Das Empfangsgebäude des alten Stuttgarter Hauptbahnhofs wird umfassend umgebaut und für ein größeres Hotel aufgestockt. Reisende müssen viele Jahre mit Behinderungen rechnen.
Stuttgart - Die Deutsche Bahn AG hat am Montag die aktualisierten Pläne für den tief greifenden Umbau des Bonatz-Baus präsentiert. Bis Ende 2025, wenn auch die Arbeiten für den achtgleisigen Tiefbahnhof und die neue Gleisinfrastruktur bei Stuttgart 21 abgeschlossen sein soll, soll auch die Rundummodernisierung des alten Empfangsgebäudes abgeschlossen sein. „Wir werden bis dahin fertig“ sagte Michael Groh, Leiter des Regionalbereichs Südwest der DB Station und Service AG. S-21-Sprecher Jörg Hamann verwies auf die enormen Kosten des Umbaus von 250 Millionen Euro, die einem Neubau gleichkommen.
Tatsächlich bleiben bei der Modernisierung des denkmalgeschützten Bonatz-Baus nur die Außenwände stehen. Sie müssen aufwendig gestützt werden. Die Hülle bleibe, so Groh, doch alle Decken würden entfernt, denn man brauche andere Höhen zum Anschluss an den Tiefbahnhof, und man müsse unter dem Gebäude sogar tiefer graben, um Versorgungswege zu schaffen, denn der Bonatz-Bau wird künftig nicht mehr vom Klett-, sondern vom Kiesinger-Platz aus über eine Lkw-Rampe versorgt werden. Damit gewinne die Stadt Gestaltungsspielraum. Die Vision ist, Schillerstraße und Klett-Platz vom Durchgangsverkehr weitgehend zu befreien.
Wegebeziehungen neu geordnet
Mit dem Umbau werden die Wegebeziehungen im Bonatz-Bau neu geordnet. Die heutige Kopfbahnsteighalle verliert ihre Funktion als Verteilerebene, denn die Haupteingänge in den neuen Tiefbahnhof liegen ein Stockwerk darunter. Der Zugang werde damit rundum ebenerdig und mit zusätzlichen Aufzügen – allein vier als Direktverbindung zur S-Bahn – barrierefrei oder mit Rolltreppen bequemer. Die breiten Treppen von der großen und kleinen Schalterhalle zur Kopfbahnsteighalle entfallen ganz oder werden deutlich schmäler, so dass man von diesen Hallen aus ebenerdig auf die Stege über den acht Durchgangsgleisen im Tiefbahnhof gelangen kann. Im Boden der Kopfbahnsteighalle wird es große Öffnungen mit Treppenläufen zur neuen Verteilerebene geben. Die Pläne haben offenbar seit August 2017, als die Projektgesellschaft auf ihrer Homepage Visualisierungen veröffentlichte, letzte Anpassungen erfahren. Manch zunächst obsolete Stütze bleibt doch erhalten, und in den neuen Darstellungen weisen die Zuganzeiger nicht mehr auf die Gleise 9 bis 16 hin, die es im Tiefbahnhof gar nicht gibt.
Modulbauten als Ausweichquartiere
Mit dem Umbau müssen sich die täglich rund 300 000 Reisenden und Besucher im Hauptbahnhof auf neue Wege einstellen. Um das Gebäude entkernen zu können, werden 2019 Modulbauten auf dem Kiesinger-Platz (950 Quadratmeter für Wartehalle, Toiletten und Info-Punkt) und an Gleis 1 (600 Quadratmeter für DB-Info, Toiletten, VVS-Schalter, Warteräume, Kiosk) geschaffen. Außerdem hat die Bahn von der Landesbank 2000 Quadratmeter für DB-Lounge, Fundstelle, Autovermieter und Reisebank und Fahrkartenverkauf angemietet.
Bis Mitte 2019 bleibe das alte Bahnhofsgebäude, „wie es ist“, so Groh, dann werden die Läden geschlossen und die Funktionen verlegt, Ende 2019. Der Eingang zur großen Schalterhalle soll ab 2020 dichtgemacht werden. Die Abbrucharbeiten beginnen am Südeingang. Der Bahnhofsturm, der laut Projektleiter Tobias Rauch weiterhin sicher auf 289 Eisenbetonpfählen steht, ist dann nicht mehr zugänglich, die S-21-Ausstellung im Turm wandert in einen Modulbau an Gleis 16. Durch den Modulbau auf dem Kiesinger-Platz fallen die letzten Autostellplätze weg. Auch Kurzparker werden dann in die LBBW-Tiefgarage verwiesen. Die ersten 15 Minuten dort seien kostenlos, so Groh. Lkw--Zu- und -Abfahrten für die Baustelle sollen weitgehend über Bahnflächen erfolgen.
Vier Jahre Bauzeit
Groh und Rauch kalkulieren mit einer vierjährigen Hauptbauzeit, in der die Wegeführung auch wegen des Baufortschritts am Tiefbahnhof immer wieder verändert werden müsse. Zusätzliches Servicepersonal soll die Reisenden in dieser Zeit lenken. Nach dem Umbau sollen sich im Bahnhof 50 Shops, Gastronomie und ein neues DB-Reisezentrum finden, dazu ein Vier-Sterne-Hotel mit 154 Zimmern. Eventuell zieht wieder Gastronomie in den Turm, die Vorfahrt am Kiesinger-Platz wird wiederhergestellt.