Trotz Formkrise: Rafael Nadal peilt in Stuttgart seinen dritten Sieg an Foto: Getty

Spaniens Sport-Denkmal gerät ins Wanken. Tennisprofi Rafael Nadal (29) befindet sich im Tief. Als Zehnter der Weltrangliste will der Superstar nun in beim Mercedes Cup in Stuttgart die Trendwende schaffen.

Stuttgart - Direkt nach dem Haupteingang hängen sie an einem Zaun, der die Sicht auf den Centre-Court versperrt – die Konterfeis von Rafael Nadal. Darunter prangen die Zahlen 2005 und 2007. Sie stehen für die Jahre, in denen der spanische Tennisprofi beim Mercedes-Cup in Stuttgart triumphiert hat. Im nächsten Jahr könnte ein neues Bild von Nadal hinzukommen. Vorausgesetzt, er gewinnt zum dritten Mal auf der Anlage des TC Weissenhof, was noch keinem hier gelungen ist. Auch deswegen stapelt Nadal tief: „Ich werde mein Bestes geben“, sagt er nur. Eine Kampfansage klingt anders. In seiner Situation wäre sie aber auch fehl am Platz.

Dabei hoffen die Veranstalter auf eine erfolgreiche Woche von Rafael Nadal. Sie haben deshalb ein Sonderpaket der Luxusklasse für ihr Zugpferd geschnürt – und damit sind nicht nur die 500 000 Euro gemeint, die die Agentur Emotion von Turnierdirektor Edwin Weindorfer für die Teilnahme des Mallorquiners hingelegt hat. Nein, Nadal erhält im Vergleich zu allen anderen Profis ein wahres Rundum-sorglos-Programm. Am Sonntag jettete er mit einem Privatflieger nach Stuttgart. Nach seinem Viertelfinal-Aus bei den French Open gegen Novak Djokovic (Serbien) wollte er noch in seiner Heimatstadt Manacor gemütlich Fußball schauen – das Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und Juventus.

Der Privatflug ist nur eines von vielen Privilegien, die der bekennende Fan von Real Madrid in diesen Tagen genießt. Nadal darf viel mehr. Etwa als Einziger auf dem Centre-Court trainieren. Mit Doppelpartner Feliciano Lopez (Spanien) probte er dort – während des French-Open-Finals – seinen ersten Rasenauftritt in 2015. „Die Plätze hier sind super“, lobt Nadal die drei neuen grünen Matchcourts in Stuttgart. Anschließend ging’s ins Clubrestaurant, wo Turnierdirektor Weindorfer für seinen Superstar Hummer servieren ließ. „Er liebt das“, sagt der Österreicher, „und ich wäre ja kein guter Turnierveranstalter, wenn ich ihm nicht alles ermöglichen würde.“ Eine Hotelsuite ist da genauso standesgemäß wie die Sonderbehandlungen für dessen Entourage. Ein Physiotherapeut, ein Masseur, Coach Francisco Roig sowie Trainer und Onkel Toni Nadal gehören zum Gefolge und werden fast genauso hofiert wie Nadal selbst.

Für Nadal macht Edwin Weindorfer Ausnahmen: Denn der Iberer erweist sich bei der Turnier-Premiere auf Gras – wie vom Veranstalter erhofft – als Publikumsmagnet. Seit Jahren schlägt wieder mal ein Superstar beim Mercedes-Cup auf. Einer, nach dem die Tennisfans geradezu gelechzt haben. „Die Turniertage am Freitag und Samstag sind ausverkauft“, verkündet Weindorfer stolz. Und das, obwohl der Turnierdirektor den Centre-Court nach der Verpflichtung von Nadal vor zwei Monaten von 4500 auf 6000 Plätze aufstocken ließ. Doch vorbei scheint die Zeit, in der geringe Zuschauerzahlen das frühere Sandplatzturnier prägten. Mit dem Rasen könnte es eine Tennis-Renaissance auf dem Killesberg geben – und natürlich mit Nadal.

Kein Wunder, dass Weindorfer hofft, dass sein Aushängeschild weit kommt. „Eigentlich müsste ich neutral sein“, gibt er zu, „aber ich drücke Rafa die Daumen.“ Das hat der neunmalige French-Open-Sieger auch nötig. Nach einem Freilos könnte an diesem Donnerstag Angstgegner Lukas Rosol im Achtelfinale auf ihn warten. Der Tscheche warf Nadal in Wimbledon 2012 in Runde zwei raus. Auf Rasen, wohlgemerkt.

Und Weindorfer weiß, dass Nadal nie anfälliger für Niederlagen war als zurzeit. „Er ist sicher nicht auf dem Höhepunkt seines Leistungsvermögens“, sagt der Turnierdirektor. Und auch Nadal gesteht: „In diesem Jahr lief es bei mir nicht so gut.“ Die Gründe: Verletzungen. Vor allem in jüngster Zeit. Im Spätsommer 2014 erlitt er einen Abriss der Sehne an der rechten Hand. Auch wenn dies nicht seine Schlaghand ist, verpasste der 29-Jährige die Hartplatz-Tournee in Nordamerika und verlor in Toronto, Cincinnati und bei den US Open 4000 ATP-Punkte. Anschließend folgte noch eine Blinddarm-OP. In der Weltrangliste rutschte er ab. Auch danach ging es bescheiden weiter. In Buenos Aires gewann er sein bisher einziges Turnier in diesem Jahr. Zu wenig für einen, der insgesamt 65 ATP-Turniererfolge gefeiert hat.

Seine Ziele haben sich verändert. Er ist der Kämpfer ohne Kampfansage. „Grand Slams sind nicht alles“, sagt Nadal, „ich will gesund durch die Saison kommen und am Ende unter den Top acht sein, damit ich das Masters spielen kann.“ Der Turniersieg in Stuttgart wäre für ihn so gesehen ein Anfang – und ein historischer Erfolg zugleich.