Auch in Stuttgart gibt es jetzt wieder Alkohol nach 22 Uhr zu kaufen. Foto: Lichtgut

Manche in Stuttgart feiern, dass das nächtliche Verkaufsverbot für Alkohol gefallen ist, und Fans des VfB Stuttgart nutzen es, um nach der Niederlage der Roten Trost zu tanken.

Stuttgart - Sie wollten am Marienplatz noch kurzerhand ein Happening draus machen, dass an diesem Abend das Verbot zum Alkoholverkauf nach 22 Uhr fällt. Das Motto der Aktion: „Mündigkeit first!“ Jetzt aber, da es gleich soweit ist, ist von der Grünen Jugend Baden-Württemberg rund ums alternative Winterdorf niemand zu finden. „Ich stehe gerade eher auf Blau“, witzelt ein 19-Jähriger, der erkennbar keinen heißen Holunder im Becher hat. Dann aber, kaum dass der Zeiger der Uhr über der entscheidenden Marke ist, tönt vom Rande her lauter Jubel: Die Jung-Grünen hatten sich nur noch kurz eingedeckt, und jetzt köpfen sie ihr Bierchen und stoßen direkt vor dem Rewe-Markt in einer größeren Runde auf das gefallene Verbot an.

„Demonstrieren müssen wir jetzt nicht mehr, jetzt können wir feiern“ sagt deren Sprecher Marcel Roth und freut sich, „dass das schwarz-gelbe Gesetz erledigt ist“. Er ist sich sicher: „Das war eine Art Sippenhaft und auch völlig wirkungslos gegen das Koma-Saufen von Jugendlichen. Bei diesem Problem muss man anders ansetzten als Erwachsene zu bevormunden.“ Dass sie hier auch den „eigenen Erfolg“ feiern, bringt Lea Elsemüller auf den Punkt: „Wir haben dafür gesorgt, dass die Abschaffung ins Wahlprogramm der Partei kam, und so ist es dann auch in den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung gewandert. Darauf stoßen wir jetzt an!“

Nicht überall feiert man die neuen Möglichkeiten

Im Markt aber ist ziemlich tote Hose an den einschlägigen Regalen: „Ich glaube, viele wissen noch nichts von der Neuigkeit, sonst wäre hier mehr los“, sagt der Verkäufer, der gerade Karamalz sortiert. Nach einer knappen Stunde aber nimmt die Sache ein wenig Fahrt auf. Grüppchenweise kommen die meisten herein, wie Fridolin, Demian, Amelie und Moritz. Sehr bewusst würden sie das machen, sagen die gut Zwanzigjährigen, „weil ein sinnloses Verbot kassiert wurde“, erklärt Fridolin. Der 25-Jährige ist „auf ein Bierchen“ mitgekommen, obwohl er am Tag darauf die Meisterprüfung als Heizungs-, Sanitär- und Klimatechniker vor der Brust hat: „Und dann gehen wir nach Hause und schlafen gut.“

Ein bisschen mehr hat sich Murat vorgenommen. Mit seinen beiden Kumpels hat sich der 25-Jährige mit „Red Bull gefälscht“ eingedeckt, was dann „mit Wodka verdichtet“ werde. „Hoch die Hände, Wochenende!“ ruft er und betont: „Ein, zwei Becher mehr werden es heute Nacht bestimmt.“ Dann fügt er hinzu: „Ich war todkrank. Jetzt genieße ich jeden Tag als ob es der letzte wäre.“ Früher habe man sich vor 22 Uhr einen Vorrat angelegt, eine „verflucht miese Zeit“ sei das gewesen, sagt Onur, jetzt aber sei es „wieder richtig chillig“, findet Tarik.

Jorgo dagegen ist froh, dass er sich „noch etwas gegen den Frust holen kann“. Er kommt direkt aus dem Stadion, wo die Wasenkicker verloren haben. Wie der in den VfB-Schal vermummte Fan, der sich „Happy End“-Likör aufs Band gelegt hat: „Das brauche ich jetzt pur.“ Dass das Gesetz wieder „außer Kraft getreten worden ist“, freut auch Peter. Mit Rick und Anton ist er sich einig, dass das „sowieso sinnlos war: „Wer was gebraucht hat, der hatte seine Tanke oder seine Döner-Bude, wo er auch nach 22 Uhr noch was gekriegt hat. Streng war das nur in den Supermärkten“. Eine Erfahrung, die viele bestätigen.

„Alkohol brauchen wir dann nicht mehr“

Auch im Rewe-Markt auf dem Bosch-Areal. „Wenn man seinen Verkäufer gekannt hat, war das kein Problem“, sagt Marcel, während Luisa einfach froh ist, „dass man in der kalten Zeit jetzt nicht mehr so früh los muss, um sich einzudecken. In den Clubs geht es ja erst nach Mitternacht ab. Das war tote Zeit dazwischen.“ Als hinter der letzten Schlange schon die Lichter ausgehen, fallen zwei junge Männer auf. Der eine mit einer Gurke, der andere mit einer roten Paprika. Einen großen Salat dürfte das kaum geben: „Ist auch nicht nötig! Wenn wir jetzt gleich in den Club gehen und eine Tablette einschmeißen, Sie wissen schon!, dann schmeckt nur noch was Natürliches gut. Alkohol brauchen wir da eh keinen mehr.“ Insofern interessiere sie auch „der ganze Verbotskäse“ nicht.

Die Jungs sind schon jetzt sehr gut drauf. Im Gegensatz zur Esso-Verkäuferin an der Heilbronner Straße. Die Zentrale hat ihr einen Maulkorb verpasst. Sie darf nicht einmal bestätigen, dass hier eine halbe Stunde nach Mitternacht rein gar nichts geht - und dass das zuvor womöglich kaum anders war. Die einschlägigen Regale jedenfalls sind lückenlos voll. Entspannter war Mikail Sefer im Bosch-Areal. Als er den Schlüssel aus der Kasse zieht und Feierabend macht, wirkt er in Sachen Alkohol erleichtert: „Jetzt muss man nicht mehr mit Leuten rumdiskutieren, die das Verbot nicht akzeptieren wollen. Macht weniger Stress und mehr Spaß. Gute Nacht!“