Trauer ist noch mehr als als das schlimme Gefühl nach dem Verlust eines Menschen. Foto: Fotolia

Seit fünf Jahren wird über das neue Trauerpastorale Zentrum für Stuttgart-Degerloch nachgedacht. Während es noch etliche Fragezeichen gibt, ist eines klar: Das heiße Eisen wird zunächst ausgeklammert.

Degerloch - Auf Degerloch kommen Veränderungen zu. Der Stadtbezirk ist vor fünf Jahren als Ort auserkoren worden, an dem Trauernde Hilfe und Unterstützung finden sollen. Degerloch ist damit einer von drei Standorten in Stuttgart, die das katholische Stadtdekanat für seine neuartigen Zentren ausgeguckt hat. Doch während beispielsweise das Spirituelle Zentrum in Stuttgarter Westen bereits Ende des Jahres eröffnen wird, ist in Degerloch noch vieles im Ungefähren.

Anfang dieser Woche wollten die Projektbeteiligten die Bevölkerung auf den neuesten Stand bringen. Allerdings wurde die Veranstaltung mangels Anmeldungen abgesagt. Ist das Interesse am Trauerpastoralen Zentrum erloschen? Das glaubt Margit Gratz nicht. Sie ist die Leiterin des Hospizes sowie des Projekts fürs Trauerpastorale Zentrum. „Das Thema interessiert viele.“ Da ist sie sich sicher. Sie führt die Zurückhaltung auf einen anderen Grund zurück. Das Veranstaltungsformat sei mutmaßlich das falsche gewesen.

Das Format hat vielen wohl nichts gesagt

Geplant war ein Info-Markt. Und das erklärt sich tatsächlich nicht von selbst. Die Idee dahinter ist nach den Worten Gratz, dass es keine Frontalveranstaltung ist, sondern eine mit Stationen zu einzelnen Themen. „So lässt gut in die Interaktion und Begegnung kommen“, erklärt sie. Doch das haben viele nicht durchschaut. Deshalb werde nun überlegt, welches Format sich besser eignen könnte. „Hauptsache der Kontakt kommt zustande.“

Dass Degerloch künftig eng mit den Themen Tod und Trauer verknüpft sein wird, liegt auf der Hand. Seit mehr als zehn Jahren begleitet das katholische Hospiz dort Sterbende und deren Angehörige. Die Pläne fürs Trauerpastorale Zentrum sind dennoch von Anfang an auch auf Skepsis gestoßen. Mitglieder der katholischen Gemeinde Mariä Himmelfahrt äußerten von Anfang an Sorgen. Zum einen befürchten sie eine Art Trauertourismus, der ihr Kirchlein überrollen könnte. Zum anderen hatte aber auch das schon früh ins Spiel gebrachte Kolumbarium viele Fragen aufgeworfen. Dabei handelt es sich um Urnenwände. Die Überlegungen, diese möglicherweise in der Kirche unterzubringen, hatte seinerzeit viele aufgeschreckt. Rasch war klar: Vor allem das Kolumbarium hatte das Zeug, sich zu einem Politikum zu entwickeln.

Jedes Projekt erntet auch Kritik

Doch das heiße Eisen soll ausgeklammert werden. Fakt ist: In der Kirche wird es nach der Renovierung keine Urnenwände geben. Diese Entscheidung ist nach den Worten von Gratz nicht auf die Kritik zurückzuführen. Diese sei übrigens nie direkt bei ihr gelandet. Was nicht heißt, dass sie nicht um die Sorgen weiß. „Dass es Stimmen gegen etwas gibt, halte ich bei jedem Projekt für normal.“ Ob es einmal außerhalb des Kirchleins ein Kolumbarium geben wird, sei völlig offen. Naheliegend wäre es, sagt Gratz. „Theologisch macht es ja durchaus Sinn“, dann wenn man Leben, Tod und Auferstehung in den Mittelpunkt rücken wolle.

Die Kolumbariumsfrage ist nicht die einzige, die noch offen ist. Es gibt laut Gratz weder einen angestrebten Eröffnungstermin für das Trauerpastorale Zentrum, noch ein ausdekliniertes Konzept, was dort genau angeboten werden soll. Was es gibt, sind Ideen. Seien es weitere Trauergruppen, seien es Veranstaltungen zum Thema Bestattungskultur. Aber Trauer sei noch viel mehr als das schlimme Gefühl nach dem Verlust eines Menschen. Wer einen Arbeitsplatz verliert, trauert auch. Und viele Fragen haben auch jene, die nicht akut Trauer empfinden. Das Zentrum könnte zudem Menschen helfen, deren Beruf nichts mit Trauer zu tun hat, die aber dennoch am Arbeitsplatz damit in Berührung kommen. Lehrer zum Beispiel oder Therapeuten. Vieles davon soll im heutigen Pfarrhaus angesiedelt sein, anderes aber auch im Hospiz oder anderswo in der Stadt.

Die Renovierung der Kirche ist in greifbarer Nähe

Das Konzept fürs neue Zentrum soll dieses und nächstes Jahr weitergesponnen werden. Geklärt werden muss laut Gratz zunächst auch die Finanzierung – sowohl des Umbaus als auch des laufenden Betriebs. „Ich denke, das Jahr 2020 wird da noch verstreichen.“

Weiter gediehen sind die Renovierungsabsichten für die Kirche. Der Kirchengemeinderat hat bereits sein Okay gegeben; vor der Sommerpause ist der Stadtdekanatsrat dran. Dann wird sich ein Architekt ans Werk machen. Es soll dann eine Kirche sein, in der man seine Ruhe findet, in der aber auch Gruppen Veranstaltungen besuchen können.