Alicia Amatriain, Jason Reilly und Friedemann Vogel(v. li.) beim Festakt Foto: Ballett/Roman Novitzky Foto:  

Sie haben das gewisse Etwas, machen jeden Auftritt zu einem Fest, können aus jeder Situation heraus einspringen am Stuttgarter Ballett, weil sie die wichtigen Rollen am beherrschen. Nun sind Alicia Amatriain, Jason Reilly und Friedemann Vogel zu Kammertänzern gekürt worden.

Stuttgart - Nur fünf seiner vielen Stars hat das Stuttgarter Ballett seit seiner Gründung 1961 zu Kammertänzern ernannt: Mit Birgit Keil, Richard Cragun und Egon Madsen sind drei Tänzer aus der ersten Generation darunter, Tamas Detrich und Sue Jin Kang sind die zuletzt geehrten. Rein rechnerisch ist das eine Ernennung pro Jahrzehnt.

Doch nicht allein was die Zahlen angeht, war der Festakt am Mittwoch im ersten Rang des Opernhauses „etwas Spezielles“, wie Ballettintendant Reid Anderson betonte: Mit Alicia Amatriain, Jason Reilly und Friedemann Vogel wurden gleich drei Solisten, begleitet von viel Lob und noch mehr Emotionen, zu Kammertänzern gekürt.

Alle drei haben das, was ihr Chef mit John Crankos Worten lapidar „It“ nannte: das gewisse Etwas. Eine Gabe, wie Anderson erklärte, die Können, Herz und Verstand aufs Glücklichste verbindet. Aber alle drei sind nicht nur Bühnen-, sondern auch Arbeitstiere, drei Tänzer, die aus jeder Situation heraus einspringen, wenn Not am Mann ist – und die das auch können, weil sie die wichtigen Stuttgarter Rollen beherrschen. Und dabei sieht ihnen das Publikum die Verantwortung, die auf ihnen lastet, nie an, weil sie jeden Auftritt zu einem Fest machen.

Das Land verspricht, alles zu tun, um den Tänzern gute Arbeitsbedingungen zu bieten

Das Besondere an der Kunst der drei neuen Kammertänzer zu erfassen, hatten sich die Laudatoren zur Aufgabe gemacht. Birgit Keil kennt Alicia Amatriain, seit die Spanierin als Schülerin an die Cranko-Schule kam und sie vor 20 Jahren die erste Stipendiatin von Keils Tanzstiftung war. „Du hast alles getanzt“, umriss die alte Kammertänzerin die Kunst der jungen, „und die zeitgenössischen Choreografen, die reißen sich um dich“. Alicia Amatriain bringe nicht nur die körperlichen Voraussetzungen mit und eine „unglaubliche Gelenkigkeit“: „Du bist mehr: Du hast eine Schönheit, die auch von innen kommt, und du hast dich zu einer großen Künstlerin entwickelt, die Magie verbreitet und das Publikum mitfühlen lässt.“

Ganz bildhaft vermittelte Reid Anderson den Gästen, darunter Familie und bis aus Berlin angereiste Kollegen der Geehrten, was Jason Reilly, den Anderson bereits als Schüler in Toronto kennenlernte, als Tänzer auszeichnet: „Er ist stark wie ein Panther, aber innen zart wie Schokolade.“ Zu viel Kaffee, Party bis früh in den Morgen: „Auch so fühlt sich der Tänzer Jason Reilly für mich an.“ Dazu sei der Kanadier der einzige Stuttgarter Solist, der alle Hauptrollen des Repertoires getanzt habe, einer, der für die Zusammenarbeit mit Choreografen, die wie Kevin O’Day in „Hamlet“ wichtige Rollen für ihn schufen, einen Platz im Guinness-Buch verdiene – und ein toller Partner. „Wenn ich eine Frau wäre, wollte ich mit Jason Reilly tanzen.“

Auch mit ihm wollen die Ballerinen tanzen: Friedemann Vogel ist „unser Weltstar“, wie Tamas Detrich sagt. Derjenige, der viele Jahre lang im Schatten seines Bruders Roland der „kleine Vogel“ gewesen sei, gehöre heute zu den ganz Großen seines Fachs. Der erste „echte“ Stuttgarter unter den nun acht Kammertänzern der Staatstheater ist nicht nur der Idealtyp des klassischen Tänzers. „Es reicht nicht, Talent zu haben“, so Tamas Detrich. „Was dich besonders macht, ist deine Art zu arbeiten, dein Fleiß, deine Hingabe, die Zeit, die du dir nimmst, um in Rollen hineinzuwachsen, und die Leidenschaft, mit der du sie füllst.“

Auch dafür, dass alle drei, wenn sie auf den Ballettbühnen weltweit unterwegs sind, immer auch für Stuttgart tanzen, ehrt sie nun das Kunstministerium. Stellvertretend überreichte Claudia Rose, Abteilungsleiterin für Kunst im Ministerium, die Urkunden und versprach den Anwesenden, dass das Land „alles tue, was wir an Unterstützung leisten können, um gute Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit zu schaffen“. Den Neubau für die Cranko-Schule nannte sie als Beispiel. Schöne Worte, die hoffentlich auch für die Sanierung des Opernhauses gelten – damit die drei neuen Kammertänzer nicht in einer Kammer enden.