Werner Wölfle, Muhterem Aras, Franz Untersteller und Brigitte Lösch (v. li.): Alle vier Grünen Kandidaten haben in Stuttgart den Sprung in den Landtag geschafft. Foto: dpa

Die Grünen sind stärkste Partei in Stuttgart und erobern drei der vier Direktmandate.

Stuttgart - Die Grünen haben bei der Landtagswahl in Stuttgart fast auf allen Ebenen den Durchmarsch geschafft. Sie eroberten drei der vier Direktmandate, die hier zu vergeben waren, stellen dank eines Zweitmandats sogar insgesamt vier der künftig fünf Abgeordneten von Stuttgart und wurden stärkste Partei.

Vor allem im Wahlkreis Stuttgart I mit dem Stadtzentrum und den wichtigen Innenstadtbezirken Süd, West und Nord dominierten die Grünen die Landtagswahl. Sie errangen mit der Stadträtin Muhterem Aras (45), nicht nur erwartungsgemäß des Direktmandat, sondern deklassierten mit einem Stimmenanteil von 42,5 Prozent fast die CDU, die lediglich 26,9 Prozent schaffte. Kandidatin Andrea Krueger (53), die rund 11081 Stimmen zurückliegt, verlor ihr Landtagsmandat. Die Grünen errangen auch das Direktmandat im Filderwahlkreis StuttgartII mit Werner Wölfle (57) und konnten den Regionalpräsidenten Thomas Bopp von der CDU dank 301 Stimmen Vorsprung aus dem Landtag werfen. Noch überraschender aber war, dass auch Brigitte Lösch (48) auf direktem Weg in den Landtag einziehen konnte - obwohl sie nicht mehr in ihrem bisherigen Wahlkreis, der Innenstadt, antrat, sondern im Wahlkreis IV am Neckar und im Stuttgarter Osten. Dort gewann sie auf Anhieb mit 558 Stimmen Vorsprung. Die CDU-Kandidatin Christine Arlt-Palmer (46), die Frau des früheren Staatsministers Christoph Palmer, ging bei ihrer ersten Landtagskandidatur leer aus.

Von den CDU-Kandidaten punktete als einziger Reinhard Löffler (56) im Wahlkreis Stuttgart III. Mit 34,2 Prozent fuhr er einen sicheren Vorsprung ein. Danach folgte diesmal nicht die SPD-Kandidatin Ruth Weckenmann (51), sondern der Grüne Franz Untersteller, der 2006 in Bietigheim-Bissingen kandidiert hatte. Er schaffte jetzt seine Wiederwahl in einem Wahlkreis, der bisher keineswegs eine Grünen-Hochburg war.

Druck der Kritiker nimmt zu

Innerhalb der CDU ist besonders pikant, dass mit Reinhard Löffler ausgerechnet der Kandidat ein größeres Desaster verhinderte, der sich beim Kreisvorsitzenden Michael Föll nicht wohlgelitten fühlt. Löffler war bei der Nominierung der CDU-Kandidaten von einer Parteifreundin herausgefordert worden und trägt es Föll nach, dass er es nicht verhindert hat. Obwohl Löffler der CDU noch ein Direktmandat rettete, sprach CDU-Chef Föll am Abend von einer "Niederlage, die uns trifft und schmerzt". Der Streit um das Tiefbahnhofprojekt Stuttgart21 sei keine Ursache dafür. Das prozentuale CDU-Ergebnis in Stuttgart liege nämlich im Landestrend. Vielmehr habe die Atomkatastrophe in Japan den Grünen "den einen oder anderen Prozentpunkt" gebracht. Die Konsequenzen, die die CDU aus der Katastrophe zog, seien den Wählern in der Kürze der Zeit nicht zu vermitteln gewesen. Er neige nicht dazu, bei der ersten Gelegenheit aus der Verantwortung davonzulaufen, sagte Föll auf Anfrage. Er habe vor, Kreisvorsitzender in Stuttgart zu bleiben.

Der Druck der Kritiker in der Partei hat aber schlagartig zugenommen, auch wenn das in erster Linie noch die Landesebene der CDU betrifft. Die Partei sei auf dem Tiefpunkt, sagte der CDU-Regionalrat und frühere Stuttgarter Wirtschaftsförderer Wolfgang Häfele. Sie sei thematisch und teilweise personell in den 70er- und 80er-Jahren stehen geblieben. Nach der Kommunalwahl sei dies nun die zweite gravierende Niederlage in Stuttgart binnen kurzem. Nun müsse eine Erneuerung kommen. CDU-Stadtrat Dr. Cornelius Kübler forderte ebenfalls eine thematische und personelle Neuaufstellung. Die Aufbaugeneration, die zu Wohlstand gekommen sei, habe anders gewählt, die jüngeren Menschen aber seien von der CDU auch nicht gut erreicht worden.

"Ich bin OB für alle"

Bei der SPD gab es trotz der Aussicht auf den Regierungswechsel viel Wehmut. Martin Körner (40), Bezirksvorsteher im Osten und Kandidat im WahlkreisIV, hatte sich mehr erwartet - zumindest ein Zweitmandat. Körner konnte sich aber nicht vom Landesergebnis der SPD nach oben absetzen. Ruth Weckenmann im Wahlkreis III konnte ihn mit 23,1 Prozent auch nur um 0,7 Prozentpunkte überflügeln. Die SPD-Kandidaten in der Innenstadt, Dejan Perc, und im Filderwahlkreis, Matthias Tröndle, wurden von der Konkurrenz förmlich abgehängt.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Kumpf sieht eine Ursache bei Stuttgart21. "Die SPD-Haltung war nicht vermittelbar", sagte sie. Dass es damit in Stuttgart schwer werden würde, sei klar gewesen. Das Thema Atomkraft sei im Bundesland mit dem höchsten Atomstromanteil ebenfalls schwer ins Gewicht gefallen.

"Ich bin OB für alle"

Die FDP-Kandidatin Gabriele Heise schnitt im Filderwahlkreis zwar etwas besser ab als ihre Partei auf Landesebene - aber es reichte nicht. So gingen die Liberalen diesmal auch in ihrer Hochburg leer aus. Ihr Kreisvorsitzender Armin Serwani, der selbst Kandidat war, zeigte sich enttäuscht.

Lang hatte Heise noch gebangt, ob es für sie für ein Zweitmandat reichen würde. Derweil waren die Grünen längst in Hochstimmung. Schon das frühe Teilergebnis aus der Wohnanlage Fasanenhof war für sie verheißungsvoll: Grüne und CDU gleichauf bei 30,5 Prozent. Recht rasch wurden die Grünen noch besser in Szene gesetzt. Als um 18.32 genau 58 der 433 Wahlbezirke in der Stadt ausgezählt waren, lagen die Grünen erstmals stadtweit vorn. Um 20.02 Uhr standen sie als stärkste Partei in Stuttgart mit 8045 Stimmen Vorsprung vor der CDU fest. Ein Wahlkrimi, zu dem 73,1 Prozent aller Wahlberechtigten beigetragen hatten (2006: 57,0 Prozent), ging zu Ende.

Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (CDU) sagte zu dem Ergebnis: "Ich bin OB für alle, und das gilt auch gegenüber dem Land. Auch die neue Landesregierung wird ein großes Interesse an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt haben." Beim Thema Bildung und Schulen habe sie umfangreiche Versprechungen gemacht. "Über die OB-Wahl 2012 will ich jetzt nicht spekulieren, das wäre Kaffeesatzleserei. Ich habe ein Mandat von den Bürgern direkt, das ich gegenüber der Landesregierung vertreten werde", sagte er.