Lucy winselt immer noch, wenn man beim Streicheln die falsche Stelle erwischt. Foto: Brand

Ein Rauhaardackel wird durch den Garten gejagt und gebissen. Ein Grund könnte die Paarungszeit der Füchse sein.

S-Ost - Lucy durchlebt gerade eine wirklich schwere Zeit. Es ist schon schlimm genug, dass die Dame ihres Herzens Tausende von Kilometern weit weg ist und sie im kalten Stuttgart zurückgelassen hat. Gut, das war kein böser Wille, sondern pure Rücksichtnahme. Den stundenlangen Flug nach Südafrika im Frachtraum eines Düsenjets wollte sie ihr nicht zumuten. Aber jetzt auch noch dieser blöde Fuchs!

Lucy ist ein Rauhaardackel. Demnächst wird sie elf Jahre alt, was ein stolzes Alter für einen Dackel ist. In ihrem Übergangszuhause im Stadtteil Frauenkopf geht es ihr eigentlich gut. Das Haus ist groß, die Familie hat Erfahrung mit Hunden und einen großen, terrassierten Garten, der in Richtung Rohracker abfällt und sozusagen an die Wildnis grenzt. Daher rührt auch das Problem, das Lucy seit einigen Tagen schmerzhaft zu schaffen macht.

Lucy darf jeden Morgen kurz vor sieben allein hinaus in den Garten, um sich zu erleichtern. Manchmal bricht dann auch der Rest ihres Jagdtriebs durch, sie schnüffelt hier, schnüffelt da, sieht nach dem Rechten. Schließlich sind Rauhaardackel eigentlich geborene Jagdhunde, sie neigen allerdings auch zur Selbstüberschätzung. Das Internetlexikon Wikipedia unterstreicht das: „Das starke Selbstbewusstsein des Dackels kann mitunter dazu führen, dass er zu wenig Respekt vor größeren Hunden hat und es hier zu Konfrontationen kommen kann.“

Füchse sind in praktisch allen Randbezirken Stuttgarts zuhause

An jenem verhängnisvollen Morgen also war Lucy zu ihrer Überraschung nicht wie gewohnt alleine im Garten. Da war noch ein Vierbeiner – ein Fuchs. Das konnte Lucy auf keinen Fall dulden und bellte den Eindringling nachdrücklich an. Das haben alle im Haus und auch die Nachbarin gehört. Als das Interimsfrauchen nach draußen ging, um nach dem Grund für den Lärm zu schauen, wurde sie Zeugin von wilden Jagdszenen. Allerdings jagte nicht etwa der Hund den Fuchs, wie es gemeinhin üblich ist, sondern Lucy war die Gejagte. So ein Rauhaardackel kann trotz seiner kurzen Beine eine beachtliche Geschwindigkeit erreichen – aber Lucy war nicht schnell genug. Der Fuchs, der zur Familie der Hunde gehört, verbiss sich in Lucys Rücken. Er ließ auch nicht los, als die Dackelin sich schon bis vor die Terrassentür zur Wohnung geflüchtet hatte. Auch die lautstarken Beschimpfungen von Lucys aktuellem Frauchen beeindruckten den Fuchs zunächst herzlich wenig. Lucys Rücken tut immer noch weh.

Für solche Fälle von tierischer Unruhestifterei ist das Amt für öffentliche Ordnung zuständig, dort konkret der Vollzugsdienst. Dessen Leiter, Hans-Jörg Longin, hat öfter mit Füchsen zu tun. Sie sind in praktisch allen Randbezirken der Landeshauptstadt zuhause, sogar im Schlossgarten. Etliche Anwohner in Stadtrandlagen können Fuchs-Geschichten erzählen. In Gaisburg kommen sie von der Waldebene Ost herunter bis an die Häuser. Eine Hasenhalterin dort hat schon eine halbe Nacht damit verbracht, die Haustiere ihrer Kinder vor einem hungrigen Fuchs zu beschützen. Natürliche Fuchsfeinde wie Bären, Wölfe oder Adler gibt es in Stuttgart nicht. Und jagen kann man sie im Stadtgebiet auch nicht. Folglich vermehren sich die Rotfüchse fröhlich weiter.

Jetzt gerade, so Longin, sind die Füchse in der sogenannten Ranz, sprich: Es ist Paarungszeit. Das führt bekanntlich zu erhöhter Gereiztheit aller Beteiligten. Dies dürfte Lucy zum Verhängnis geworden sein, vermutet Longin. „Aber normalerweise flüchtet der Fuchs vor einem Hund.“

Auch das Pflegefrauchen von Lucy ist immer noch überrascht: „Wenn mir das jemand vorher erzählt hätte, hätte ich das als Märchen abgetan.“ Jetzt lässt sie Lucy nicht mehr alleine in den Garten, sondern sie gibt ihr Begleitschutz – auf Anraten vom Amt für öffentliche Ordnung bewaffnet wahlweise mit einem Schrubber oder einer Schaufel, falls der rabiate Fuchs noch einmal auftauchen sollte. Die Nachbarin ist von dem Vorfall übrigens nicht ganz so überrascht: Ihre Katze traut sich schon seit einem halben Jahr nicht mehr in den Garten hinaus – wegen des Fuchses.