An eine pünktliche Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofs glauben nur wenige.
Stuttgart - Noch immer erregt das Bauvorhaben Stuttgart 21 die Gemüter in der Stadt. Auch nach der Volksabstimmung im November vergangenen Jahres. Rund 300 Gäste reckten gestern in der Stadtbibliothek interessiert ihre Hälse, als der Tunnelbau-Experte und Geologe Walter Wittke die Tücken beim Bau des rund neun Kilometer langen Fildertunnels erläuterte.
Auch nach der rund eineinhalbstündigen Veranstaltung unterhielten sich die Gäste bei belegten Brötchen und Wein noch angeregt über den neuen Tiefbahnhof. Dieser soll, so die Aussage von Podiumsgast Volker Kefer, Technik-Vorstand bei der Deutschen Bahn AG, 2020 in Betrieb gehen.
Zuhörerin schätz Bauende auf Ende 2022
„Ich glaube nicht, dass dieser Zeitplan eingehalten werden kann“, sagt Zuhörerin Herma Stängle (69). Ihr Argument: Selbst der Bau kleiner Projekte verzögerte sich meistens während der Realisierung um einige Zeit. Bei Stuttgart 21, einem Riesenprojekt, werde dies sicherlich nicht anders sein. Die Rentnerin schätzt das Bauende daher eher auf das Jahr 2022.
Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein: Auch Peter, ein 29-jähriger Diplomingenieur, der seinen Nachnamen gestern nicht verraten wollte, hält eine Inbetriebnahme vor 2022 für unrealistisch. „Es hat sich schon so viel verzögert“, sagt er. „Dass jetzt plötzlich einfach alles reibungslos verlaufen soll, ist schwer zu glauben.“ Für ihn habe die Veranstaltung am Montag leider keine neuen Erkenntnisse gebracht.
Dieser Meinung ist Herma Stängle nicht. „Der Vortrag von Herrn Wittke war sehr informativ“, findet sie. Vorher habe sie ein ungutes Gefühl gehabt, was den Tunnelbau angeht und die Gefahren, die damit verbunden sein könnten. „Er hat beispielsweise das Problem mit dem Wasser, das ins Gestein eindringt und es aufquellen lässt, sehr gut und verständlich erklärt.“ Sie habe zwar noch immer nicht alles hundertprozentig verstanden, aber man müsse zu den Fachleuten auch ein gewisses Vertrauen haben. Auch vor Verkehrsbelastungen während der Bauphase hat die Rentnerin keine Angst. In Stuttgart gäbe es ohnehin immer Staus und Verkehrsbehinderungen.
Kein Verständnis mehr für Demo nach Volksentscheid
Auch die Gegner von Stuttgart 21 melden sich an diesem Montag zu Wort: Mehrere hundert Demonstranten der wöchentlichen Montagsdemonstration sind vom Marktplatz zur Bibliothek gezogen. Im Gepäck haben sie Transparente und Trillerpfeifen. Ein größeres Polizeiaufgebot sichert den Zugang zur Bibliothek und zur benachbarten Stadtbahn-Haltestelle ab. Als die Debatte mit Kefer und Wittke gegen 21.15 Uhr zu Ende geht, hat sich die Kundgebung der Projektgegner vor der Tür verlaufen.
„Ich finde diese Demonstrationen nicht in Ordnung“, meint Manfred Striebel (69) aus Feuerbach. Nur wegen der Gegner sei ein derartiges Polizeiaufgebot nötig. Nach der Volksabstimmung über den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung hat der Rentner dafür kein Verständnis mehr. Allerdings hätte sich Striebel während der Veranstaltung etwas mehr Dialog zwischen Podium und Publikum gewünscht. „Eine Fragerunde am Ende hätte die Runde sicherlich noch bereichert“, findet er.