Zum Heulen: Das Geld des Tierheims reicht nur noch für drei Monate Foto: Leif Piechowski

Das größte Tierheim Baden-Württembergs muss womöglich geschlossen werden – das Geld von der Stadt Stuttgart deckt nur 12,5 Prozent der Kosten.

Stuttgart - Alois und Anatol schlafen friedlich auf ihren Kissen. Die beiden vier Monate alten Welpen wissen nichts von der Krise, in der sich das Tierheim derzeit befindet. Alois und Anatol gehörten einst Bettlern, sie warten nun auf neue Herrchen und Frauchen. Die Bordercollie-Mischlinge werden nicht schwer zu vermitteln sein, anders als viele andere der rund 1000 Tiere, die momentan in Botnang sind – und für die das Tierheim bald nicht mehr aufkommen kann.

Rund 150 000 Euro im Monat werden benötigt, um das Tierheim am Laufen zu halten, also 1,8 Millionen Euro im Jahr. 200 000 Euro Aufwandsentschädigung jährlich kommen von der Stadt. „Das sind nur rund 12,5 Prozent“, sagt Angelika Schmidt-Straube, Vorsitzende des Tierschutzvereins Stuttgart e.V., Träger des Tierheims. Weitere feste Einnahmequellen sind Mitgliedsbeiträge (40 000 Euro), Patenschaften (40 000 Euro), Spenden (rund 200 000 Euro) sowie die Gebühren für die Vermittlung der Tiere (180 000 Euro). Damit kommt man auf insgesamt 660 000 Euro.

Der Rest – also weit mehr als die Hälfte – komme über Erbschaften und Nachlässe rein, sagt Tierheimleiterin Marion Wünn. Über all die Jahre sei dies gut gegangen. Aber nun seien selbst die eisernen Reserven fast aufgebraucht. „Sie reichen nur noch für ein bis zwei Monate“, sagt Schmidt-Straube. Dann stehe das Tierheim vor dem finanziellen Aus. Im schlimmsten Fall müsse man dann „den Schlüssel rumdrehen“ und die Tiere an Tierheime in der Bundesrepublik verteilen.

Daran will momentan aber noch niemand denken. Das Tierheim Botnang setzt zum einen auf die Bürger: Es startet derzeit einen großen Aufruf, dass Privatmenschen und Firmen zur Rettung des Tierheims beitragen sollen. Spenden seien in diesem Jahr zurückgegangen, die Erbschaften ebenso. „2012 konnten wir noch mit einem Überschuss von 166 000 Euro abschließen, aber in diesem Jahr sieht es ganz schlecht aus“, so Schmidt-Straube. Sie führt die abnehmende Spendenbereitschaft auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zurück: „Die Leute halten ihr Geld fest.“ Auch dass die Menschen immer älter würden, spiele eine Rolle: „Die alten Menschen brauchen ihr Geld für die Pflege – da bleibt oft nur ein kleines Erbe.“

Das wundert manche, die zuletzt mit dem Tierheim zu tun hatten. „Wir haben vor einiger Zeit einen Hund dort geholt und wollten spenden“, sagt ein Tierfreund aus Stuttgart. Daraufhin habe das Tierheim mitgeteilt, dass nur ein monatlicher Dauerauftrag möglich sei. Das hat sich nun offenbar geändert.

Ein weiterer Schritt des Tierheims ist, dass es den Vertrag mit der Stadt vorzeitig gekündigt hat. Dieser besteht seit 23 Jahren und ist immer auf fünf Jahre festgeschrieben – der aktuelle läuft noch bis zum 1. Januar 2015. „Dieser Vertrag verpflichtet uns, Fund- und Verwahrhunde aufzunehmen. Die Stadt erbringt im Gegenzug eine Aufwandsentschädigung von 200 000 Euro. Doch die ist längst nicht mehr zeitgemäß“, sagt Schmidt-Straube. Sie hofft, dass sich die Stadt auf die neuen Vorschläge des Tierheims einlässt. Wie diese Konditionen lauten, will sie noch nicht sagen.

Ebenso wenig wie die Stadt. Gerald Petri, Leiter der Abteilung Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsangelegenheiten im Ordnungsamt bestätigt nur, dass man von den „Schritten des Tierschutzvereins überrascht worden“ sei und „der Tierschutzverein die weitere Zusammenarbeit zu veränderten Konditionen“ anbiete. Dieses Schreiben werde man eingehend prüfen. Erst danach könne man sich zur weiteren Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein verbindlich äußern.

Zudem bekräftigt er, dass die Stadt gesetzlich verpflichtet ist, Tiere unterzubringen, die gefunden wurden oder sicherheitshalber untergebracht werden müssen. „Diese Aufgabe übernimmt der Tierschutzverein Stuttgart, dem eine wichtige Bedeutung für die Landeshauptstadt zukommt“, so Petri. Dieser Meinung ist auch die CDU-Gemeinderatsfraktion. Sie hat den Antrag gestellt, das Thema in der kommenden Sitzung des Verwaltungsausschusses zu besprechen, um „notwendige Hilfsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.“