Am Blumengroßmarkt verkaufen dutzende Gärtner ihre Blumen und Pflanzen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Tischtuch ist zerschnitten. Die Märkte Stuttgart wollen nicht mehr mit den Genossen des Blumengroßmarkts zusammenarbeiten. Nun wird das Landgericht entscheiden, ob die Räumungsklage rechtens ist.

Stuttgart - Manchmal ist das ja eine gute Idee: Wenn die Sache zu hitzig wird, einfach mal eine Pause machen und das Fenster öffnen. Nach zwei Stunden Verhandlung am Stuttgarter Landgericht und mehreren gescheiterten Versuchen, eine Brücke zwischen den Kontrahenten zu bauen, verordnete der Vorsitzende Richter Horst 15 Minuten Pause – und Lüften. Doch weder Kälte noch mehr Sauerstoff wirkten, zu weit liegen die Positionen der Märkte Stuttgart und der Genossen des Blumengroßmarkts auseinander.

Die Märkte Stuttgart sind eine städtische Tochter. Sie betreiben den Großmarkt in Wangen und wollen nicht mehr mit dem Blumengroßmarkt zusammenarbeiten. Sie haben deshalb die Mietverträge gekündigt und eine Räumungsklage ausgesprochen. Dagegen wehrt sich der Blumengroßmarkt. Dieser ist als Genossenschaft organisiert, getragen von 50 Mitgliedern mit 300 Mitarbeitern. Das sind Gärtner aus der Region, die ihre Pflanzen und Blumen auf dem Großmarkt anbieten. Die Genossenschaft zahlt 25 000 Euro Miete im Monat an die Märkte Stuttgart. Sie betreibt drei Vermarktungshallen und eine eigene Kundenladehalle. Am Nikolaustag 1968 billigte der Gemeinderat in einem Vertrag, „dass der Blumengroßmarkt den bisher von der Stadt betriebenen Großmarkt mit Schnittblumen, Topf- und Zierpflanzen in eigener Regie übernimmt“.

Für drei Hallen gibt es drei Mietverträge

Drei Mietverträge gibt es, für jede Halle einen, jeweils unterschiedlich ausgestaltet. Alle drei Verträge haben die Märkte Stuttgart gekündigt und im Dezember die Räumungsklage eingereicht. Also musste sich Horst jeden einzelnen Vertrag genauer anschauen. Er neigt zu der Ansicht, die Verträge „konnte man kündigen“. Alles klar also?

Von wegen, denn da gibt es noch die Kundenladenhalle. Sie gehört der Genossenschaft. An ihr entzündete sich der Streit. Die Kundenladehalle erlaubt Kunden, ihre Lieferwagen und Laster nahe der Verkaufsstände zu parken. So bleibt Ware vor Nässe und Kälte geschützt. Nun ist diese Ladehalle aber vom Streusalz zerfressen. Für eine Million Euro muss man sie sanieren. Wer zahlt das? Nur die Genossen – oder auch benachbarte Stände und die Märkte Stuttgart, weil alle Kunden dort parken? Seit 2015 verhandelt man, kam auf keine Lösung.

Wert der Ladehalle ist umstritten

Diese Halle gehört also noch den Genossen. Sie ist aber nutzlos ohne die Verkaufshallen. Man könnte die Ladehalle und die Verkaufshallen als wirtschaftliche Einheit bezeichnen, weil sie nur gemeinsam sinnvoll nutzbar sind. Dann aber dürften die Märkte Stuttgart nur alles gemeinsam kündigen und nicht einzelne Hallen. So wie ein Vermieter auch nicht einem Mieter nur das Wohnzimmer kündigen dürfe, erläutert Horst. Auch die Tatsache, dass die Märkte Stuttgart im Dezember, also nach der Räumungsklage, einen Brief verschickt haben, in dem sie eine Mieterhöhung festsetzten, schwächt die Position der Stadt. Ein Versehen sei dies gewesen, sagt Roger Bohn, Anwalt der Märkte Stuttgart, 400 Formbriefe seien an alle Mieter rausgegangen, aufgrund eines Irrtums auch an die Genossenschaft.

Urteil am 7. April

Da also beide Seiten ihre Argumente vorgebracht hatten, versuchte es Horst nochmals im Guten: „Gibt es vielleicht einen Weg, den Sie gehen können?“ Der führt aber – trotz Pause und frischer Luft – nur in eine Sackgasse. Die Märkte Stuttgart wollen den Blumengroßmarkt loswerden, die Genossen wollen einen neuen Mietvertrag. Selbst wenn sich die Wege trennen, droht Zoff. Was tun mit der Ladehalle? Müssen die Märkte Stuttgart die Genossen entschädigen? Gutachten über den Wert brachten unterschiedliche Zahlen. Laut Blumengroßmarkt ist die Immobilie 3,8 Millionen Euro wert, die Märkte Stuttgart errechneten 421 000 Euro.

Am 7. April soll das Urteil ergehen.