: Er startet nur noch für seinen Club aus Untertürkheim, gewann mit diesem im Vorjahr die Landesmeisterschaft im Einer, Vierer und Achter. Vielmehr heißt seine neue Leidenschaft Triathlon. „Dort ist mehr Ausdauer gefragt, beim Ergometer derweil alles auf Anschlag, kurzzeitig intensiver, und es bildet sich viel Laktat“, sagt Roller.

Doch für die aktuelle WM war der Ehrgeiz dann noch einmal groß. Bereits zwei Monate zuvor zog Roller mächtig am Seil, absolvierte Trainingseinheiten mit aufeinander folgenden Distanzen von 2000, 1000 und 500 Metern. „Jeweils mit fünfminütiger Pause oder zehnmal eine Minute Vollgas mit einminütiger Verschnaufpause.“ Ein Stressprogramm. Aber erfolgversprechend, wie der Ingenieur für Fahrzeugkonzepte, der in der Schweiz arbeitet, spätestens bei seinem Qualifikationsrennen feststellte. Für virtuelle Teilnehmer standen nur zehn Plätze pro Klasse zur Verfügung. Über eine Qualifikation gab es die WM-Tickets.

Bereits dreimal auf der Wasser Weltmeister

Dabei musste der „Heim-Wettkampf“ per Video aufgezeichnet und an den Ruderverband weitergeleitet werden. Damit die Angaben darüber hinaus glaubhaft erschienen, wurde der Computer ausgelesen und das Ergebnis über einen Verifizierungs-Code an den Ausrichter weitergeleitet. Eine einmalige Sache für Roller, der auch auf dem Wasser 2015, 2016 und 2018 Weltmeister wurde. Sein erster Versuch reichte prompt zur Teilnahme.

Beim WM-Rennen verfolgte Roller die Konkurrenz via Livestream über den Computer. Bis 1200 Meter lag er hinter dem Briten Daniel Jones. Doch dann brach dieser ein. Es folgte die Neuauflage des Duells von 2023 mit Simanek. Während Roller damals um sieben Zehntel das Nachsehen hatte, erhöhte er nun den Druck. Diesem konnte der Tscheche letztlich nicht mehr stand halten. Mit einer Zeit von 6:09,7 Minuten holte Roller sich die WM-Krone zurück.

Weiterer Weltmeister

Philip Kaltenborn
 Auch der Stuttgart-Cannstatter-Ruderclub (StCRC) freut sich über einen Ergometer-Weltmeister: Philip Kaltenborn. Jener gewann in Prag die Leichtgewichts-Konkurrenz über die 2000 Meter in der Altersklasse U 23. Mit seiner Zeit von 6:22,8 Minuten lag er sechs Zehntel vor dem zweitplatzierten Argentinier Matias Arana. Weil Kaltenborn vor Ort war – anders als Florian Roller – war sein Sieg zudem gleichbedeutend mit dem EM-Titel. Auch im Sprint über die 500 Meter lag der Cannstatter Ruderer (1:24,4 Minuten) vor seinem argentinischen Widersacher. In diesem Fall reichte es aber nur zu Silber – der Ägypter Eslam Sobhi (1:22,9 Minuten) wurde Erster. „Jeweils eine Medaille war mein Ziel, mit einem Titel habe ich durchaus geliebäugelt“, sagt Kaltenborn. Dies gebe nun zusätzliche Motivation für die Freiluftsaison. Unter anderem stehen die U-23-Weltmeisterschaften an, für die der 21-Jährige sich qualifizieren möchte. Kaltenbronn kommt aus Dresden, studiert in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und startet seit zwei Jahren für den StCRC. 2023 wurde er mit dem deutschen U-23-Leichtgewichts-Doppelvierer Europameister.