In der Ruderschule des Stuttgart-Cannstatter-Ruderclub von 1910 (StCRC) lernen Neulinge das Rudern. Foto: Pressefoto Baumann

Mit dem Neckar vor der Türe haben es Ruderbegeisterte nicht weit: Zwischen den Schleusen Bad Cannstatt und Stuttgart Hofen liegt das Revier des Traditionsvereins Stuttgart-Cannstatter-Ruderclub von 1910. Neulinge erlernen auf dieser Strecke das Rudern.

Stuttgart - Mit einem Ruck rollt der Gig-Vierer über das Metallrohr am Ende des hölzernen Stegs am Ufer des Neckar in Stuttgart-Hofen. Wasser spritzt zu beiden Seiten hoch, als die „Neckarwelle“, das rote, etwa elf Meter lange Ruderboot mit einem platschenden Geräusch auf der Wasseroberfläche aufsetzt. Der etwas wacklige Einstig in das Boot ist die erste Hürde für unerfahrene Ruderer, ein ausgeprägter Gleichgewichtssinn hilft dabei ungemein.

 

Nachdem die sogenannten Skulls, also die Ruder, fest in den Dolen am Ende der seitlichen Bootsausleger hängen, die vier Ruderer ihre Füße fest an die Halterungen gegurtet, und auf den beweglichen Rollsitzen Platz genommen haben, stößt Steuermann Christian Szonn, der stellvertretende Vorsitzende des Stuttgart-Cannstatter Ruderclubs von 1910 (StCRC), den Vierer vom Holzsteg ab und gibt das Kommando für seine vier Ruderkameraden im Boot: „Alles vorwärts – los!“ Vom Heimatsteg vor dem Clubhaus des Stuttgarter Ruderverein in der Wagrainstraße treiben die Ruderer die „Neckarwelle“ per Muskelkraft flussabwärts in Richtung Bad Cannstatt.

Fühlt sich wie fliegen an

„Wenn das Boot einmal läuft, ist das wie fliegen“, schwärmt Szonn. Für den 36-Jährigen ist die Verbindung von körperlicher Bewegung und Natur das besondere am Rudersport. „Auf dem Wasser bekommt man den Kopf frei und nimmt einen anderen Blickwinkel ein. Dazu kommen die ruhigen rhythmischen Bewegungen, die nach einer gewissen Zeit beinahe schon hypnotisch wirken“, sagt Szonn.

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Eine gute Koordination und das strikte Einhalten der richtigen Bewegungsabläufe sind im Rudersport essenziell. Begonnen wird in der sogenannten Auslage: dabei sind die Beine angezogen, die Arme ausgestreckt vor dem Körper und die Ruderblätter hängen flach auf der Wasseroberfläche. Anschließend stößt man sich mit den Beinen ab, zieht die Arme bei gestreckten Beinen an den Körper heran, dreht gleichzeitig die Blätter senkrecht und zieht die Ruder durch das Wasser. Um in die Ausgangslage zurück zu kehren, zieht man die Beine wieder an den Körper heran, streckt die Arme durch und dreht die Blätter dabei wieder flach zum Wasser. Dabei sollte immer darauf geachtet werden, die linke Hand über der Rechten zu positionieren.

Ungewohnte Bewegungsabfolgen

„Das ist anfangs gar nicht so einfach“, beschreibt Szonn die Schwierigkeiten, die Neulingen mit den ungewohnten Bewegungsabfolgen haben. „In unserer Ruderschule lernen neue Mitglieder aber alle nötigen Techniken.“ Der Traditionsverein bietet unterschiedliche Kurse an: es gibt Kurse für Kinder ab zehn Jahren und für erwachsene Ruderbegeisterte. Alle Interessenten können sich im Rahmen eines Infoabends für verbindliche Termine entscheiden, danach warten insgesamt sechs Doppelstunden in gesteuerten Übungsbooten auf die Teilnehmer. Der Verein bildet so jährlich etwa 60 neue Ruderer aus. „Von unseren rund 500 Mitgliedern sind knapp zwei Drittel aktive Ruderer. Die Altersspanne reicht von Grundschülern bis hin zu Ruderern, die mit über 80 Jahren noch regelmäßig ihre Runden drehen“, erzählt Szonn.

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Das Vereinsleben des Cannstatter Ruderclubs ist reichhaltig und spannend. Hanne Berger ist 72 Jahre alt, als aktive Ruderin ist sie seit über 50 Jahren Mitglied des StCRC: „Ich kam damals durch meinen Vater zum Rudern, er war selbst über 70 Jahre lang hier im Verein. Als junges Mädchen sind wir zusammen im Wanderruderboot die Donau entlang gefahren.“ Rudern ist für die bewegliche Seniorin das beste Mittel, um körperlich und geistig fit zu bleiben. „Rudern ist ein Ausdauersport, der ungefähr 80 Prozent der Muskulatur beansprucht. Gleichzeitig sind die Bewegungen gelenkschonend und ein hervorragendes Training für Herz und Kreislauf“, sagt sie.

Rudern stärkt das Gemeinschaftsgefühl

Auch das Gemeinschaftsgefühl im Rudersport ist stark, wenn man nicht gerade alleine im Einer auf dem Neckar fährt. „Damit die Bewegungen der Einzelnen harmonieren, muss man sich aufeinander einstellen und ein gemeinsames Tempo finden. Dafür ist eine klare Kommunikation nötig, deshalb gibt es im Rudersport feste Kommandos“, weiß Szonn. Für Ungeübte hat der 36-Jährige wertvolle Tipps: „Anfänger sollten nicht hektisch werden und versuchen, ihre eigene Dynamik finden. Die richtige Koordination der Bewegungen kommt dann von alleine.“

Balance sei ebenfalls kein unbedeutender Faktor: „Im Boot kann es mal etwas wackelig werden. Der ein oder andere ging auch schon im Neckar baden“, sagt Szonn und lacht.