Serie "So leben wir" Teil 1 - Im Familienleben gibt es viele Fragen: Wie decken wir unsere Ausgaben? Wer arbeitet wie viel und wie wollen wir leben? Sechs Familien aus Stuttgart und Region geben in einer Serie private Einblicke in ihren Alltag. Heute verraten sie, wie sie ihr Budget verplanen.
Wohnen, essen, heizen – das Leben wird immer teurer. Zu diesen Fixkosten, die bei vielen Familien einen Großteil des monatlichen Budgets verbrauchen, kommen weitere Ausgaben hinzu: Kinderbetreuung, Altersvorsorge, Monatstickets oder Autos. . . Für persönlichen Luxus bleibt da nicht nur bei Alleinerziehenden, sondern auch bei Familien mit zwei Einkommen wenig übrig, oder doch? In unserer Serie „So leben wir“ schildern 6 sehr unterschiedliche Familien ihr Alltag. Sie kommen aus Stuttgart, Echterdingen, Weissach, Wendlingen und dem Schwarzwald. Im zweiten Teil rechnen sie uns vor, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Serie „So leben wir“
- Teil 1: Dafür geben wir unser Geld aus
- Teil 2: So wohnen wir
- Teil 3: Was sie kochen und einkaufen
- Teil 4: Wer hilft uns?
- Teil 5: Urlaub mit Kindern
- Teil 6: So organisieren wir unsere Familie
600 Euro fürs Lebenswichtige – Colline Jux coacht und trackt ihre Ausgaben
Vor der Geburt ihres 18-Monate alten Sohnes hat Colline Jux zeitweise im Ausland und in verschiedenen Städten in Deutschland gelebt und unter anderem in der Unternehmensberatung gearbeitet, oft 14 Stunden am Tag. „Durch die Geburt meines Sohnes hat sich meine Einstellung zur Arbeit allerdings geändert“, sagt die 39-Jährige, die seit zwei Jahren in Stuttgart-West lebt und sich während ihrer Schwangerschaft als Coachin für Persönlichkeitsentwicklung selbstständig gemacht hat. Bis 15 Uhr ist ihr knapp 18 Monate alter Sohn in der Kita, in dieser Zeit coacht Jux Gruppen und Einzelpersonen. Ihre Fixkosten von 2000 bis 2500 Euro kann sie gut decken und zumeist etwas sparen. Ihre Ausgaben trackt Jux mit der App Moneymanager. Ein Tortendiagramm auf dem Handybildschirm teilt ihre Ausgaben in Kategorien ein. „Durch die App habe ich ein besseres Gefühl für meine Ausgaben bekommen“, sagt Jux. 980 Euro gehen jeden Monat für die Miete der Altbauwohnung weg. Ungefähr 600 Euro gibt Jux jeden Monat für alles „Lebenswichtige“ aus, dazu zählen Lebensmittel oder auch eine neue Jeans, wenn die alte kaputt ist. Durchschnittlich 500 Euro im Monat investiert Jux in sich selbst und besucht Yoga- oder Coaching-Fortbildungen. (Susan Jörges)
Der Kredit fürs Haus der Riegers frisst die Hälfte des monatlichen Budgets
Über die Finanzen haben sowohl Steffen (49) als auch Nadine Rieger (45) den Überblick. „Auch mit unseren Kindern sprechen wir offen über Geld und sagen, wenn wir in manchen Monaten mehr sparen müssen“, sagt Nadine Rieger, die mit ihrer Familie in Weissach lebt. Der 16-jährige Collin erhält 40 Euro Taschengeld, sein jüngerer Bruder Jayden (13) bekommt 30 Euro.
Noch 20 Jahre den Kredit abbezahlen
Nadine Rieger arbeitet 80 Prozent in einem Hort einer Schülerbetreuung in Weissach. Steffen Rieger ist in Vollzeit als Projektleiter bei einem Lüftungsanlagenhersteller in Stuttgart beschäftigt. Zusammen haben sie jeden Monat um die 4000 Euro zur Verfügung. „Ich würde sagen, wir sind Normalverdiener, auf die Ausgaben muss man schon achten“, sagt Steffen Rieger. Den Kredit für das 2010 gekaufte Haus im Dorfkern von Weissach müssen sie noch etwa zwanzig Jahre abbezahlen, etwa die Hälfte des monatlichen Budgets geht dafür weg. Gut 800 Euro gibt die Familie für Lebensmittel aus. Die Hundeversicherung für Schäferhund Jacky kostet 89 Euro pro Monat, dazu kommt Hundefutter für 20 bis 30 Euro im Monat. Einige hundert Euro halten die Eltern für Anschaffungen und Aktivitäten zurück, die sich ihre Kinder wünschen. Sohn Collin etwa mag gute T-Shirts oder Chino-Hosen, zudem fährt er nach den Sommerferien nach Rom auf Studienfahrt.
