In den Stuttgarter Messehallen ist derzeit einiges los. Unter anderem geht es um Autos. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die Stuttgarter Frühjahrsmessen inklusive Retro Classics boten dem Publikum am Samstag Anregendes zwischen Oldtimern und Obstwiese, Rinderzucht und E-Roller.

Auf dem Platz vor den Stuttgarter Messehallen begutachten am Samstagvormittag zwei junge Männer einen zum Verkauf stehenden Porsche Targa 911. Mit einem Verbrauch von rund 12 Litern auf 100 Kilometer sei das in Zeiten hoher Benzinpreise wohl das falsche Fahrzeug, urteilt der eine. In dieser Hinsicht schneidet der Taycan 4S, der drinnen zu sehen ist, wesentlich besser ab. Das E-Auto ziert den Stand eines Carsharing-Anbieters auf der iMobility.

Ressourcen schonen, vorausschauend wirtschaften, fair und umweltbewusst handeln – diese Themen sind bei den Frühjahrsmessen omnipräsent: gleich ob es um den Prototyp eines 26-Tonners geht, der mit Brennstoffzellen fährt oder um den Erhalt der am Albtrauf ansässigen Champagner Bratbirne, die Jörg Geiger in seiner Manufaktur zu Cider verarbeitet. In Deutschland harrt der Obstwein noch seiner Entdeckung im großen Stil. Im spanischen Asturien liegt der Pro-Kopf-Verbrauch laut Geiger bei stolzen 50 Litern jährlich.

Superfood aus Südamerika

Tradition und Innovation treffen besonders im Rahmen der Slow Food Messe aufeinander. So können Genießer hier Käse mit 800-jähriger Vorgeschichte probieren. Marco Prandi, der zur Verkostung lädt, ist Vorsitzender einer Genossenschaft, die sich der Nachzucht und Pflege der Rossa Reggiana, einer roten Rinderart, verschrieben hat, deren Zukunft zwischenzeitlich auf der Kippe stand.

Felix Stöckle hingegen wirbt als Geschäftsführer des Start-ups InkaPura für die peruanische Yacon Wurzel. Als Pulver oder Sirup bietet sie einen kalorienarmen und an Ballaststoffen reichen Ersatz zum Zucker. Seit Juli 2021 folgen Stöckle und seine Partnerin Ina Wagner ihrer Mission, das Superfood aus Südamerika bekannter zu machen. Um die Ökobilanz muss sich niemand sorgen: Die Inka-Heilpflanze wurzelt und gedeiht inzwischen in Oberschwaben.

Was alles im Mülleimer landet

Der Duft der mit Fenchel, Zitrone oder Kräutern der Provence kombinierten, Oliven des französischen Maison Magurno, der ungarische Baumstriezel Kürtőskalács oder die Stände der Weingüter stehen für das sinnliche Messe-Erlebnis. Neben Augen, Nase und Gaumen wird aber auch das Denken angeregt. Nina Langen, Fachfrau für nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft an der TU Berlin informiert im Zuge der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ über Lebensmittelverschwendung.

Messebesucher sind aufgerufen zu schätzen, was im Mülleimer landet und in welcher Menge. Alternativen werden gesucht. Wie wäre es mit einem Reste-Kochbuch? Sollte man das Mindesthaltbarkeitsdatum durch eine Angabe ersetzen, die zeigt, wann ein Produkt definitiv verdorben sein wird?

E-Scooter für Senioren

Ingolf Gebhart aus Esslingen stellt Alternativen ganz anderer Art vor. Immer wieder fiel ihm auf, dass Senioren Schwierigkeiten mit der Steuerung elektrischer Rollstühle hatten. Von anderen geschoben zu werden, sei wiederum das Letzte, was sich ein alter oder kranker Mensch wünsche. Die Lösung: Senioren-E-Scooter. Das kleinste Modell lässt sich problemlos zerlegen und ins Auto packen. Der Akku reicht für 20 Kilometer.

Am Stand nebenan liebäugelt derweil eine Dame mit einem zusammenklappbaren E-Mofa. Es besitzt eine Straßenzulassung und löst das allgegenwärtige Parkplatzproblem. In Sachen ÖPNV erlaubt das Forschungsprojekt RABus einen Blick in die Zukunft. Es geht um autonome Shuttles in und außerhalb der Stadt. Für 2023 ist der erste Testbetrieb für Friedrichshafen angepeilt, wie Projektleiterin Ulrike Weinrich verrät.

Tacker ohne Klammer

Neben Eindrücken sammeln sich während des Rundgangs auch Broschüren und kleine Einkäufe an. Eine stilechte Transportmöglichkeit bietet das „Tütle“ der Apomore GmbH aus Dettenhausen, eine CO2-neutral hergestellte Tüte aus Recyclingpapier, die nach dem Einkauf als Biomülltüte verwendet werden kann, weil sie auch in feuchtem Zustand nicht reißt.

Stolz führt der zwölfjährige Meo eine weitere Entwicklung des Start-ups vor: den Paper Shark, ein Tacker, der ohne Klammern auskommt. „Das spart Metall“, erklärt der Unternehmensnachwuchs. An diesem Messetag dürfte er manchen vom nachhaltigen Abheften überzeugt haben.