Kurt Fuchs unter seiner Wohnung, die an die Calwer Passage liegt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Kurt Fuchs lebt seit 37 Jahren in der Calwer Straße. Der Party-Betrieb auf der Theo und in der Calwer Passage hat ihn mürbe gemacht. Er will die Stadt verlassen.

Stuttgart - Die Häuserfassaden in der Calwer Straße spiegeln ihren früheren Stellenwert: Sitz wohlhabender Bürger und solider Fachgeschäfte. An ihrem oberen Ende, zur Alten Poststraße hin, wohnt Kurt Fuchs im zweiten Stock. „Ich lebe seit 37 Jahren hier. Ich will nicht im Wald leben, ein gewisses Stadtgeräusch gehört für mich dazu. Aber inzwischen ist es so schlimm geworden, dass ich wohl wegziehe.“

Die Böden seiner Wohnung hat er zum Großteil auf eigene Kosten legen lassen, die Küche mit Edelstahl modernisiert, mit seiner inzwischen 89-jährigen Vermieterin hat er ein gutes Verhältnis. Alles Gründe, sich wohlzufühlen. „Eigentlich wollte ich hier eines Tages rausgetragen werden.“ Doch nun liegen auf dem langen Esstisch Exposés für Wohnungen. Alle Innenstadtlage, mitten in Salzburg.

Der Krach am Wochenende hat ihm das Leben in seinen eigenen vier Wänden vergällt, der Müll und die Pisse vor der Haustür das Leben in der Stuttgarter Innenstadt. „Bisher waren die Tische und Stühle in der Calwer Straße nur bis 23 Uhr besetzt“, blickt Kurt Fuchs zurück. Die Leute hätten ein Restaurant oder eine Bar besucht und seien dann eben irgendwann gegangen. „Das gibt es jetzt kaum noch“, bedauert er, „heutzutage trinken die Leute im Stehen und bleiben dort auch über die Bewirtungszeit hinaus. Der Wirt hat nichts mehr damit zu tun.“

Ein unfreiwilliger Abschied

Die Fenster habe er früher zumindest gekippt lassen können, auch am Wochenende. „Jetzt ist es dermaßen laut, dass ich von Donnerstagabend bis Sonntagnacht alles vollkommen dicht machen muss“, sagt er. Einige seiner Fenster gehen zur Calwer Passage hinaus. Die Passage wirke wie ein Lärmtrichter. Vor allem, seit mehr und mehr Cafés und Bars dort unter dem Dach von Fluxus eröffnet haben und die Menge der Feiernden größer und größer geworden sei. Am Wochenende gehe die Party bis in den frühen Morgen, „manche haben bis ein, zwei, drei Uhr Betrieb“, sagt Fuchs, und meint, genau hier liege der Hase im Pfeffer: „Die Stadt stellt keine Spielregeln auf. Wenn ein Politiker ein Baby hat wie die Partymeile Theo, dann darf das Baby eben alles und wird nicht sanktioniert.“ Auch Kontrollen vermisst der gebürtige Stuttgarter und ehemalige Inhaber eines Catering-Betriebs.

Als Schikane jüngeren Datums empfindet der 65-Jährige die Bauarbeiten in den leer stehenden Räumen eines Sport- und eines Naturmodegeschäftes. „Da soll ein Tanzlokal rein mit mehreren Zugängen, unter anderem zur Calwer Passage hin.“ Von der Stadt hätten die Hausbesitzer erfahren, dass es dafür eine Ausnahmegenehmigung gebe. „Ich kenne den Disco-Betrieb noch von der Fußball-WM her. Das ist nicht zum Aushalten“, sagt Fuchs. Der Raser-Lärm von der Theodor-Heuss-Straße her falle da schon gar nicht mehr auf.

Die jüngste Entwicklung festigt seinen Entschluss, aber: „Es ist ein Abschied, den ich nicht gewollt habe.“