Sebastian Turner. Foto: Leif Piechowski

Nach 40 gemeinsamen Podiumsdiskussionen trennen sich die Wege der OB-Kandidaten Fritz Kuhn und Sebastian Turner. Einen direkten öffentlichen Schlagabtausch wird es vor dem 21. Oktober nicht mehr geben.

Stuttgart - Am 21. Oktober entscheidet sich die Nachfolge von OB Wolfgang Schuster (CDU) – und am morgigen Donnerstag, wer im Rennen bleibt. Die Kandidaten justieren zum Schlussspurt ihre Taktik.

CDU

Die Christdemokraten mit ihrem parteilosen Kandidaten Sebastian Turner schließen zusammen mit FDP und Freien Wählern die Reihen. Der zwei Prozentpunkte hinter Fritz Kuhn (Grüne) zurückliegende Werbefachmann Turner setzt im Endspurt verstärkt auf prominente Hilfe. Neben der krisenerprobten Angela Merkel, die Turner am Freitag, 12. Oktober, um 15 Uhr auf dem Marktplatz empfehlen wird, sollen weitere „politikaffine Namen mit Reputation“ dem Kandidaten helfen. Merkels Zusage ließ Turners Wahlkampftruppe am Dienstag aufatmen: „Es ist alles fixiert, sie kommt.“ Zu Merkel stoßen in einer Art kleiner Elefantenrunde auch die Landesvorsitzenden von CDU, FDP und Freien Wählern, Thomas Strobl, Birgit Homburger und Heinz Kälberer.

Für Montag, 15. Oktober, wird die frühere Familienministerin Rita Süssmuth (75) angekündigt, ein Veranstaltungsort aber noch gesucht. Turner wolle in der letzten Wahl-Woche zusammen mit Persönlichkeiten „Top-Themen“ aufgreifen, so sein Büro. Welche das sind, wird noch nicht verraten.

Öffentliche Streitgespräche Turners mit Kuhn hätten sich damit erledigt. „Wir hatten 40 davon, dieses Format ist jetzt nicht mehr geplant, man war da ja ziemlich fremdbestimmt“, sagt ein Mitarbeiter. Einen Auftritt Turners mit Kuhn kommenden Montag im Theaterhaus habe man übrigens „nicht abgesagt, sondern nie zugesagt“, stellt der Mitarbeiter klar. Nach 40 Runden könne auch keine Rede davon sein, dass Turner sich um die direkte Konfrontation drücke.

Grüne

Grüne

Das verpasste Podium mit Turner wird Fritz Kuhn nicht missen. „Die Tage sind mit Veranstaltungen voll“, sagt der Grünen-Favorit. Ab Donnerstag wird er im Stadtbild mit neuen Plakaten präsent sein. Die Botschaft ist noch geheim. „Order vom Chef“, sagt Kuhns Wahlkampfleiterin Julia Ebling. Die Finanzierung fällt der Partei seit Dienstag leichter. Der Bundesverband hat 10.000 Euro überwiesen. Mit den 80.000 vom Kreisverband, mit bisher 80.000 Euro Spenden und mit Kuhns Einsatz von bis zu 30.000 Euro erreicht die Öko-Partei das Budget der SPD. Für die Genossen wird die Wahlschlacht nach dem Rückzug der parteilosen Bettina Wilhelm sogar günstiger als geplant. Freuen kann sich SPD-Kreisschatzmeister Ulrich Henke dennoch nicht: „Wenn man fast 200.000 Euro ausgibt und nichts gewinnt, begeistert einen das wenig.“

Begeisterung zeigt dagegen Kuhns Wahlkampfmanagerin Ebling. Und zwar für die Aussage von CDU-Landeschef Thomas Strobl. Wenn Kuhn ins Rathaus einziehe sei das Bahnprojekt Stuttgart 21 tot, prophezeite Strobl. „Danke für die Wahlkampfhilfe“, sagt Ebling.

Kuhn kann der Aussage des Christdemokraten wenig abgewinnen. Die CDU scheine von Angst, weniger von nüchterner Überlegung getrieben, so Kuhn. „Auch für mich gilt der Volksentscheid“, sagt der vorläufige OB-Wahl-Spitzenreiter. Er könne zwar Wünschelruten-Gehen, habe aber „keine magischen Kräfte“ und könne Stuttgart 21 nicht beenden. Aber er könne der Bahn in Fragen wie „Brandschutz, Kosten- und Planungsstand auf die Finger schauen“. Und dafür sorgen, dass die Stadt nicht mehr zahle. Am Flughafen, wo die Bahn einen „schlechten Bahnhof geplant hat“, werde die Stadt für Verbesserungen kein Geld geben.

