In Stuttgart ist am Samstag anlässlich der Afghanistan-Krise demonstriert worden. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Rund 200 Teilnehmer riefen am Samstag auf dem Schillerplatz in Stuttgart zur Solidarität mit Afghanistan auf. Die Kundgebung verlief friedlich.

Stuttgart - „Ich fühle mich verantwortlich“, sagt Zohra. Die 32-Jährige floh 1996 mit ihren Eltern aus Afghanistan. Es sei unfassbar, dass nun andere Menschen erleben müssten, was ihre Familie durchgemacht habe, stellt sie fest. Am Samstagnachmittag erhebt sie neben anderen Rednerinnen und Rednern die Stimme für das afghanische Volk, insbesondere die Frauen, denen nun, nach der Rückkehr der Taliban, ihre mühsam erkämpften Rechte wieder genommen werden.

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Rund 200 Menschen haben sich auf dem Schillerplatz zu einer Solidaritätskundgebung versammelt. Ihre Hauptforderung: Die Evakuierung all jener, die mit den demokratischen Kräften kooperiert haben und nun um ihr Leben fürchten müssen. Die Beiträge zeigen, wie vielschichtig das Problem und wie tief der Westen verstrickt ist.

Eines der am stärkstenm verminten Länder der Welt

Immer wieder prangern die Redner die Ignoranz in Politik an. Marcel etwa erinnert an die zivilen Opfer des Krieges: Seit 2001 seien es laut Schätzungen 50.000. 75.000 Verletzte kämen hinzu. Sie würden erst seit 2009 erfasst. Das Land gilt als eines der am stärksten verminten Gebiete der Welt. Immer wieder kommt es zu Unfällen. Kinder sind besonders häufig betroffen.

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Aya erinnert daran, dass Abschiebungen bis kurz vor der jüngsten Eskalation der Ereignisse stattfinden sollten. Daran, wie Menschen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht werden könnten, habe hingegen niemand gedacht. Eine junge Iranerin fragt sich, wo der Protest all der deutschen Feministinnen bleibe, nun, da Grundrechte wie Bildung oder Selbstbestimmung für afghanische Frauen in Gefahr seien.

Appelle, die Hilferufe der Afghanen zu hören

„42 Jahre Krieg. Aussichtsloses Blutvergießen“ bilanziert ein Plakat die jüngere Geschichte des Landes. „Ich habe mit meiner Cousine in Kabul telefoniert“, erzählt eine junge Frau, deren Eltern vor 30 Jahren vor der Taliban geflohen sind. „Sie wird bald nicht mehr allein aus dem Haus gehen dürfen und sie sagt, sie hat Todesangst. Es ist schlimm, dass ich nur hilflos zusehen kann, wie Afghanistan versinkt.“

Noch schlimmer sei es, dass die Hilferufe der Afghanen nicht gehört würden. „Mit Entschuldigungen für politische Fehler ist es nicht getan.“, macht sie ihrem Unmut Luft. „Lasst uns hinsehen!“ fordert eine Rednerin vehement. „Evakuierungen dürfen nicht warten, bis der Papierkram erledigt ist. Wir brauchen sie jetzt!“ Auch die Profiteure des Afghanistankonflikts bleiben nicht unerwähnt. Ein Teilnehmer der Kundgebung verweist auf das Geschäft der Waffenexporteure. Er beziffert die Gewinne auf 400 Millionen Euro.