Quo vadis Stuttgarter Straße? Der Bezirksbeirat Feuerbach scheint den Kompass verloren zu haben, in welche Richtung die Entwicklung der Stuttgarter Straße konkret gehen soll. Foto: Tom Bloch

Die Stadtverwaltung schlägt vor, den Bereich „Grazer Platz“ mit Geldern aus dem Fond „Stadtteilzentren konkret“ aufzuwerten und als Mischverkehrszone auszuweisen. Der Bezirksbeirat ist sich uneins, ob diese Maßnahme sinnvoll ist und vertagt das Thema.

Feuerbach - Leerstehende Geschäfte, dringend sanierungsbedürftige Gebäude, immer weniger Fachgeschäfte und Einzelhandel – stattdessen ziehen Billigläden, Dönerbuden und Wettbüros ein. In vielen Stuttgarter Stadtteilzentren sind solche „Trading-Down-Effekte“ zu sehen. „Auch in Feuerbach dreht sich die Spirale“, sagt Stadtplaner Hermann-Lambert Oediger. Allerdings, „Gott sei Dank, nicht so schnell“ wie andernorts in Stuttgart, räumt der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung ein. Dennoch sind die Defizite klar erkennbar. Und in der Studie des Büros Dr. Donato Acocella Stadt- und Regionalentwicklung steht es auch schwarz auf weiß: „Spielhallen, Wettbüros, und Shisha-Bars sind schwerpunktmäßig im östlichen Teil des Zentrums zu finden. Am Grazer Platz und am Kreuzungsbereich Stuttgarter Straße, Feuerbacher-Tal-Straße, Hohewartstraße sind gestalterische Defizite festzustellen.“

600000 Euro aus dem Investitionsfond sollen nach Feuerbach fließen

Das Büro Dr. Donato Acocella wurde von der Stadt beauftragt, sechs Stadtteilzentren – darunter Feuerbach, Weilimdorf und Zuffenhausen – genauer zu untersuchen und Handlungskonzepte zu erstellen. „Stadtteilzentren konkret“ lautet der Titel des Konzepts. Dafür steht momentan ein Investitionsfonds von insgesamt 2,7 Millionen Euro für alle beteiligten Stadtbezirke zur Verfügung. 600 000 Euro aus dieser Summe sollen nach Feuerbach fließen. In der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirats berichtete Oediger über das Konzept und schlug vor, den Löwenanteil der Summe für eine Shared-Space-Zone, also eine Mischverkehrsfläche, zu verwenden. Die Stadt könne sich gut vorstellen, den Bereich bei der Volksbank und der Kreuzung Stuttgarter Straße/Grazer Straße bis hin zur Alten Apotheke als Shared Space auszugestalten. „Wir könnten für diese Maßnahme 500 000 Euro reservieren“, meinte Oediger.

Der Vorteil wäre, dass der Autoverkehr weiter durchfahren könnte, „aber wir verlangsamen ihn“, sagt Oediger auf Nachfrage unserer Zeitung. Gleichzeitig könne auch der „Grazer Platz“ zu einer „urbanen Fläche mit mediterranem Flair“ umgestaltet werden, stellt Oediger weiter in Aussicht: „Wir könnten dort die Fläche niveaugleich gestalten und die Bordsteine beseitigen.“

Zudem schlug der Stadtplaner in der Sitzung vor, 50 000 Euro für die Revitalisierung von leer stehenden Ladenflächen zu verwenden und weitere 50 000 Euro für die Verbesserung der Situation in der Tiefgarage im Burgenlandzentrum zu investieren. Dies sei lediglich als Startschuss für weitergehende Maßnahmen zur Aufwertung der Stuttgarter Straße gedacht, meinte auch Bezirksvorsteherin Andrea Klöber. Doch während in Zuffenhausen und Weilimdorf die Vorschläge Oedigers einstimmig angenommen wurden, lehnten in Feuerbach mehrere Fraktionen die Pläne ab.

