Der Ausstand der Lokführergewerkschaft GDL beeinträchtigt nicht nur die Reisenden und Pendler, sondern auch die Wirtschaft ganz massiv. Insbesondere der Autobauer Mercedes muss rechtzeitig reagieren.
Nach dem 24-stündigen Streik der Lokführergewerkschaft (GDL) im Personenverkehr wird die Deutsche Bahn an diesem Samstag Mühe haben, den fahrplanmäßigen Verkehr wiederherzustellen. Noch schwieriger könnten die Aufräumarbeiten im Güterverkehr sein, wo der Ausstand vier Stunden früher begonnen hatte.
Eine Bilanz lässt sich am Freitag noch nicht ziehen. Klar ist jedoch, dass die GDL der Wirtschaft schon mit einem 28-stündigen Warnstreik viele Sorgen bereiten kann, selbst wenn sich die Schäden offenbar in Grenzen halten. Gewöhnlich versorgt DB Cargo als größte europäische Güterbahn die deutsche Wirtschaft mit mehr als 2500 Zügen am Tag. Im Streikfall wird notgedrungen nach der Bedeutung der Fracht priorisiert: „Die Just-in-time-Produktion der Automobilindustrie rangiert da ziemlich weit oben“, sagt ein DB-Sprecher. „Wir tun alles dafür, dass es nicht irgendwo zum Produktionsausfall kommt.“ Auch die Kraftwerksversorgung und die Raffinerien hätten eine hohe Bedeutung. „Wir besprechen mit den Kunden sehr genau, was versorgungsrelevant ist und wann ihre Produktion stehen könnte.“ Der Streik treffe weniger die Bahn, sondern in erster Linie die Wirtschaft, weil sich die Logistik nicht so schnell umstellen lasse, wie man es gemeinhin annehme.
Paradebeispiel für eine hochprioritäre Fracht sind die elektrischen Antriebsteile von Mercedes: DB Cargo transportiert über Nacht die Batteriesysteme des Modells EQE vom Werk Hedelfingen über rund 650 Kilometer bis ans Band des Werks in Bremen. Ein Güterzug kann die Fracht von bis zu 52 Lkw befördern. Im Streikfall ersetzt ein großer Spediteur aus der Region, der nicht genannt werden will, den Zugtransport mit 20 bis 25 Lkw – trotz des Zusatzgeschäfts hat er aber für die Gewerkschaft null Verständnis.
„Wir stehen in engem Austausch mit unseren Logistikdienstleistern“, sagt ein Mercedes-Sprecher lediglich. Im Hinblick auf den Streik seien mit den Transportpartnern Alternativen erarbeitet worden. „Unsere Werke laufen aktuell planmäßig.“
Daimler Truck spürte derweil keine Streikauswirkungen, wie eine Sprecherin sagte. „Die Lieferkette ist aktuell stabil.“
Auch der starke Schnellfall in Bayern bereitet Probleme
Der Bahn macht auch noch das Winterchaos in Bayern zu schaffen. Deswegen hatten sich bis Donnerstagabend bereits 170 Güterzüge speziell im Süden gestaut, nachdem sie an diversen Orten hängen geblieben waren. Die Bahn befürchtete zunächst, dass sich diese Zahl durch den Streik verdoppeln könnte – auch mit der Folge voll besetzter Abstellgleise. Nach der Streikankündigung wurde aber Fracht, sofern möglich, beim Kunden belassen und gar nicht erst auf das Gleis gesetzt. „Relativ viele Züge wurden abgesagt, sodass wir jetzt feststellen: Es läuft so halbwegs, aber eben mit viel zu wenig Programm“, so der DB-Sprecher.
Kombiverkehr rechnet mit Normalisierung Anfang nächster Woche
Die Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr vermarktet das Netzwerk für Bahn und Spediteure. Aktuell seien wegen des Streiks rund 30 Zugabfahrten nicht angeboten worden, sagte Kombiverkehr-Geschäftsführer Armin Riedl. Die für diese Abfahrten gebuchten Sattelauflieger, Container und Wechselbehälter würden auf die nächstmögliche Zugabfahrt umgebucht.
Teilweise würden Züge in den Versandbahnhöfen nicht abgefahren oder nach Zugabfahrt auf der Strecke abgestellt. Zeitversetzt komme es regional zu Arbeitsniederlegungen in Stellwerken und bei Fahrdienstleitern an teilweise neuralgischen Knotenpunkten im Netzwerk. „Dies führt zu weiteren massiven Beeinträchtigungen.“
Bei abgestellten Zügen sei noch nicht absehbar, wann die Weiterfahrt fortgesetzt werde. „Für Spediteure kommt es damit zu erheblichen Verspätungen in der Zustellung ihrer Sendungen bei Industriekunden“, so Riedl. Nach Beendigung der Streikmaßnahmen werde das Wiederanrollen der Züge und die Wiederherstellung des Normalbetriebs eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. „Wir gehen davon aus, dass mit Beginn der neuen Woche der Regelfahrplan wieder weitestgehend angeboten werden wird.“
Nur geringe Lkw-Kapazitäten zur Verfügung
„Die Straße kann ausfallende Transportmöglichkeiten auf der Schiene durch den erneuten Streik der Lokführer in Teilen übernehmen“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr (BGL). „Insgesamt stehen durch die hohe Transportnachfrage aber nur sehr geringe freie Lkw-Kapazitäten am Markt zur Verfügung.“ Auch versuchten die Logistiker, Massenguttransporte auf der Schiene so weit wie möglich auf andere Eisenbahnunternehmen oder die Binnenschifffahrt zu verlagern. „Trotz aller Anstrengungen wird es aber nicht zu vermeiden sein, dass es zu massiven Verzögerungen in einigen Versorgungsketten kommt“, betonte er. Angesichts des Streiks zeige sich erneut die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der Verkehrsträger Straße, Bahn und Binnenschiff, um das Risiko von Transportengpässen so gering wie möglich zu halten.
Lokführer der EVG helfen in der Not
Der Bahn kommt immerhin zugute, dass etliche Loks von Mitgliedern der Konkurrenzgewerkschaft EVG bewegt werden. Oder aber sie greift auf die wenigen „Parcel-Intercitys“, also Paketzüge, zurück. Doch der bange Blick geht nach vorn: Wenn die GDL von Januar an mehrere Tage am Stück zum Ausstand aufruft, werden sich die Güterzugausfälle immer weniger kompensieren lassen.
„Jeder Streik kostet Vertrauen in die Schiene bei Logistikunternehmen sowie in der Industrie und im Handel“, betont Kombiverkehr-Geschäftsführer Riedl. Unbefristete Streiks über einen längeren Zeitraum könnten teilweise auch zur dauerhaften Rückverlagerung auf die Straße führen, was klimapolitisch aber nicht gewollt sein könne. „So gesehen wirbt die GDL für den Verkehrsträger Straße und auch die Wasserstraße“, kritisiert er die Gewerkschaft. „Wir hoffen daher sehr, dass es zu einer schnellen Einigung kommt und die Schiene weiterhin das Verkehrsmittel der Wahl für Spediteure ist, effizient, sicher und umweltfreundlich zu transportieren.“