Bei der Tattoo-Show im Kulturhaus Arena wagen sich viele Besucher unter die Tätowiernadel – oder einen Holzstab aus Samoa Foto: Lichtgut

Aufsprühen, hineinhämmern oder stechen? Körperkunst ist vielfältig. Das bewiesen 45 Stände am Wochenende bei der 15. Tattoo-Show in Stuttgart-Wangen. Neben internationalen Körperkünstlern sind auch Stuttgarter bei der Show gewesen, um über die örtliche Tattoo-Szene zu sprechen.

Stuttgart - Erst rasiert er den Arm, dann zeichnet er mit einem Filzstift das Motiv auf. Kurz wird noch etwas auf Englisch erklärt. Plötzlich hat er einen Holzstab in der Hand, mit dem er auf einen anderen schlägt, der schwarze Farbe in die Haut hineinhämmert. Bei der Prozedur handelt es sich um Tätowieren. Genau genommen um traditionelles Tätowieren aus Samoa, einem Inselstaat im Pazifik. „Es ist dieselbe Vorgehensweise wie bei einer Tätowiermaschine, nur manuell mit Holz“, sagt Su’a Fulayailili Lawrence Ah Ching, der die Technik den Messebesuchern in Stuttgart-Wangen vorführt.

Rund 1500 Interessierte sind von Freitag bis Sonntag täglich zur Tattoo-Show ins Kulturhaus Arena gekommen. An 45 Ständen lassen sie sich tätowieren oder inspirieren. Ganz gleich, ob vom örtlichen Tätowierer oder von Ching aus Samoa. „Viele anerkannte Künstler stellen im Rahmen der Show ihre Werke vor, die man vor Ort gleich mitnehmen kann“, sagt Veranstalter Ulf Dengler (56) über die Kunst, die man nicht so schnell loswird. Die permanente Farbe, die die Haut schmückt und sich seit Uhrzeiten in verschiedenen Kulturen findet, kann nur mit Hilfe eines Lasers entfernt werden – anders als bei einem Gemälde an der Wand.

"Ich liebäugle nur und genieße das Flair"

Seit 15 Jahren gibt es die Tattoo-Show in Stuttgart. Angefangen im vergleichsweise kleinen Veranstaltungsareal Scala in Ludwigsburg, zog die Show 2004 ins Kulturhaus Arena. 2006 übernahm Dengler die Show, nachdem er mit seiner Stuttgarter Firma Gold Rose Publishing jahrelang Flyer und Plakate für die Veranstalter gedruckt hatte. „Es war eher Zufall, dass ich die Show übernahm“, sagt er, „ich bin nicht tätowiert und habe auch nicht das große Bedürfnis, mich bemalen zu lassen, ich liebäugle nur und genieße das Flair.“

Die Besucher sind wie Dengler teilweise noch kahl auf der Haut. Doch viele wagen sich schnell bei lautem Surren unter die Maschine mit der heißen Nadel und der flüssigen Farbe. Bereits bei der Öffnung ist die Halle voll. „Ich war schon am Freitag hier, und nun bin ich wiedergekommen, um mein Tattoo nachstechen zu lassen“, sagt beispielsweise Alexander Biro (34) aus Filderstadt an einem der Stände. Der Besucher hat schon Tattoo-Messen in anderen Städten besucht, zuletzt in Reutlingen. Einen Skorpion trägt er auf dem Rücken, das schwarze Bild sticht eine junge Tätowiererin nach.

Eigentlich wollte Biro sich ein anderes Bild malen lassen, doch davor will er sich noch bei den Tätowierern beraten. Dass ihm eine Frau seine Körperkunst erneut verewigt, findet er gut. Eine Ausnahme soll sie für die Berufssparte der Körperkünstler nicht sein. Beim Stuttgarter Tattoo-Stand Hulk sind es ebenfalls Frauen und Männer, die mit Farbe und Nadel arbeiten.

Federn, Blumen oder das Unendlichkeitszeichen sehr gefragt

Seit zwei Jahren hat der 47-jährige Jürgen Pfundstein sein Tattoo-Studio Hulk in der Neckarstraße im Stuttgarter Osten. Zuvor arbeitete er als Piercer und Tätowierer in anderen Studios. In Stuttgart seien derzeit Federn, Blumen oder das Unendlichkeitszeichen sehr gefragt. „Von einem Boom kann man aber nicht wirklich sprechen“, sagt Pfundstein, „der war vor etwa zwölf Jahren. Nun ist die Nachfrage einfach konstant.“ Laut Pfundstein soll die Zahl an örtlichen Tätowierern in Stuttgart bei 70 liegen, rechnet man kleine Hobbytätowierer dazu, liege sie bei über hundert. Die Kunden, die in den Studios ein- und ausgehen, reichen vom Politiker über die junge Schülerin bis zum Bauarbeiter.

Die Körperkunst soll sich zwar mittlerweile mehr in der Gesellschaft etabliert haben, jedoch sei sie bei der Berufswahl eine Grauzone. „Es kommt immer darauf an, wo man arbeiten will und was machen möchte, aber tendenziell spricht man in Deutschland noch immer von der T-Shirt-Grenze. Also davon, dass man seine Tattoos immer noch verdecken können sollte“, rät Pfundstein.

Für viele auf der Tattoo-Show hat Veranstalter Dengler dafür eine Notlösung: Airbrush nennt sich eine Technik, die Farbe nur aufsprüht und nach drei Tagen mit Schwamm und Wasser wieder entfernen lässt. Für Kinder und Unentschlossene sei sie eine nette Möglichkeit. Für viele Besucher sicherlich schmerzfreier als beim Hineinhämmern oder Stechen.

Die Tattoo-Show findet einmal jährlich in Stuttgart-Wangen statt. Interessierte Tätowierer können sich um einen Stand für die nächste Show unter www.tattooshow-stuttgart.de bewerben.