Etwa 200 bis 300 Euro kann die Familie jeden Monat zur Seite legen, auch um den jährlichen Sommerurlaub in Kroatien zu finanzieren, der etwa 3000 Euro kostet. Statt mehrfach im Jahr in den Urlaub zu fahren, investieren die Riegers lieber in Haus und Garten: Ein neues Gartentor, der Swimmingpool, vor vier Jahren eine neue Heizung samt Solaranlage, „wir sind gerne zuhause und wollen uns hier auch wohl fühlen“, sagt Nadine Rieger. Ein bis zwei Mal im Monat gönnt sich die Familie ein Abendessen beim Italiener im Dorf.
Dass Nadine Rieger weniger Geld als ihr Mann verdient und ihr wegen Steuerklasse fünf zudem mehr abgezogen wird, ärgert sie. „Es nervt mich, das so wenig Netto vom Brutto übrig bleibt.“ (Susan Jörges)
Viel ans Haus gebunden – Familie Lieb kann Geld zur Seite legen
Jannik Lieb arbeitet Vollzeit, die fünfköpfige Familie aus Echterdingen lebt vor allem von seinem Gehalt als Teamleiter bei Trumpf. Lisa Lieb ist seit September wieder im Schuldienst. Sie ist Lehrerin und unterrichtet aktuell acht Stunden die Woche. Zu ihrem Gehalt kommt das Pflegegeld hinzu, das sie für Noemi bezieht. Die Sechsjährige wurde mit einem seltenen Gendefekt geboren und hat Pflegegrad 5.
Rund 30 Prozent des Familienbudgets geht für die Abzahlung ihres Hauses drauf, das sie Ende 2020 gekauft haben. Die Kosten für Versicherungen, Mobilität und Lebensmittel sind ähnlich hoch und machen zusammen ebenfalls rund 30 Prozent aus. Es fallen zudem zweimal Gebühren für Kita-Plätze an und die Schulgebühr für Jonah, der auf eine Privatschule geht. Für Freizeit gibt die Familie nur wenig aus, da sie keine teuren Hobbys haben. Vater Jannik fährt Rennrad, Jonah geht in den Fußballverein, David ist noch nicht im Verein. Zudem mangelt es an Gelegenheiten, kostspieligere Ausflüge zu machen. Sie sind wegen ihrer Tochter viel ans Haus gebunden. Die Familie kann am Ende des Monats noch Geld zur Seite legen.
Um den Entlastungsbeitrag gilt es sich noch zu kümmern
Die Babysitterkosten für Noemi können sie sich von der Pflegekasse bis zu einer gewissen Summe wiederholen. Sie finanzieren diese über die Verhinderungspflege. Pflegende Eltern haben Anspruch auf bis zu 1612 Euro Verhinderungspflege sowie 1774 Euro Kurzzeitpflege im Jahr. Kombiniert man die Leistungen, hat man bis zu 3386 Euro im Jahr zur Verfügung. Außerdem steht pflegenden Familien ein Entlastungsbeitrag für eine Hilfe im Haushalt zu. Dieser beträgt monatlich 125 Euro. Bisher hat die Familie Lieb den Entlastungsbeitrag noch nicht in Anspruch genommen. Lisa Lieb will sich darum aber noch kümmern. (Viola Volland)
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Die Stöveken-Schaffhausers sparen für die Familien-Weltreise
Wohnen ist ein großer Posten im Haushaltsbudget von Carina Stöveken (30) und Marius Schaffhauser (31). Rund 40 Prozent ihres Einkommens als Architektin in Teilzeit und Bauingenieur in Vollzeit geben sie dafür aus. Sie haben vor zwei Jahren eine Maisonette-Wohnung im Stuttgarter Osten gekauft und kernsaniert. Die muss abbezahlt und unterhalten werden.
Das Netflix-Abo gehört zum laufenden Betrieb
Noch einmal so viel gibt die Familie für den „laufenden Betrieb“ aus, wie Carina Stöveken das nennt. Die Kitagebühren für Sohn Liam (5) fallen darunter. Geld für Lebensmittel, Kleidung, öffentlichen Nahverkehr oder das Netflix-Abo. Ein kleinerer Posten sind Ausflüge und Wochenendtrips (5 bis 10 Prozent des Budgets). Ähnlich viel fließt in Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Lebens- und Rechtsschutzversicherung.
