Die Streuobstwiesen in Baden-Württemberg sind einzigartig, doch viele Obstbauern können keinen Gewinne mehr erzielen und betreiben ihr Gewerbe aus Liebhaberei. Foto: Jürgen Fälchle

Die Obstbauern im Kreis Böblingen beklagen, dass die Zahl der Obstannahme-Stellen weniger wird. Sie müssen immer weitere Wege in Kauf nehmen, um Äpfel und Birnen zu den Mosterein zu bringen.

Kreis Böblingen - Der Obsterzeuger Peter Fuchs beklagt die langen Wege, die er zurücklegen muss. Seitdem die Obstannahme-Stelle in Deckenpfronn geschlossen ist, muss er nach Kuppingen fahren, für die sieben Kilometer mehr braucht er mit seinem Traktorgespann eine gute halbe Stunde. Etwa ein Drittel aller Annahmestellen sind im Kreis Böblingen in den letzten Jahrzehnten geschlossen worden, schätzt die Pressesprecherin des Landratsamtes Simone Hotz, und das obwohl der Kreis Böblingen erhebliche Anstrengungen unternimmt, um die Streuobst-Wirtschaft nach vorne zu bringen.

Mühsam werden die Äpfel aufgeklaubt

„Wir hören zwar immer, Leute, ihr müsst eure Obstbäume erhalten, aber wenn man das Obst nicht verwerten kann, dann denken halt viele, ich hab auch eine Motorsäge“, sagt Peter Fuchs, der auch im Ausschuss der Obstbaugemeinschaft Deckenpfronn arbeitet. Denn die Streuobsternte ist beschwerlich und erfordert einen Aufwand, den man kaum nachvollziehen kann, wenn man es nicht, wie Peter Fuchs, selbst macht.

Mühsam werden die Äpfel von Hand gepflückt oder vom Boden aufgelesen, in Säcke oder Fässer gefüllt, auf den Hänger geladen und zur Annahme-Stelle gefahren.

Dort wird das Obst erst gewogen und der Anlieferer anschließend ausbezahlt. Meist nimmt man dann noch – am liebsten den eigenen – abgefüllten Apfelsaft oder Apfelmost in der gewünschten Menge wieder mit. Das Geld dafür wird mit dem Wert des angelieferten Obstes verrechnet. Finanziell ist das in der Regel ein Verlustgeschäft, denn die Kosten der Bewirtschaftung sind meist höher als die Einnahmen aus dem Obst – und da ist ein irgendwie gearteter Stundenlohn für die Arbeit noch nicht einmal mit eingerechnet.

Gelb-Orangene Markierungsbänder

Mit zahlreichen Merkblättern, Lehrgängen und Beratungen, sowie dem Verein Schwäbisches Streuobstparadies, derTafelobst vermarktet, versucht das Landratsamt Böblingen dem Verfall des Streuobstbaus entgegen zu wirken. Nicht zu vergessen die Marketing-Ideen, die das Landratsamt verwirklicht hat, etwa die Krönung einer Streuobstkönigin, die für die Sache des Obstbaus wirbt und die sich auf allen Veranstaltungen des Obstbaus im Kreis präsentiert.

Das jüngste Projekt des Amtes sind gelb-orangene Markierungsbänder, mit denen man seine Bäume zur Ernte freigeben kann. Die Bänder sind beim Landratsamt zu haben und bestehen aus reißfestem Papier, das auf natürliche Weise verrottet. Wer sich nicht mehr in der Lage fühlt, das Obst zu ernten, der kann das Band um seine Bäume wickeln, um so anderen Streuobst-Besitzern zu zeigen, dass sie die Bäume abernten können. Eine andere Möglichkeit ist, die Bäume oder ganze Grundstücke auf der Streuobstwiesenbörse im Internet einzustellen (www.streuobstwiesenbörse.de). Die kluge Idee mit den Bändern ist im Nachbarkreis Esslingen geboren worden und hat dort auch gleich den Bundespreis „Zu gut für die Tonne!“ in der Kategorie Landwirtschaft und Produktion errungen, der vom Landwirtschaftsministerium vergeben wurde.

Die Zahl der Annahmestellen schwankt

Anders sieht es etwa im Rems-Murr Kreis aus. „Unserem Eindruck nach bleibt die Zahl der Obstannahme-Stellen konstant, sagt Leonie Graf, Pressesprecherin des Landratsamtes in Waiblingen. Das führt der Obstbaubeauftrage Adrian Klose auf die schlichte Tatsache zurück, dass der Rems-Murr-Kreis der streuobstreichste Kreis im ganzen Regierungsbezirk Stuttgart sei. Allerdings könne auch hier die Zahl der Annahmestellen schwanken, wenn etwa in einem schlechten Erntejahr nicht alle Betriebe öffnen.

Ähnlich im Kreis Esslingen. Die Zahl der Obstannahme-Stellen blieb in den letzten Jahren ziemlich konstant. Nur die Anzahl der altherkömmlichen Mosterein habe leicht abgenommen, die direkt vom Tank ins Mostfass lieferten, sagt Sarah Panten vom Landratsamt Esslingen. Doch auch das ist nur eine Schätzung, genaue Zahlen gibt es nicht, auch nicht eine Ebene höher beim Regierungspräsidium Stuttgart.

Der Landkreis kooperiert mit fünf Annahmestellen

Für die Obst-Annahme setzt sich auch der Landkreis Böblingen ein. Er arbeitet mit fünf Annahmestellen zusammen, die den Streuobst-Bau weiter stärken sollen. Sie liegen im Herrenberger Stadtteil Mönchberg, in Gäufelden-Tailfingen, Böblingen-Dagersheim, Hildrizhausen und Waldenbuch. So hätte Peter Fuchs auch noch in Herrenberg eine Ausweichmöglichkeit – wenn auch mit noch längerem Anfahrtsweg.

Wer eine Idee hat, wie man den Streuobstanbau stärken kann, der sollte am Wettbewerb des Regierungspräsidiums Stuttgart teilnehmen. Der Einsendeschluss ist der 30. September. https://streuobst.landwirtschaft-bw.de.

Hochstämme prägen den Bestand der Streuobstwiesen

Fachberatung
 Die Beratungsstelle für Obst- und Gartenbau übernimmt eine Vielzahl von Aufgaben beim Liebhaberobstbau genauso wie beim Erwerbsobstbau. Sie berät hauptberufliche Obst- und Gartenbauer sowie Hobbygärtner, betreut die Obst- und Gartenbauer in allen Fragen des Handwerks und fördert den Streuobstbau im Landkreis durch Vorträge, Obstbaum-Schnittkurse, Lehrgänge, Seminare, Einzel- und Gruppenberatungen.

Obstwiese
 Baden-Württemberg gilt als das Land mit dem größten zusammenhängenden Streuobstbeständen, die sich vor allem durch mächtige Hochstämme auszeichnen. Die Obstwiesen sind Rückzugsorte für selten gewordene Tiere und bedeuten einen wichtigen Genpool für alte Obstsorten. Von den rund 3000 in Europa angebauten Apfelsorten gelangen etwa nur 60 Sorten in den Handel.