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Der Terrassenweinbau geht zurück: Die Pflege der Rebstöcke und Trockenmauern ist extrem aufwendig.

Esslingen - Terrassenweinbau geht zurück: Pflege der Rebstöcke und Trockenmauern ist extrem aufwendig. Der Weinbau in Steillagen rentiert sich immer weniger. Dort ist der vierfache Arbeitsaufwand erforderlich, doch die Verbraucher honorieren den Einsatz nicht. Jetzt bemüht sich das Land, dass die Steillagen ab 2014 ins Förderprogramm der EU aufgenommen werden.

Der Weinbau an mehr oder weniger steilen Hängen prägt das Landschaftsbild im Mittleren Neckarraum. Doch immer häufiger tauchen zwischen den Rebstöcken auch brachliegende Weinberge auf, die zusehends verwildern. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist die Bewirtschaftung der steilen Lagen wesentlich aufwendiger als in flacheren Anbaugebieten. Zum andern bröckeln viele der teils Hunderte von Jahren alten Trockenmauern. Und immer mehr jüngeren Winzern fehlt die Kenntnis, wie man die Mauern stabil wieder aufbaut.

Esslingen ist eine uralte Weinbaugegend. Im Mittelalter wurden dort noch Reben auf 1500 Hektar gepflegt, heute sind es gerade noch 90 Hektar .Von denen wiederum entfallen 30 Hektar auf Steillagen. Anders als in anderen Neckarkommunen haben es die Esslinger Winzer geschafft, alles in Schuss zu halten: Erst im Herbst kam zwar ein Stück Hang herunter. Die Weingärtner bemühen sich aber, Brachen zu vermeiden. Dass sich dies bald ändern könnte, sagte Friedrich Rapp, Bezirksvorsitzender Oberes Neckartal des Württembergischen Weinbauverbands, am Montag Landwirtschaftsminister Alexander Bonde: „Im schlimmsten Fall werden einige das ganze Eigentum aufgeben.“

Bonde war gekommen, um sich die Schwierigkeiten im Terrassenweinbau vor Ort anzusehen mit dem Ziel, bei der EU Fördermittel lockerzumachen. Hans Kusterer, dessen Rebflächen in Esslingen zu mehr als 70 Prozent aus Steillagen bestehen, sagte Bonde:„Es gibt hier nur noch zwei Weinbaubetriebe im Vollerwerb. Alle andern arbeiten zweigeteilt und müssen über den Gemüseanbau den Weinbau bezuschussen.“

Hermann Hohl, Präsident des Württembergischen Weinbauverbands, sieht bereits „den Todesstoß für den terrassierten Weinbau“. Der stehe unweigerlich bevor, wenn die EU, wie geplant, 2015 den Anbaustopp aufhebe. Dann darf europaweit überall Wein angebaut werden, die pflegeintensiven Steillagen hätten dann keine Chance mehr: „Die Weinwirtschaft kann das nicht mehr leisten“, so Hohl.

Verbraucher wollen nicht mehr bezahlen für Wein aus Steillagenanbau

Der Versuch, den höheren Aufwand an die Verbraucher weiterzugeben und die Flaschen durch besondere Etiketten hervorzuheben, ist nach Hohls Auskunft gescheitert: „Die sind nicht bereit,mehr auszugeben. Das Ganze muss deshalb ein gesellschaftspolitisches Thema werden.“ Die Weinbauern sehen auch nicht ein, dass das Geld, das Esslinger Gewerbebetriebe als Ausgleich für verschiedene Baumaßnahmen zahlen, ins Umland fließt: „Dieses Geld könnte doch hier in die eingestürzten Mauern investiert werden“, findet Albrecht Sohn, Vorsitzender der Esslinger Weingärtner. Dazu müssten die Steillagen vom Land als ökokontofähig eingestuft werden. Ob das geplant ist, sagte Alexander Bonde am Montag nicht. „Das Land ist in einem extrem engen Korsett, die zentralen Entscheidungen werden in Brüssel getroffen.“ Bonde will aber versuchen, in der 2014 anlaufenden neuen Förderperiode der EU Geld für die Steillagen lockerzumachen.

Den Erhalt der Trockenmauern hält er für extremwichtig.Wegen der ökologischenBedeutung einerseits und als prägendeKulturlandschaftandererseits. Vorallemmüssenun dasWissen umdieTechnik desTrockenmauerbaus gesichert werden. In Zusammenarbeit mit den Lehr- und Versuchsanstalten desLandes im Weinbau hat das Land deshalb eine Broschüre zum Trockenmauerbau in Steillagen herausgegeben. Im Mai soll außerdem eine mobile Trockenmauerbauschule an den Start gehen: Der mobile Kurs soll laut Bonde in Stuttgart-Mühlhausen stattfinden.

Ähnliche Kurse gibt es bereits seit sechs Jahren in Stetten im Rems-Murr-Kreis. Dort liegt unterhalb der Yburg der letzte Hektar Steillage im Remstal, der noch bewirtschaftet wird. „Unser Ziel ist, die Trockenmauern zu erhalten“, sagt Ebbe Kögel vom Verein Allmende Stetten. Dreimal wurden bereits Trockenmauerseminare abgehalten, „mit sehr großer Resonanz“, so Kögel. Aber nicht nur Wengerter waren dabei, sondern auch junge Landschaftsgärtner oder Privatleute, die auf ihrem Wochenendgrundstück im ehemaligen Weinberg eine Trockenmauer anlegen wollen. „Inzwischen haben wir Mauern für 250.000 Euro hergerichtet“, so Kögel. Der Aufbau von einem Quadratmeter komme, je nachdem wie weit das Material in den Hang gebracht werden muss, auf 500 bis 800 Euro.

Die Weinberge an der Yburg sind einige Hundert Jahre alt, die in Esslingen wurden vor 1000 Jahren angelegt. Verschiedene Klöster unterhielten dort 42 Pfleghöfe, über die der Wein vertrieben wurde. Vor 200 Jahren wurden dann große Teile der Weingärten umgebrochen und als Baumwiesen angelegt. „Aus Sicht der Stadt sind die Steillagen ein markantes prägendes Element des Stadtbilds“, so der Erste Bürgermeister Wilfried Wallbrecht. Doch die Erosion schreite fort, der Erhalt der Hänge sei schwierig. „Im Prinzip haben wir hier das gleiche strukturelle Problem wie im Streuobstbau.“