Verdi-Chef Frank Werneke will deutlich mehr. Foto: dpa/Carsten Koall

Im abgebrochenen Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes zwingen Verdi und der Beamtenbund die Arbeitgeber in die Schlichtung. Ermuntert von ihren Erfolgen sollten die Gewerkschaften nicht überziehen, meint Matthias Schiermeyer.

Auf diesen Ablauf hat vieles in den vergangenen Wochen hingedeutet: Die Gewerkschaften erklären die Tarifverhandlungen für gescheitert und zwingen die Arbeitgeber, die Schlichtung anzurufen. Doch dabei muss es nicht bleiben: Vielmehr könnte es ab Ende April zum großen Arbeitskampf in den Einrichtungen der Kommunen und des Bundes kommen.

 

Zielstrebig auf Konfrontationskurs begeben

Warum das alles nicht überrascht? Seit Herbst schon wird die Gewerkschaftsbasis auf dieses Szenario eingestimmt. In den vergangenen Wochen wurde – sorgsam vorbereitet – zielstrebig an der Eskalationsschraube gedreht bis hin zum Megastreiktag am vergangenen Montag im bundesweiten Verkehr. Die Beteiligung an all den Ausständen und die enorme Wirkung musste die Gewerkschaften zwangsläufig ermutigen, weiter auf Konfrontationskurs zu gehen. Quasi nebenbei, aber doch ziemlich elementar, sammeln sie auch noch jede Menge neue Mitglieder ein: Allein Verdi hat seit Jahresbeginn gut 70 000 Neuzugänge verzeichnet – eine einzigartige Zwischenbilanz. Warum, so die Gewerkschaftssicht, sollte man von diesem Kurs jetzt abweichen, wenn man das Erregungspotenzial noch weiter ausnutzen kann?

Die Gefahr ist, dass die Gewerkschaftsführer bestärkt vom Rückenwind aus den eigenen Reihen den Boden der Rationalität verlassen. Bisher hatten sie für ihre polarisierende Strategie laut Meinungsumfragen noch gut die Hälfte der Bevölkerung hinter sich. Doch das muss nicht so bleiben. Sollte es nach einer fehlgeschlagenen Schlichtung zu einem unbefristeten Arbeitskampf kommen, dürfte dieser verbliebene Rückhalt bröckeln, weil die Auswirkungen auf die Bürger dann unverhältnismäßig groß werden könnten. Insofern müssen die Regisseure bei Verdi, Beamtenbund & Co. aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannen.

Für viele Kämmerer ein schwerer Rückschlag

Auch könnte nun die Kehrseite ihrer hohen Lohnforderungen deutlicher werden: Wenn die Arbeitgeber nun acht Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro, der in den unteren Entgeltgruppen deutlich stärker wirkt, sowie eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro anbieten, so sind das zunächst einmal Zahlen, wie man sie Jahrzehnte lang im öffentlichen Dienst nicht gesehen hat – selbst wenn damit die Preissteigerungen über die gesamte Laufzeit nicht vollständig ausgeglichen werden.

Allerdings müssen die Städte und Gemeinden sorgsam mit dem Geld umgehen; angesichts oft knapper Kassen drohen bei allzu hohen Einkommenssteigerungen sehr wohl Kürzungen von kommunalen Leistungen oder aber Gebührenerhöhungen. Keineswegs ist sicher, dass der Bund oder die Länder helfend einschreiten. Dass die Gehaltszuwächse noch immer nicht ausreichend sein sollen, dürfte für viele Kämmerer in der Republik ein schwerer Rückschlag sein.