Jeden zehnten Euro versucht das Paar zurückzulegen, falls mal die Waschmaschine kaputt geht oder für Urlaube. Derzeit sparen sie auf eine mehrmonatige Familienreise im kommenden Jahr, für die beide eine berufliche Auszeit nehmen. (Lisa Welzhofer)
Bei den Grammels ist Essen gehen am Sonntag zur Familientradition geworden
Steffi und Basti Grammel wissen genau, bei was sie schwach werden. „Europa-Park“, sagt sie „da will ich zweimal im Jahr hin.“ „Autos“, sagt er „die sind bei mir ein schwieriges Thema“. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätten sich der Handwerker und die Floristin aus Fürnsal im Schwarzwald weder über Ausflüge in Freizeitparks, noch über Lieblingsautos Gedanken machen können. „Früher waren wir nie flüssig“, sagt Steffi Grammel „da konnten wir uns gar nichts kaufen.“ Dementsprechend kam es vor 13 Jahren dem Gewinn eines Jackpots gleich, als Steffi kurz vor Max’ Geburt beim Preisausschreiben eines Drogeriemarktes einen Jahresbedarf an Windeln gewann. Als die Windelkartons dann alle auf einmal angeliefert wurden, war es mindestens noch mal ein so großes Glück, dass ihr damaliger Vermieter ihnen dafür eine Garage kostenfrei überließ. In ihrer kleinen Mietwohnung hätten die Windelmassen gar kein Platz gehabt.
Lieber Urlaub als eine Immobilie
Heute hat sich vieles geändert: Max hat längst einen Bruder, den zwölfjährigen Julian. Vater Basti hat auf Schweißwerkmeister umgeschult, verdient ein für Deutschland überdurchschnittliches Bruttogehalt und Steffi hat inzwischen ihren eigenen 260 Quadratmeter großen Blumenladen in Loßburg. Ihr Haus hat 160 Quadratmeter und so einen großen Keller, dass eine Jahreslieferung an Windeln sie vor keinerlei Probleme mehr stellen würde. Die Grammels wohnen aber auch heute weiterhin zur Miete. „Früher konnten wir uns nichts kaufen“, sagt Steffi Grammel „und jetzt machen wir lieber Urlaub als etwas zu kaufen“.
Wegfahren, den Alltag und damit auch die nie enden wollenden Aufgaben hinter sich lassen – und sei es nur für ein Wochenende – das ist der selbstständigen Geschäftsfrau wichtig. Ihr Mann hingegen käme auch „mit zwei Wochen Sommerferien am Meer“ aus. Wenn häufige Ausflüge und eine Massage im Monat der Luxus ist, den sich Steffi gönnt, dann ist das bei Basti der Sport und sein Auto. Seine Turnschuhsammlung, die richtige Ausrüstung und die Startgebühren für Marathon, Triathlon oder Trailrunning gehen ins Geld und das Leasing eines Audi RS 3 konnte sich der engagierte Familienvater auch nicht verkneifen. „Das nächste Auto wird wieder günstiger“, verspricht er Steffi, die verständnisvoll lacht.
Das eigene Geschäft füllt das Urlaubskonto
Für ihr finanziell sorgloseres Leben arbeiten die beiden unter der Woche hart und viel. „In der wenigen Freizeit, die wir als Familie zusammen haben, wollen wir leben“, sagt Basti – und nicht sparen. Von Bastis Job decken die Grammels ihre Fixkosten von etwa 2000 Euro ab, was Steffi mit ihrer „Blumenkiste“ verdient, wandert aufs Freizeit- und Urlaubskonto. Für die beiden Jungs gibt es Taschengeld, Bausparen und ein Sparkonto für Führerschein oder sonstige Zukunftspläne. Zudem legt das Paar jeden Monat 500 Euro zur Seite. 900 Euro gehen für Lebensmittel weg. Und weil sie am Wochenende entspannen und Zeit als Familie verbringen wollen, gehen die Grammels jeden Sonntag essen, „und ehrlich gesagt, oft auch am Samstag“, schieben beide fast gleichzeitig hinterher. „Dabei geben wir mindestens 100 Euro aus“, sagt Steffi Grammel „denn auch hier auf dem Land gibt es keine Pizza mehr unter 12 Euro und kein Schnitzel unter 17 Euro“. (Nadia Köhler)
Was Familien im Land auf dem Konto haben
6097 Euro
beträgt das durchschnittliche Nettoeinkommen von Paaren mit minderjährigen Kindern im Land laut Statistischem Landesamt. Bei Alleinerziehenden sind es 2850 Euro. Die jüngsten Zahlen dazu stammen von 2018.
30 Prozent
des Konsumbudgets verschlingt in Familien das Thema Wohnen. Mobilität und Essen machen je rund 15 Prozent aus. Jeder zehnte Euro fließt in Freizeitaktivitäten.
4000 Euro
wenden Paare im Land insgesamt monatlich für Konsumausgaben auf, etwa für Wohnen, Essen, Kleidung, Bildung. Alleinerziehende geben 2200 Euro dafür aus. (wel)