Die Kfz-Zulassungsstelle kann den Kundenandrang nicht bewältigen. Die neue Software ist keine Hilfe. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein neues System sollte in der Zulassungsstelle Abläufe vereinfachen und beschleunigen. Das Gegenteil ist der Fall. Leidtragende sind Beschäftigte und Kunden. Die Stadt warnt vor gefälschten Wartemarken.

Die seit Monaten anhaltende Misere bei der Kfz-Zulassungsstelle der Landeshauptstadt hat sich seit dem Einsatz einer neuen Software im Juni verschärft. Nun leistet die Stadt einen Offenbarungseid: Man stoße an „technische Grenzen“ und müsse die zentrale Zulassungsstelle in der Krailenshaldenstraße 32 tageweise schließen, um die Rückstände abarbeiten zu können, antwortet die Verwaltung auf einen Fragenkatalog unserer Zeitung. Zudem warnte sie vor gefälschten Wartemarken.

 

Schließtage stehen auf der Homepage

Die Schließtage will man auf der Homepage der Zulassungsstelle ankündigen. In dieser Woche gab es bereits einen. „Die Situation ist für alle extrem belastend. Wir wissen um den Stress der Menschen, die wir gerne bedienen würden“, sagt Susanne Scherz, die Leiterin der Abteilung im Straßenverkehr im Ordnungsamt. Sie ruft zu einem „respektvollen Umgang“ mit den Mitarbeitenden auf. Das ist nötig, weil die Kundschaft vor dem Gebäude und am Schalter Nerven zeigt.

Was nachvollziehbar ist, denn schon vor der Öffnung der Dienststelle bilden sich lange Schlagen. Kunden erhalten bei zu großem Andrang keine Wartemarken mehr und müssen ihr Glück an einem anderen Tag erneut versuchen. Nun kamen gefälschte Wartemarken in Umlauf, informierte die Zulassungsstelle am Freitag. Die Originalmarken würden „ausschließlich durch hauseigenes Personal am Eingang während der Öffnungszeiten“ ausgegeben.

Die Zustände werden jedenfalls zunehmend als unerträglich empfunden. Eigentlich sollte alles moderner und besser werden. Mit dem Wechsel der Software wollte die Stadt einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung und Bürgerfreundlichkeit machen. Doch das System „KM-Fahrzeuge“ des Herstellers Komm.One erweist sich dabei nach Darstellung der Stadt als echtes Hemmnis. Die Arbeit sei merkbar erschwert, man könne je nach Öffnungsdauer nur 100 bis 230 Zulassungen am Tag für Privatkunden bewältigen – deutlich weniger als zuvor. Wie viele weniger, wurde nicht gesagt. Zur Einordnung: oft stehen frühmorgens schon 150 Menschen vor dem Haus.

Testläufe bildeten Wirklichkeit nicht ab

Testläufe habe es gegeben, sagt die Verwaltung. Vielfältige tagtägliche Fallkonstellationen hätten in der Testversion aber nicht abgebildet werden können. Nun würden bei den verschiedensten Fallkonstellationen „Fehler beziehungsweise optimierbare Prozessabläufe erkennbar“. Die würden parallel zum Kundenbetrieb mit den Programmverantwortlichen „analysiert und soweit möglich optimiert“.

Das System „KM-Fahrzeuge“ gibt es in 28 Zulassungsbezirken, weitere elf haben es laut Anbieter bestellt. Komm.One mit 1800 Beschäftigten hat seinen Sitz in Stuttgart, nur einen Steinwurf von der Zulassungsstelle entfernt und ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, an der Kommunen 88 und das Land Baden-Württemberg zwölf Prozent halten. Komm.One-Vorstandschef William Schmitt und Innenminister Thomas Strobl (CDU) lobten im April in Heilbronn die Pionierrolle des Unternehmens.

Das neue System sei eine Eigenentwicklung, sagt Gamal Morsi von Komm.one, die Umstellung in Stuttgart „technisch reibungslos“ verlaufen. Es biete bessere Prozesse, die Nutzer müssten aber „trotz umfangreicher Schulung und Testbetrieb einen routinierten Umgang entwickeln“. Das wird bei der Stadt Heilbronn bestätigt, wo das System schon länger läuft. Die Bedienung wird trotz Einarbeitung als „sehr schwierig“ beschrieben, Kinderkrankheiten seien „noch nicht ganz überwunden“.

Die Datenmenge in Stuttgart ist erheblich

In Stuttgart kommt dazu, dass es über das Wunschkennzeichenportal unzählige automatisierte Zugriffe von „Datenkraken“ gegeben habe, sagt Morsi. Das überlastete und blockierte das System. Man habe reagiert.

Es gebe keine Kommune, in der so viele Daten vom alten ins neue Betriebssystem überführt werden mussten wie in Stuttgart, sagt die Stadt. Der Bestand liegt bei rund 350 000 Fahrzeugen. Die Probleme potenzieren sich, weil sich zum neuen System Personalmangel gesellt. Zum Krankenstand kommt die Urlaubszeit.

Die Stellen seien „weitestgehend besetzt“, teilt die Stadtverwaltung mit, die Zahl offener Schalter schwanke aber. Besucher berichteten davon, dass von elf zeitweise nur drei besetzt waren. Wann Besserung eintrete, kann die Stadt nicht sagen. Ab Anfang September solle wieder eine Online-Terminvergabe möglich sein (mit neuem System). 2025 soll die Dienststelle dann an den Löwentorbogen umziehen. Für die Tarifbeschäftigten gibt es zuvor eine wohl kaum motivierende Änderung. Zum 1. Januar wird ihre Zulage von 100 auf 75 Euro gekürzt.