Der Leonberger Schmerztherapeut Thomas Klein bespricht mit seinem Patienten Hubert Schneider die Therapie. Foto: factum/Simon Granville

Die Corona-Pandemie hat der Telemedizin einen großen Schub verschafft. Vor allem chronisch kranke Patienten profitieren von der Videosprechstunde. Vorreiter ist das Robert-Bosch-Krankenhaus. Auch der Klinikverbund Südwest hat aufgerüstet – mit weitreichenden Folgen.

Stuttgart/Sindelfingen/Leonberg - Als im März der große Shutdown begann, traf das vor allem chronisch kranke Patienten hart. Die Ambulanzen vieler Kliniken waren plötzlich zu. Und die Angst vor einer Ansteckung hielt viele Risikopatienten davon ab, sich in Arztpraxen Hilfe zu suchen. Auch Thomas Klein, der Leitende Oberarzt der Schmerzambulanz am Leonberger Krankenhaus, musste von einem auf den andere Tag seine Sprechstunden absagen.

Seine Patienten haben meist eine jahrelange Leidensgeschichte hinter sich, leiden an zum Teil unerträglichen Schmerzen. Migräne- und Tumorpatienten zählen dazu, Leute mit Rückenleiden, Muskelerkrankungen und Fibromyalgie. Der Schmerztherapeut Thomas Klein versucht ihnen zu helfen: mit Medikamenten, Akupunktur, Entspannungsübungen und Physiotherapie, aber auch mit Gesprächen. Denn chronische Schmerzen drücken auf das Gemüt, weiß der Facharzt. „Und dann wochenlang ohne ärztliche Betreuung, da fallen chronisch kranke Menschen in ein Loch.“

Beim Klinikverbund Südwest bieten 22 Ärzte Videosprechstunden an

Für den Arzt war klar: Es muss auch während des Shutdowns ein Angebot für diese Patienten geben. Da er bereits erste Erfahrungen mit Videosprechstunden gemacht hatte, wurde diese zum Mittel seiner Wahl. Der Vorteil aus seiner Sicht: Sieht man den Patienten via Bildschirm ist man ihm näher, als wenn man ihn nur telefonisch berät.

So sieht es auch Hubert Schneider (Name geändert). Der 68-Jährige hat einige Sprechstunden mit seinem Therapeuten Thomas Klein per Video absolviert. Sein Fazit: „Vorübergehend ist das eine gute Lösung, aber nur wenn man den Arzt vorher schon persönlich kennen gelernt hat.“

30 Patienten hat Thomas Klein während des Shutdowns per Video betreut. Etwa 60 Videosprechstunden hatte er in dieser Zeit, zusätzlich betreute er andere ohne Zugang zu einem Computer telefonisch. Mittlerweile sieht er seine Patienten wieder überwiegend persönlich. Doch Hubert Schneider, der gehbehindert bist, setzt weiter auf die Betreuung per Video.

22 Ärzte an allen sechs Standorten des Klinikverbunds Südwest bieten zurzeit Videosprechstunden an. Corona habe da eine richtigen Schub gebracht, sagt Thomas Klein. Dies bestätigt auch Mark Dominik Alscher, Professor und Medizinischer Geschäftsführer des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses. Die Klinik besitzt eines der wenigen Telemedizinischen Zentren in Deutschland und sammelt seit 13 Jahren Erfahrungen mit Videosprechstunden. Knapp 3000 Patienten sind dort seither telemedizinisch betreut worden. „Während der Corona-Phase verliefen 50 Prozent der Sprechstunden per Video“, sagt Alscher.

Das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus hat 13 Jahre Erfahrung mit Telemedizin

Die Klinik betreut im Telemedizinischen Zentrum chronisch kranke Patienten mit einer Herzschwäche und Menschen, die an der Lungenkrankheit COPD leiden. Bewährt habe sich die Videoberatung auch im Bereich der Naturheilkunde, die das Robert-Bosch-Krankenhaus für Tumorpatienten als zusätzliche Behandlung anbietet. „Entspannungs- und Sportübungen lassen sich sehr gut per Video vermitteln“, sagt Alscher, der auch Vorsitzender des Vereins Digitale Gesundheit Baden-Württemberg ist. Die Ärzte seiner Klinik arbeiten mit verschiedenen Techniken und Softwareanwendungen, unter anderem mit Business Skype.

Der Klinikverbund Südwest hat für die Videosprechstunden sehr kurzfristig technisch aufgerüstet und eine Software gekauft, mit der Ärzte mit ihren Patienten per Video kommunizieren können. Die Anmeldung zur Sprechstunde der Schmerzambulanz läuft telefonisch über das Sekretariat. Dann erhält der Patient per Post die Zugangsdaten, mit denen er sich in die virtuelle Praxis einloggen kann. Die Voraussetzung zur Teilnahme ist ein internetfähiger Laptop oder Computer mit einer Kamera. Für Hubert Schneider war dies kein Problem. „Mit der Technik bin ich noch aus meiner Berufszeit vertraut“, sagt der Rentner.

Software mit Tücken

Ein paar kleine Fallstricke habe die Software allerdings noch, hat Thomas Klein seither gelernt. „Ich muss ganz pünktlich den vereinbarten Termin einhalten. Schon eine Minute Verspätung, und der Termin ist gecancelt.“ Große Chancen sieht der Facharzt in der Videosprechstunde auch für andere Bereiche, zum Beispiel in der Anästhesie, in der er neben seiner Tätigkeit als Schmerztherapeut tätig ist. „Aufklärungsgespräche vor einer geplanten Operation lassen sich gut per Video führen. Das ist vor allem für Patienten, die weit weg wohnen, eine Erleichterung.“

Einig sind sich die Experten Thomas Klein und Mark Dominik Alscher darin, dass die Videosprechstunde niemals alle persönlichen Arzt-Patienten-Begegnungen ersetzen kann. „Sie ist aber eine sinnvolle Ergänzung, vor allem im ländlichen Raum, wo die Versorgung der Patienten in den kommenden Jahren schwieriger wird“, sagt Alscher.

Telemedizin und Corona

Corona-App
Das Telemedizinische Zentrum des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus arbeitet mit der Berliner Charité zusammen. Gemeinsam haben die Kliniken die sogenannte CovApp entwickelt, mit der Menschen mit Verdacht auf Covid-19 prüfen können, ob ein Arztbesuch und ein Corona-Test sinnvoll sind oder nicht. Den Online-Test findet man unter covapp.charite.de.

Virtueller Kreißsaal
Da wegen der Corona-Pandemie momentan keine Führungen durch den Kreißsaal möglich sind, bietet der Klinikverbund Südwest werdenden Eltern auf der Suche nach der Geburtsklinik einen besonderen Service: Die Kreißsäle an den Standorten Böblingen, Herrenberg, Leonberg und Calw können bei einem virtuellen Rundgang besichtigt werden, unter www. klinikverbund-suedwest.de.