Die Neubaustrecke nach Ulm mit dem geplanten Tiefbahnhof ist bei den Bürgern unbeliebt wie nie.

Stuttgart - Das Bahn-Projekt Stuttgart 21 mit dem geplanten Tiefbahnhof ist bei den Bürgern so unbeliebt wie noch nie. Nur 30 Prozent der von der Verwaltung per Umfrage von Mai bis Juli um ihre Meinung gebetenen Stuttgarter finden es gut oder sehr gut. 47 Prozent lehnen den 3,1 Milliarden Euro teuren Neubau der Bahn-Infrastruktur ab, nur noch vier Prozent haben keine Meinung.

Seit 1995 betreibt die Verwaltung mit 50 Fragen bei einem repräsentativ ausgewählten Kreis der über 18-jährigen Stuttgarter Meinungsforschung. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) und Thomas Schwarz, der Leiter des Statistischen Amts, stellen am Dienstag die Ergebnisse zu den beiden Fragekomplexen Großprojekte und bestehende Einrichtungen vor.

Dabei fällt auf, dass nur zwei der bereits 2007 abgefragten Planungen und Projekte ihre Zustimmungswerte steigern konnten: Die inzwischen von OB Wolfgang Schuster beerdigte Umgestaltung der Konrad-Adenauer Straße (Tunnelbau) und die neue Nutzung des Messegeländes auf dem Killesberg.

Die Statistiker rechen die Prozentangaben in ein so genanntes Kommunalbarometer mit einer 100-Punkte-Skala um. Werte unter 50 signalisieren Ablehnung, darüber Zustimmung. Der Tunnel für die Adenauer-Straße erreicht 58 (2007: 56) Punkte, die Neunutzung der Messe 61 (59) Punkte. Bei allen anderen bereits mehrfach abgefragten Vorhaben blieben die Werte gegenüber 2007 unverändert oder nahm die Zustimmung ab. So sank die zum inzwischen begonnenen Bau der neuen Stadtbücherei von 59 auf nur noch 51 Punkte. Für Schairer ist das unerklärlich. Vielleicht sei der Neubau nicht im Bewusstsein der Stuttgarter, vielleicht habe der Standort auf der Brache hinter dem Bahnhof den Rückgang bestimmt.

Große Zustimmung findet nach wie vor der Ausbau des Stadtbahnnetzes (80 Punkte), des Klinikums (69) und die neue Nutzung des alten Güterbahnhofgeländes am Wasen (Neckarpark, 61 Punkte).

Geradezu katastrophal schlecht sind die Werte für den begonnen Umbau der Mercedes-Arena in ein reines Fußballstadion mit 39 Punkten. 46 Prozent der rund 3500 den Fragebogen zurückschickenden Bürger haben eine schlechte oder sehr schlechte, nur 23 Prozent eine sehr gute oder gute Meinung zum 60 Millionen Euro teuren Umbau. Die Entscheidung des Gemeinderates, die Laufbahn und alle Leichtathletik-Anlagen im Stadion herauszureißen hätte ein Bürgerentscheid damit womöglich nicht überlebt. Schairer hofft auf Besserung: "Wenn die neue Arena steht, werden die Leute es positiv finden", verweist er auf das sich mit Baustart und Inbetriebnahme deutlich gewandelte Meinungsbild für die Filder-Messe.

Bei Stuttgart 21 stehen sich Befürworter und Gegner unversöhnlich gegenüber. Während 2007 noch zehn Prozent keine Meinung äußerten sind es jetzt nur noch vier Prozent. Die Unentschlossenen wechselten vor allem auf die Seite der Gegner. Der Meinungs-Riss verläuft entlang der Grenze der 35-Jährigen. In der Gruppe der 18- bis 25- und der 25- bis 35-Jährigen erreicht das Projekt 48 und 49 von 100 Punkten. Bei den 35- bis 45-Jährigen kann es nur noch 39 sammeln, bei den 45- bis 55-Jährigen nur noch 35. Die jüngere Generation erkenne offenbar die Chancen, sagt Schairer. Er hofft, dass mit dem neuen Projektsprecher Wolfgang Drexler (SPD) eine "differenzierte Diskussion" über Chancen und Risiken einsetze. Schairer verweist auf die erstmals bei Stuttgart21 auch gestellten Fragen zur dadurch möglichen Parkerweiterung (von 55 Prozent begrüßt) und den möglichen neuen Stadtvierteln (30 Prozent dafür, 37 dagegen).

Die Stuttgart-21 Gegner nahmen die Werte mit Genugtuung zur Kenntnis. "Je besser die Bürger aufgeklärt sind, desto mehr lehnen sie das Projekt ab", sagt Grünen-Chef Werner Wölfle. "Wer aus der Zustimmung zum Park Honig für Stuttgart 21 saugen will muss schon arg verzweifelt sein", kommentierte Gangolf Stocker von der Initiative Kein Stuttgart 21. Für Wolfgang Drexler ist die Aufgabenstellung klar: "Wir müssen wesentlich stärker über die Vorteile von Stuttgart 21 informieren."