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann verwahrt sich gegen die „Unterstellung“, das Projekt Stuttgart 21 würde unter einem OB Fritz Kuhn sterben. „Es hat eine Volksabstimmung in dieser Frage gegeben, an diese fühle ich mich gebunden, und auch der Rathauschef ist daran gebunden“, sagte Kretschmann am Dienstag vor Medienvertretern. Anderslautende Behauptungen von Strobl seien „reiner Theaterdonner“. Kretschmann: „An eine Volksabstimmung, die wir selbst eingeleitet haben, müssen wir uns ja wohl halten.“

SÖS

SÖS

Nach dem Rückzug der von der SPD nominierten Bettina Wilhelm und vor allem der Wahlempfehlung der Sozialdemokraten für Kuhn richten sich die Blicke am heutigen Mittwoch auf Hannes Rockenbauch. Der junge Stadtrat mit Architektur-Diplom sammelte 20 155 Stimmen, also 10,4 Prozent, und will heute seine Entscheidung bekannt geben.

Der neue Oberbürgermeister müsse bei Stuttgart 21 „mehr als kritisch zusehen“, schließlich lebe das Projekt deshalb, weil die Politik nur zugeschaut habe, fordert Rockenbauch. „Ein OB, der Stuttgart 21 verhindern will, kann das auch, daher würde ich mich freuen, wenn Herr Strobl Recht hat“, sagt der Viertplatzierte. Ein grünes Parteibuch reiche dazu aber „nicht aus“. Er erwarte vom künftigen OB, dass dieser die Sprechklausel in den Finanzierungsverträgen für den Bahnhof nutze und der Bahn klarmache, dass es keinen Cent zusätzlich geben werde. „Das muss geschehen, bevor diese Stadt der Erpressungstaktik der Bahn ausgeliefert ist“, so der Fraktionsvorsitzende von SÖS im Gemeinderat. Er jedenfalls werde bei einem möglichen Rückzug keine Wahlempfehlung geben, so Rockenbauch. Für SÖS-Stadtrat Gangolf Stocker wäre Rockenbauchs Rückzug nur folgerichtig. Er habe alles erreicht, Turner werde mutmaßlich als OB verhindert und das parteifreie Bündnis habe dank des OB-Wahlkampfs eine „optimale Startrampe für die Kommunalwahl 2014“.

Piraten

Piraten

Der OB-Kandidat Harald Hermann wollte sich am Dienstagabend mit Mitgliedern seiner Piratenpartei beraten. Er selbst denke daran, seine Bewerbung nach dem ersten Wahlgang zurückzuziehen, sagte Hermann. Wenn die Partei es wolle, werde er aber auch weiter für sie Flagge zeigen und in den zweiten Wahlgang ziehen. Für den Fall seines Rückzugs stand zur Debatte, ob die Piraten sich für einen anderen Kandidaten aussprechen sollen. Thematisch gebe es die meisten Gemeinsamkeiten mit Jens Loewe, nicht mit Sebastian Turner oder Fritz Kuhn, meinte Hermann. Beim ersten Wahlgang am 7. Oktober erhielt er 877 Stimmen (0,5 Prozent).

Jens Loewe

Jens Loewe

Der aus dem Wasserforum und einer Initiative für direkte Demokratie kommende Einzelbewerber Jens Loewe will auch zum zweiten Wahlgang in Stuttgart antreten. „Ich habe das nicht etwa aus Größenwahn entschieden oder weil ich glauben würde, dass ich noch 40 Prozent erreichen kann“, sagte der parteilose Loewe unserer Zeitung. Ihm gehe es um Geradlinigkeit, nicht um Taktiererei oder Deals. Er wolle sich denen zur Wahl anbieten, die nur einen Kandidaten wie ihn wählen können – „und wenn es auch nur ein paar hundert sein sollten“. Das könne man auch als Dienst an der Demokratie auffassen, sagte Loewe, Mitinhaber eines Kunstateliers für Messe- und Ausstellungsbau. Große Wahlkampfaktivitäten plane er nicht mehr, höchstens ein bis zwei Veranstaltungen, die aber weniger Wahlkampf sein sollen als Aufklärung zu Fragen wie Stuttgart 21. Beim ersten Wahlgang am 7. Oktober erhielt Loewe 2060 von insgesamt gut 193.000 abgegebenen gültigen Stimmen. Das sind 1,1 Prozent.