Studenten der Technischen Hochschule sind die Stifter des Turms Foto: Stadtarchiv

92 Stufen sind’s bis zum schönsten Aussichtsort der Stadt. Mit einem fantastischen Rundumblick lockt der Bismarckturm. Seit der Schließung des Fernsehturms ist er konkurrenzlos, was Hochgefühle betrifft. Mit einem Bürgerfest wird sein 111. Geburtstag gefeiert – und der 200. von Bismarck.

Stuttgart - 92 Stufen sind’s bis zum schönsten Aussichtsort der Stadt. Mit einem fantastischen Rundumblick lockt der Bismarckturm. Seit der Schließung des Fernsehturms ist er konkurrenzlos, was Hochgefühle betrifft. Mit einem Bürgerfest wird sein 111. Geburtstag gefeiert – und der 200. von Bismarck.

Immer wieder kommt es vor, dass Liebespaare die Plattform des Stuttgarter Bismarckturms mit einem Herz aus roten Rosenblättern schmücken. Vor allem bei jungen Türken, berichtet der Architekt und Turmwächter Hans-Christian Wieder vom Bürgerverein Killesberg, ist der Brauch beliebt, an diesem herausragenden Ort der Auserwählten die Heirat anzutragen.

Es sind viele internationale Gäste, die den Bismarckturm besteigen. „Unserer ist auch der schönste weltweit“, sagt Wieder. Seit 2002 sind die 92 Treppen frei zugänglich (in der Saison bis Oktober samstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr). Der Architekt hat ein großes Verdienst daran. Das Engagement der Bürger verhinderte die Pläne der Stadt, die Kosten für die Sanierung des Bauwerks, das bis Ende der 1980er Jahre als Wasserturm genutzt worden war, einzusparen und als Ruine stehen zu lassen. Von den 184 Türmen in Deutschland und 56 weltweit, die dem „Eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck vor über 100 Jahren gewidmet wurden, sind heute noch 173 erhalten.

Entstanden über private Spenden

Als „das bizarrste Bauerbe“, das zu bestaunen ist, hat man die Bismarcktürme bezeichnet. Bis Chile sind sie verbreitet – und alle entstanden über private Spenden.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden überall in Deutschland Türme zu Ehren des 1815 geborenen und 1898 verstorbenen Reichskanzlers Bismarck gebaut – also nach dessen Tod. In Stuttgart war’s die Studentenschaft der Technischen Hochschule, die den Turm 1904 auf einem Grundstück der Stadt errichten ließ. Obendrauf saß eine Feuerschale, aus der zu Gedenktagen für Bismarck Flammen mit einer Höhe von bis zu fünf Metern schlugen.

Längst dürfen Menschen rauf, und kaum haben sie den Aufstieg geschafft, sind sie Feuer und Flamme für eine Stadt, die friedlich im Kessel liegt, fast zum Greifen nah, wie dies auf dem Fernsehturm nicht möglich ist, wenn er mal wieder öffnet. „Es stimmt: Stuttgart ist viel schöner als Berlin“, steht im Gästebuch des 20 Meter hohen Bismarckturms gleich mehrmals, dessen obere Plattform sich 429 Meter über dem Meeresspiegel befindet. An schönen Tagen kann man von hier bis zum Odenwald sehen.

Als Wasserspeicher ist der Turm von 1928 bis Ende der 1980er Jahre genutzt worden. Heute sind die Wasserpumpen so gut, dass man für die Versorgung des Killesbergs nicht mehr einen Wasserbehälter in diesem kuriosen Bauwerke braucht. 1944 saßen Funkbeobachter der Nazis oben auf dem Turm, um frühzeitig Fliegeralarm zu melden.

Dichtes Festprogramm an diesem Wochenende

Schon zu Lebzeiten wurde Otto von Bismarck von den einen verehrt und von den anderen gehasst. Nach seinem Tod entstand mit den vielen Türmen ein steinerner Kult um ihn. Da er vor 200 Jahren geboren ist, gibt es für den Bürgerverein Killesberg noch einen weiteren Grund für ein dichtes Festprogramm an diesem Wochenende mit Musik, Vorträgen, Tanz und einer Nachtwache.

„Bismarcks politische Leistung war nicht nur die Reichsgründung“, sagt Hans-Christian Wieder, „er war auch der Initiator der ersten deutschen Sozialgesetze – ohne ihn würde es keine Renten- und Krankenversicherung geben.“ Die Feierlichkeiten, die an diesem Samstag um 14 Uhr mit Pauken und Trompeten (von der Stadtgarde Stuttgart) beginnen, sind mit der geschichtlichen Aufarbeitung in einem Symposium verbunden.

Auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album hat ein Kommentator geschrieben: „Was waren das für komische Zeiten, als Studenten einen Turm gestiftet haben?“ Die Antwort kam prompt: „Komische Zeiten sind eher die, wenn man zum Feiern hingeht und eine Müllhalde zurücklässt“, schrieb ein anderer. Als Drogentreff galt der Bismarckturm, was laut Hans-Christian Wieder vom Bürgerverein Killesberg nicht mehr zutrifft: „Die regelmäßigen Kontrollen der Polizei haben die Drogenszene vertrieben.“

Etliche Facebook-Besucher des Stuttgart-Albums erinnern sich daran, wie sie beim Turm als Kinder Drachen steigen ließen oder im Winter dort Skifahren gelernt haben. Beliebt war der Platz auch an Silvester oder für Schulfeiern. „Ich habe viele Erinnerungen“, schreibt ein anderer, „aber leider die Namen der Girls vergessen.“

Während des Jubiläumsprogramms am Samstag (14 bis 22 Uhr) und am Sonntag (10.30 bis 19 Uhr) gibt es Info- und Bewirtungsstände beim Turm. Diskutieren Sie bei: facebook.com/Album.Stuttgart. Zu unserer Serie sind zwei Bücher im Silberburg-Verlag erschienen.