Klare Ansagen auf dem Eis: Der Jugend-Chefcoach des Stuttgarter EC mit seinen Schützlingen Foto: Pressefoto Baumann

Bedrich Pastyrik, Jugend-Chefcoach des Stuttgarter Eishockey-Clubs, legt viel Wert auf Disziplin.

Stuttgart - „Das rechte Bein nach vorn, das rechte“, sagt Bedrich Pastyrik laut, deutlich und bestimmt. Sein Blick unterstreicht, dass er es ernst meint: „Wenn du weitermachst mit dem Theater, gehst du vom Eis und kannst dir Eishockey im Fernsehen anschauen.“ Der Steppke mit dem blauen Helm pariert. Stillgestanden, wenn der Trainer spricht. Disziplin ist eines der wichtigsten Gebote beim Nachwuchstraining des Stuttgarter EC. Der tschechische Jugend-Cheftrainer ist ebenfalls durch die harte Schule gegangen, damals in Tabor in der einstigen Tschechoslowakei. „Bei mir berührt niemand eine Scheibe, wenn ich das nicht will“, sagt der 44 Jahre alte Mann und erklärt seine Strenge: „Wenn das Training nicht perfekt organisiert ist, vergeuden wir wertvolle Eiszeit.“

Bei gut 40 Kindern zwischen vier und zehn Jahren auf dem Eis, wie an diesem Samstag in der Laufschule, arten übertriebene Eigenwilligkeit und Ungehorsam schnell in Chaos aus. Von den Kindern ist noch keines in Tränen ausgebrochen nach einem Rüffel – und auch bei den 15 Eltern in der Eiswelt auf der Waldau schüttelt keiner verachtungsvoll den Kopf ob des rauen Tons. „Er verlangt viel von den Kindern, aber bei ihm lernen sie auch viel – und Disziplin ist wichtig“, sagt Karola Litterer aus Echterdingen, deren Sohn Alexander (8) seit zwei Jahren beim SEC an sich arbeitet, um ein berühmter Eishockey-Spieler zu werden. „Er ist so begeistert vom Training“, unterstreicht die Mutter, „es wäre für ihn eine Strafe, wenn er zu Hause bleiben müsste.“

Bedrich Pastyrik verfolgt in Stuttgart eine Vision. Er will der Jugendarbeit seine Handschrift verpassen; das mag sich vermessen anhören, ist bei seiner Erfahrung aber alles andere als überheblich. Der Tscheche war sieben Jahre lang Nachwuchstrainer bei den Schwenninger Wild Wings, Ende 2009 heuerte er in gleicher Funktion beim EHC München aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) an. „Ich könnte ein Training aus dem Stand abliefern“, sagt er, „aber ich will etwas aufbauen, die Strukturen verbessern, Professionalität schaffen.“ Um das zu erreichen, macht er die Eishalle zu seiner zweiten Heimat – täglich bis zu zwölf Stunden verbringt der Jugendtrainer hier. Er steht auf dem Eis, zeigt, was ein Spieler alles können muss, er entwickelt in seinem fensterlosen Minibüro in den Katakomben der Halle Trainingspläne am Laptop, er bereitet vor und hält Schulungen für die übrigen Trainer und Übungsleiter in der SEC-Geschäftsstelle gegenüber der Halle. „Ich bin ein Büromensch, ich liebe die konzeptionelle Arbeit“, sagt Bedrich Pastyrik und lächelt. Im Grunde sei er ein umgänglicher Kerl, sagt er, nur wenn seine Autorität angegriffen wird, kann der Ton schärfer werden. Mitunter rächen sich die, die sich ungerecht behandelt fühlen. „Mir wurden von Unzufriedenen schon Kratzer ins Auto gemacht und Reifen aufgeschlitzt“, erzählt er. In Stuttgart befürchtet er das nicht – warum auch? Hier wird er geachtet, von der Clubführung, den Eltern und den Kindern. „Wir können froh sein, einen so kompetenten Mann bei uns zu haben“, sagt Udo Bertschinger aus dem SEC-Vorstand.

Für manche ist Eishockey auch Charakterschule

Der Coach knallt mit seinem Schläger aufs Eis. „Schaut her“, sagt er, „nicht beide Beine so drehen, nur ein Bein. So geht das!“ Die Kinder ziehen mit. Für manche ist Eishockey auch Charakterschule. Eduard Huber schickt Tochter Alissa (5) ganz bewusst aufs Eis, als Gegenpol zu den Etüden im Ballett. „Sie soll nicht nur in rosaroten Röckchen herumtänzeln, sondern auch einen Teamsport kennenlernen“, sagt der Vater, „und sie fühlt sich hier wohl.“ Die meisten Eltern sind irgendwie zufällig zum SEC gekommen, nur die wenigsten haben eine Eishockey-Vergangenheit in der Familie. Leonard Ess’ (4) bester Freund Mateo jagt gerne dem Puck nach, deshalb ist nun auch Mutter Annette Ess regelmäßig in der Eiswelt. „Ich hatte nie Eishockey im Sinn, obwohl ich lange in Toronto gelebt habe“, sagt sie. Wie der Sillenbucherin erging es gut der Hälfte der anwesenden Erwachsenen – sie standen eines Tages etwas fremdelnd in der Eishalle. Aber nicht lange. Denn Helena Mariscal kümmert sich um alle Neulinge persönlich – sie ist seit fünf Jahren Ansprechpartner, Organisator und Rundum-Betreuerin. Und sie ist Mutter von Maten (4) und Justi (7), die beide auf dem Eis stehen. Die 38-Jährige ist Bindeglied zwischen Verein, Trainer und Eltern, und Letztere sind voll des Lobes über sie. „Wir fühlen uns sehr wohl, was auch Helena zu verdanken ist“, sagt Marcus Jacobs aus Untertürkheim, Vater von Fabio (5), „wir fühlten uns sofort zugehörig.“

Denn beim ersten Training können Neulinge in den Umkleiden leicht den Überblick verlieren, wenn es ums Ausleihen von Ausrüstung geht, ums Binden von Schlittschuhen und Unterstützung beim Anlegen der Schoner. Doch der Schock legt sich schnell. „Rund die Hälfte der Kinder aus der Laufschule spielen später in der Mannschaft“, sagt Helena Mariscal.

Später hat Bedrich Pastyrik die Schlittschuhe ausgezogen und sitzt in der Geschäftsstelle des Clubs. „An diesen Wänden werde ich meine Trainingspläne aufhängen“, sagt er. Auch er ist letztlich durch Zufall auf der Waldau gelandet. Nachdem er sich vom EHC München getrennt hatte, suchte er Arbeit. Das erste Treffen mit den SEC-Bossen verlief ergebnislos – dann trafen die Stuttgarter Clubchefs ihn überraschend in Tschechien bei einem Turnier wieder. „Also redeten wir noch mal und fanden doch zusammen“, sagt der Jugend-Chefcoach, der seinen Vertrag kürzlich um zwei Jahre verlängerte. Gut für ihn, weil er weiter seine Handschrift in der Jugendausbildung verfolgen kann; gut für den SEC, weil der Club im Nachwuchsbereich bestens aufgestellt ist. „Mein Ziel lautet“, betont Bedrich Pastyrik, „ich will die Kinder fürs Eishockey gewinnen. Sie sollen die Sportart mit allen ihren Aspekten lieben.“ Und da gehört manchmal eben auch ein etwas rauerer Ton dazu.