Verena Schiltenwolf und Hündin Nelly sind viel in der Natur unterwegs. Luchse treffen sie dabei nicht – nicht nur, weil die Großkatzen im Südwesten noch extrem selten sind, sondern auch, weil sie um Menschen einen großen Bogen machen. Foto:  

Verena Schiltenwolf engagiert sich im Ruhestand für die Wiederansiedlung der Großkatzen in Baden-Württemberg.

Reichenbach - Sie ist die Anwältin des Luchses in Baden-Württemberg: Geplant hatte Verena Schiltenwolf, die in Reichenbach wohnt, das nicht. Aber sie steht zu hundert Prozent hinter dieser Aufgabe. Der Luchs gehört hierher, der Luchs braucht Unterstützung – dafür setzt sie sich als Vorsitzende der Luchs-Initiative im Land und als Referentin für Großraubtiere des Landesnaturschutzverbands (LNV) ein. Toni, Lias, Wilhelm und „B 723“ teilen ein hartes Los. Alle vier Luchse sind nach Baden-Württemberg eingewandert und streifen hier durch die Landschaft – mit wenig Aussicht, je ein Weibchen zu treffen. Denn Luchsinnen sind eher standorttreu, sie müssten vom Menschen angesiedelt werden. Wiederangesiedelt, um genau zu sein: Schließlich war der Luchs einst überall in Europa heimisch, bis er vor rund 150 Jahren in ganz Deutschland ausgerottet wurde. „Fakt ist, er gehört hierher“, sagt Verena Schiltenwolf. Die streng geschützte Großkatze zu unterstützen sei nicht nur moralische Pflicht, sondern auch aus Gesetzen wie dem Naturschutzgesetz oder der europäischen FFH-Richtlinie abzuleiten. Diese sehen die Schaffung größerer, zusammenhängender Lebensräume für gefährdete Arten vor. Mit Unterzeichnung der Berner Konvention habe sich Deutschland verpflichtet, „für den Luchs einen günstigen Erhaltungszustand wiederherzustellen“, so die LNV-Referentin. Und gerade Baden-Württemberg habe eine Art „Trittsteinfunktion“, um benachbarte Populationen in der Pfalz, in der Schweiz und im Elsass zu stabilisieren: „Wenn wir hier weiterhin der weiße Fleck sind, haben die anderen Auswilderungsprojekte auch Probleme. Man braucht einen genetischen Austausch“.

 

Die Idee der Wiederansiedlung ist nicht neu, schon seit Jahrzehnten setzt sich die Luchs-Initiative dafür ein. Mittlerweile habe sich die Stimmung gewandelt, es gebe kaum noch Widerstand gegen die Großkatze, auch im Landesnaturschutzverband nicht, in dem Jäger ebenso vertreten sind wie Forstleute oder Naturschützer: „Der Luchs ist kein Wolf, das haben die meisten jetzt verstanden“, sagt Schiltenwolf. Konflikte mit der Weidehaltung sind kaum zu erwarten und um den Menschen machen die „heimlichen“ Pinselohren einen großen Bogen. Dass sie mit Vorliebe Rehe verspeisen, dürfte angesichts des Verbisses an Waldbäumen eher zu ihren Gunsten verbucht werden.

2019 glaubten sich die Luchs-Unterstützer im Land ganz nah am Ziel. In einer Sitzung mit Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), in dessen Zuständigkeit der Luchs fällt – anders als der Wolf, der gehört zum Umweltministerium – wollten sie Nägel mit Köpfen machen. Doch damals beherrschten der Hitzesommer und das Insektensterben die öffentliche Debatte, für zusätzliche Themen war weder Geld noch Energie übrig. Das sei ernüchternd gewesen, sagt Verena Schiltenwolf, die als Vertreterin des LNV an der Runde teilnahm. Sie trat danach in die Luchs-Initiative ein, deren Vorsitzende sie mittlerweile ist. Und die Gruppe arbeitete weiter: Schließlich sind Information und Aufklärung – insbesondere der Landwirte und Jäger, aber auch der Öffentlichkeit – enorm wichtig. Tatsächlich hätten in den vergangenen Monaten verschiedene Medienberichte richtig „Drive“ in die Sache gebracht, sagt die Reichenbacherin.

Jetzt hoffen die Luchs-Freunde auf einen neuen Anlauf nach der Landtagswahl. Für Schiltenwolf ist das Engagement eine Rückkehr zu den Wurzeln. Sie wuchs in der Pfalz, sozusagen direkt beim Luchs-Auswilderungszentrum, auf, und wollte als junge Frau Tierverhaltenswissenschaft studieren. Das sei ihr damals „erfolgreich ausgeredet worden“, sagt sie und freut sich, dass sie nun im Ruhestand, nach einer anderen beruflichen Laufbahn, „wieder zu den Tieren zurückkommt“.