Im Juli drehten sie nicht die Netflix-Show „Grace and Frankie“, sondern demonstrierten: Jane Fonda, June Diane Raphael und Lily Tomlin (v. li) Foto: IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Amy Katz

Es häufen sich Berichte über gekündigte Hypotheken, Zwangsräumungen, den drohenden Verlust der Krankenversicherung und Verpfändungen: Der Hollywoodstreik dauert schon jetzt länger als der letzte große Arbeitskampf in Tinseltown. Ein Ende ist nicht in Sicht.

David Zaslav hat gegenüber den Investoren von Warner Bros. Discovery einigen Rechtfertigungsbedarf. Eine halbe Milliarde Dollar Gewinnverlust in diesem Jahr ist selbst für einen Hollywoodriesen kein Pappenstiel. „Das ist wirklich sehr ungewöhnlich“, sagt der CEO des Unterhaltungskonzerns bei einem Forum von Goldman Sachs über die Intensität des ersten gemeinsamen Streiks von Autoren und Schauspielern in Tinseltown seit 1960, der im Mai begann.

 

„Wir versuchen das in einer Weise zu lösen, die wirklich fair ist und bei der sich jeder fair behandelt fühlt.“ Was David Zaslav damit genau meinte, blieb unklar. Denn kurz darauf sickerte durch, dass bei Warner Bros. Discovery die Auseinandersetzung mit seinen Kreativen eskalierte. Der Konzern löste die Verträge mit Starautoren wie Bill Lawrence („Ted Lasso“), Mindy Kaling („The Sex Lives of College Girls“) oder J. J. Abrams („Duster“) auf, die bisher als tabu galten.

Es geht an die Substanz

Dahinter steckt nach Einschätzung der Writers Guild of America der Versuch, Druck auf die Gewerkschaft auszuüben. Tatsächlich machen die Spitzenverdiener aber nur ein Prozent der vom Streik Betroffenen aus. Zudem haben sie Verträge, die ihnen die Einnahmen garantieren, auch wenn diese bis zum Ende des Streiks ausgesetzt werden.

Für die überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder und die Zehntausenden mittelbar Betroffenen des Ausstands geht es an die Substanz. Zumal sie schon während der Covid-19-Pandemie Einbußen hinnehmen mussten.

Im Großraum Los Angeles häufen sich nun die Berichte über gekündigte Hypotheken, Zwangsräumungen, den drohenden Verlust der Krankenversicherung und Verpfändungen. Ohne Einkünfte aus den Studios müssen die B-Listers, kleine Schreiberlinge, Produktionshelfer, Stylisten und Techniker – um nur einige Berufsgruppen zu nennen –, sich andere Einkommensquellen erschließen.

Hilfsfonds stehen bereit

„Schauspieler und Autoren wissen, wie sie mit wenig auskommen können“, gibt sich Gewerkschafterin Michelle Allaire im öffentlichen Radiosender NPR kämpferisch. „Wir haben alle schon gekellnert, Geld zusammengekratzt und andere Jobs gemacht“, sagt die Frau, die kleine Rollen spielt und nebenher ein Diner in Culver City betreibt. „Die Hälfte von uns fährt jetzt Uber.“

Als Notreserve stehen Hilfsfonds wie der „Entertainment Community Fund“ bereit, der an 2600 Betroffene finanzielle Unterstützung in Höhe von insgesamt fünf Millionen Dollar ausgezahlt hat. Die Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA kündigte an, ab Oktober die Krankenversicherungen von Mitgliedern in Not zu übernehmen.

Im Parlament von Kalifornien liegt ein Gesetz zur Beratung vor, das das Arbeitslosengeld für Betroffene des Streiks verlängern würde. „Die arbeitende Bevölkerung muss sich gegen diese Konzerne wehren können“, sagt Senatorin Maria Elena Durazo, die den Entwurf eingebracht hatte.

Parallelen zum Streik im Jahr 1960

Obwohl die hundert Tage des längsten Arbeitskampfs im Jahr 2007 längst überschritten sind, steht die Streikfront der Kreativen auch nach 130 Tagen. Gerade erst taten sich die großen fünf des „Late Night“-TV zu einem Podcast auf Spotify zusammen: Stephen Colbert, Seth Meyers, Jimmy Fallon, Jimmy Kimmel und John Oliver wollen die Einnahmen aus „Strike Force Five“ in vollem Umfang ihren Mitarbeitern zukommen lassen.

Analysten verweisen auf Parallelen zu dem letzten gemeinsamen Streikt von Schauspielern und Autoren. Heute wie 1960 steht die Branche an der Schwelle struktureller Veränderungen. Damals war es der Beginn des Fernsehzeitalters, das nun von der Welt der Streamingdienste und Künstlicher Intelligenz abgelöst wird. Weil die bestehenden Verträge diese Umbrüche nicht spiegeln, funktionieren sie nicht mehr für die Macher, die um ihre Zukunft fürchten.

Schon zu Beginn des Streiks hatten Vertreter der Gewerkschaft deshalb von einer „existenziellen Bedrohung“ gesprochen. Sie wiesen das letzte Angebot der Studios von Ende August als ungenügend zurück. Schließlich geht es nicht nur um mehr Geld, sondern vor allem um eine Offenlegung und Beteiligung an den Streamingeinnahmen sowie langfristigen Schutz vor KI-Bots, die etwa Rohentwürfe für Skripte entwerfen.

Film- und Serienfans müssen sich angesichts der festgefahrenen Gespräche in Tinseltown in Geduld üben. Bereits geplante Premieren, aber auch Dreharbeiten für neue Produktionen verschieben sich immer weiter nach hinten. Die 80. Filmfestspiele von Venedig mussten weitgehend ohne den Glitzer der Hollywoodstars auskommen. Falls es nicht bald zu einer Einigung kommt, sieht es auch für die Oscars düster aus.

Info

Streikbruch
 US-Schauspielerin Drew Barrymore möchte trotz des andauernden Streiks der Drehbuchautoren in Hollywood ihre Talkshow fortsetzen. „Ich stehe hinter dieser Entscheidung“, schrieb die 48-Jährige in einem Statement auf Instagram am Sonntag (Ortszeit). Sie wolle sich daran halten, keine Filme oder TV-Sendungen zu besprechen oder zu fördern, die bestreikt werden. In der CBS-Talkshow spricht Barrymore seit 2020 mit Prominenten über Liebe und Beziehungen.

Protest
  Im Branchenblatt „The Hollywood Reporter“ erklärte ein Sprecher der Drehbuchautoren-Gewerkschaft Writers Guild, dass auch Barrymores Show bestreikt werde. Zugleich kündigte er Proteste vor den Studios der Sendung für Montag und Dienstag an – die erste Folge soll am 18. September ausgestrahlt werden.