Solche Häufen sind ein sicheres Indiz: Hier sind Wühlmäuse zu Hause. Die gefürchteten Tiere sehen... Foto: Fotolia

Um die Nager zu dezimieren, zahlt Notzingen Kopfgeld – Tierschützer erbost über Schwanzprämie.

Notzingen - Nein, das lässt sich Bürgermeister Sven Haumacher nicht nehmen. Wenn schon Schwanzprämie, dann will der Bürgermeister von Notzingen (Kreis Esslingen) die Mäuseschwänze auch selbst entgegennehmen. Doch eigentlich findet er die Aktion zu martialisch. Tierschützer sind empört.

Rette sich, wer kann. Wühlmäuse, die den Untergrund in und um Notzingen (bei Kirchheim/Teck) unsicher machen, sollten sich vorsehen: Die ganze Bürgerschaft ist nun aufgerufen, unter die Fallensteller zu gehen und Jagd auf ihre Schwänze zu machen. Ursache: Der Gemeinderat hat jüngst beschlossen, die (gute?) alte Tradition wiederaufzunehmen und jedem Bürger eine Prämie zu erstatten, der nachweislich eine Wühlmaus um die Ecke gebracht hat. Als Beweis für den Tiermord soll der Mäuseschwanz dienen – den will der Bürgermeister nun höchstpersönlich auf seinem Schreibtisch sehen.

Wo sich Schermäuse tummeln, büßen Bäume und Sträucher ihre Wurzeln ein

Hobbygärtner und Landwirte wissen landauf, landab ein Lied davon zu singen: Wo sich Schermäuse tummeln, büßen Bäume und Sträucher ihre Wurzeln ein. Vor allem Obstgehölze, aber auch viele andere Gewächse werden zunächst unbemerkt von unten derart angenagt, dass sie kläglich eingehen. Die Besitzer ziehen dann ungläubig den Stamm aus der Erde – all seiner Wurzeln entledigt, als sei’s ein Wanderstock.

Damit ist nun Schluss, entschied der Gemeinderat und schwor den Mäusen Rache. 50 Cent wurden als Schwanzprämie festgesetzt. Dabei haben die Räte die Prämie noch nicht einmal neu beschlossen: „Eigentlich wurde sie nie abgeschafft“, sagt der Bürgermeister. So vor 10 bis 15 Jahren, schätzt er, sei allerdings wohl zum letzten Mal die Fangprämie ausgezahlt worden.

Vor rund 50 Jahren müssen Wühlmäuse noch eine echte Plage gewesen sein. Männer in den besten Jahren und älter berichten unisono, wie sie einst den verhassten Nagern auflauerten. Auch der Esslinger Landrat Heinz Eininger hat sich schon öfter öffentlich dazu bekannt, als Schulbub sein Taschengeld auf diese Weise aufgebessert zu haben. Bis zu einer Mark soll teilweise pro Schwanz bezahlt worden sein. Da sind die jetzt von Notzingen festgesetzten 50 Cent mit der generellen Preissteigerung eigentlich nicht zu vereinbaren.

„Die Wühlmaus ist schon virulent“

Sei’s drum – es geht ja nichts ums Geld, sondern um den Erhalt der durch die Plagegeister gefährdeten Streuobstwiesen. „Die Wühlmaus ist schon virulent, eine Plage, wie die biblische ist sie aber nicht“, sagt Sven Haumacher. Und wer dem Bürgermeister auf den Zahn fühlt, ob er sich nun selbst auf Schwanzjagd begibt, erfährt auch das: „Ich bin eigentlich gegen die Schwanzprämie. Tierschutzrechtlich ist sie kein Problem, aber irgendwie passt sie nicht in unsere Zeit.“ Als Bürgermeister setze er aber die Beschlüsse des Gemeinderats zuverlässig um: „Sonst funktioniert das Ganze nicht.“

Ob sich künftig nun Mäuseschwänze in allen Ecken seiner Amtsstube stapeln, weiß Haumacher nicht. Immerhin hat er sich in Hohentengen in Südbaden kundig gemacht, wo die Schwanzprämie seit Jahren erhoben wird. „300 sind es dort pro Jahr“, sagt Haumacher. Rein rechnerisch würde das die Notzinger Gemeindekasse um 150 Euro erleichtern. Ob 300 Mäuse weniger aber einen messbaren Effekt zum Erhalt der Obstbäume liefern, scheint ungewiss. Immerhin hat Notzingen vor kurzem 1500 Euro an eine Fachfirma gezahlt, die den Tieren mit CO2 zu Leibe rückte. Denn auch die Kugelstoßanlage am Sportplatz zeigte, aufgewühlt mit Hügeln und untergraben mit Gängen, die Anwesenheit der Tiere.

Wühlmaus ist nicht gleich Maulwurf

Wer sich an der Aktion der Fallensteller beteiligen will, sollte aber genau hinsehen: Wühlmaus ist nicht gleich Maulwurf. Die einen setzen den Pflanzen zu, die andern sind reine Fleischfresser und damit im Prinzip als Schneckendezimierer gern gesehen. Vielen Gärtnern graut dennoch vor ihnen, weil ihre Hügel noch bedeutend größer sind als die der Schermäuse. Bezahlen wird Notzingen für Maulwurfschwänze aber nicht: Der Maulwurf steht unter Schutz.

Mit genau diesem Argument hat sich der Landestierschutzverband zu Wort gemeldet: Nachweislich kämen in den Schlagfallen auch andere Tiere als Wühlmäuse qualvoll ums Leben. „Vor allem für den unter Artenschutz stehenden Maulwurf ist die Gefahr groß, so ein tödliches Ende zu nehmen.“ Aus Tierschutzsicht sei es inakzeptabel, dass solche Tötungen auch noch finanziell belohnt würden“, sagt Herbert Lawo, Vorsitzender des Landestierschutzverbands. Die Wühlmaus habe natürliche Feinde wie Mauswiesel, Fuchs, Iltis und Marder, Katzen, Eulen und Greifvögel. Die Wurzeln von Setzlingen könnten zudem mit engmaschigen Drahtkörben gesichert werden.

Wie auch immer sich die Sache entwickeln wird: Notzingens Bürgermeister bleibt gelassen: „Bestimmt wird schon bald wieder eine andere Maus durchs Dorf getrieben.“