Jörg Widmann Foto: Borggreve

Beim Stuttgarter Kammerorchester hat Jörg Widmann dirigiert, Klarinette gespielt und eigene Kompositionen vorgestellt.

Stuttgart - Begeisterte Bravi erklangen am Sonntagabend nach rasantem Musizieren im gut besuchten Stuttgarter Beethovensaal. Das Stuttgarter Kammerorchester bot mit dem Klarinettisten und Dirigenten Jörg Widmann ein Programm stilistischer Extreme.

Carl Maria von Webers B-Dur-Klarinettenquintett erinnert – in der Fassung für Solist und Streichorchester – sowohl an Agathes berührende Innigkeit aus dem „Freischütz“ als auch an die überbordende Fröhlichkeit, die so mitreißend in der Oper des deutschen Waldes vorkommt. Widmann realisierte hauchzarte Klänge am Rande der Hörbarkeit, bisweilen scharfes Timbre und rasende Tempi: Atemlos in der Frühromantik, manchmal auch schneller, als er es technisch beherrschte. Aber der Esprit der Musik nahm suggestive Klanggestalt an.

Widmann hatte zwei eigene Kompositionen im Gepäck. Sein Streichsextett (Quartett plus zwei Celli) „180 heartbeats per minute“ wirkte extrem in der Reduktion auf einen Rhythmus und eine Harmonie – Bartòk und Beat ließen grüßen und trafen offensichtlich den Nerv des Publikums, das begeistert reagierte. Eher genervt war zumindest mancher Zuhörer von Widmanns „Freien Stücken“, bei denen er trotz kleiner Besetzung geräuschhafte Extreme der Klangerzeugung ausreizt, was die akustisch-ästhetische Orientierung erschwert.

Widmanns Komposition ist auf engstem Raum zwar faszinierend vielgestaltig, hinterlässt aber auch den Eindruck eines sich rasend drehenden Kaleidoskops. Ohne jegliche Extreme erklang Mendelssohns erste Kammersinfonie c-Moll, in der er sich suchend mit den sinfonischen Großmeistern auseinandersetzt und kreatives Talent beweist. Mit Verve verlieh das Stuttgarter Kammerorchester unter der fast tänzerischen Gestik des Dirigenten dem Stück satten sinfonischen Atem.