Vorschlag wird als „Lachnummer“ bezeichnet

CDU-Sprecher Dirk Teichmann sagte, er sei ziemlich enttäuscht von dem Vorschlag: „Das ist eine Lachnummer, die man uns anbietet.“ Das Konzept funktioniere auch in der Tübinger Straße nicht. Er kritisierte zudem, dass die Stadtverwaltung die versuchsweise Sperrung der westlichen Stuttgarter Straße jeweils an Samstagen aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt habe. Zum Hintergrund: Eine knappe Mehrheit im Gremium hatte Ende des vergangenen Jahres die Durchführung eines entsprechenden Feldversuchs befürwortet. Grünen-Sprecher Reiner Götz hatte beantragt, eine temporäre Sperrung der Stuttgarter Straße ab der Kreuzung Feuerbacher-Tal-Straße/Stuttgarter Straße bis zur Kreuzung Grazer Straße versuchsweise an Samstagen einzuführen und währenddessen Verkehrszählungen an Durchgangsstraßen wie der Oswald-Hesse-Straße oder Wiener Straße durchzuführen. Doch die Stadtverwaltung lehnte dies ab. In der Stellungnahme von Bürgermeister Peter Pätzold war zu lesen, dass eine solche Maßnahme seitens der Verwaltung aktuell nicht in Erwägung gezogen werde. Erst wenn die Umlegung der B 295 erfolgt sei und ein Verkehrsstrukturplan erstellt werde, komme ein solcher Feldversuch in Betracht. „Ich weiß nicht, warum sich die Stadtverwaltung nicht um den von uns gestellten Prüfauftrag kümmert“, kritisierte Teichmann in der Sitzung. Er sei nach wie vor für einen solchen Verkehrsversuch. Der jetzige Shared-Space-Vorschlag beeinflusse ja auch das Verkehrsgeschehen im Stadtbezirk, insofern werde hier mit zweierlei Maß gemessen.

Die FDP befürchtet, dass Konzept endet im Chaos

Die FDP lehnt die Shared-Space-Pläne grundsätzlich ab: „Ich glaube, dass wir mit so einem Konzept im Chaos enden“, sagte FDP-Sprecherin Gabriele Heise. Sie forderte, den Verkehr in der Stuttgarter Straße wie bisher „zu trennen“ und ein „funktionierendes Parkleitsystem“ einzuführen. Für Reiner Götz hat der jetzige städtische Vorschlag einen entscheidenden Pferdefuß: „Wenn wir an einer Schraube drehen, haben wir woanders ein Problem.“ Im Prinzip habe er nichts gegen Shared Space und genauso wenig sei er gegen eine Fußgängerzone, aber „wir müssen die Gesamtlage betrachten. Ich will nicht, dass Sie nur diesen einen Punkt herausgreifen“, sagte Götz zu Oediger. Dieser entgegnete, er wehre sich gegen die Einschätzung, dass er nicht das Gesamtkonzept im Auge habe. Aber er wiederhole es noch einmal: „Ja, es ist möglich, und ja es ist sinnvoll diesen Teilabschnitt der Stuttgarter Straße anzugehen.“ Er hoffe, dass der Investitionsfonds „keine Eintagsfliege“ werde. Der jetzige Vorschlag sei lediglich ein erster Schritt.

Am Ende wird das Thema vertagt

Doch wird es überhaupt eine Entwicklung geben? Sein Eindruck sei, sagte SPD-Sprecher Martin Härer, dass einige im Gremium „gar nichts ändern wollen“. Er sehe die Shared-Space-Idee nicht als Sackgasse, sondern als Einstieg in weitergehende Maßnahmen. Es gehe um die Schaffung von Aufenthaltsqualität und um die Verbesserung der Verkehrssituation. Beides könne durch diese Planung erreicht werden. Roland Saur (SÖS/Linke-Plus) dankte Härer und sprang ihm bei: „Wir doktern jetzt schon so lange daran herum.“ Auch der SÖS-Vertreter sprach sich für die Veränderungen aus und wies zudem auf den Platz am Hirschbrunnen hin, der auch keinen guten Eindruck mache.

Jochen Heidenwag (Freie Wähler) befürchtet, dass „wir die 500 000 Euro komplett in den Sand setzen“. Er könnte sich jedenfalls mit einer Shared-Space-Zone im besagten Bereich anfreunden. Der Shared-Space-Gedanke sei interessant. „Die Frage ist nur: Wo fängt er an und wo hört er auf?“ Er habe Gespräche geführt, und es gebe bei einigen Beteiligten an der Stuttgarter Straße die Angst, „dass wir aus der Stuttgarter Straße eine komplett verkehrsfreie Zone machen“, sagte Heidenwag. Allerdings sei ein Veränderungswille bei Geschäftsleuten und Eigentümern durchaus erkennbar. Am Ende verließ Oediger das Gremium ohne einen tragfähigen Beschluss – das Thema wurde vertagt. Götz kündigte einen neuen Antrag an und meinte am Ende lapidar: „Wenn wir zu keinem Schluss kommen, dann haben wir Pech gehabt.“