Nach dem zweiten Streik bis Freitagabend sucht Claus Weselsky, der Chef der Lokführergewerkschaft, von Januar an die Eskalation. Mitunter nimmt er bei seinen Streikplänen allerdings auf gute Bekannte Rücksicht.
Es gibt nur wenige Menschen, die einen Claus Weselsky als Streikführer der Lokführergewerkschaft bremsen können: der Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach etwa. Dieser spricht mit dem GDL-Vorsitzenden nämlich Streiktermine ab, damit die Lokführer nicht Aktionen des Beamtenbunds „torpedieren“, wie Silberbach Anfang der Woche in unserer Zeitung bekannte.
Das bedeutet zum Beispiel, dass zwar von Donnerstagabend bis Freitagabend, 22 Uhr, auf der Schiene gestreikt wird. Daraus folgt: Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder, die offiziell für Donnerstag und Freitag in Potsdam angesetzt sind, werden bis ins Wochenende hinein fortgesetzt. Sonst würde ja die Zugabreise der Unterhändler auch aus dem Beamtenbund stark beeinträchtigt. Im gleichen Sinne hat es die GDL zuletzt vermieden, die Streikkundgebungen im öffentlichen Dienst zu behindern. Die Koordination funktioniert.
Noch ein Beispiel: Weselsky hat in Aussicht gestellt, es werde bis zum 7. Januar keine Arbeitsniederlegungen geben. Der Bahnkunde kann allemal noch den 8. und 9. Januar einplanen, denn da findet die traditionelle Beamtenbundtagung in Köln statt – wohl mit Weselsky. Der GDL-Chef wird diesen wichtigen Termin sicher nicht stören wollen, zumal er selbst der Bundesleitung des Dachverbandes angehört und dieser die Ausstände der Lokführer mitfinanziert. Silberbach und Weselsky versichern sich ein ums andere Mal ihre Solidarität. Dabei geht es aber weniger um Termine, sondern eher um die finanzielle Unterstützung, weil die GDL einen langen Arbeitskampf nicht aus der eigenen Streikkasse bezahlen kann.
Ein Erfolg für die Bahn, der in Wahrheit keiner ist
Das Management der Deutschen Bahn (DB) zeigt sich erwartungsgemäß entrüstet nach der kurzfristigen Streikankündigung der GDL: „Die Lokführergewerkschaft vermiest Millionen Menschen das zweite Adventswochenende.“ Wie beim GDL-Streik Mitte November will die Bahn 20 Prozent des Fernverkehrs aufrechterhalten. Im Regionalverkehr dürfte es noch schwieriger werden für die Fahrgäste. Die Turbulenzen im Fahrplan werden in jedem Fall noch am Samstag zu spüren sein.
DB-Personalvorstand Martin Seiler begrüßt es, dass die GDL „mit dem Weihnachtsfrieden den Weg der Besinnung eingeschlagen hat“. Dies habe er schon im September vorgeschlagen. Seiler verbucht allerdings als Erfolg, was gar keine konkrete Gefahr war. Denn die GDL hat noch nie in der Weihnachtszeit gestreikt und hatte es auch diesmal nicht vor. Weselsky hat diese Frage nur wochenlang im Raum stehen lassen, um sich von der Arbeitgeberseite nicht den Streikkalender diktieren zu lassen.
Von Mitte Januar an ist dann wieder mit Ausständen im Zugverkehr zu rechnen – mit härteren, als es sie in diesem Tarifkonflikt bisher gegeben hat. Nach der ersten Januarwoche „werden die Streiks länger und intensiver“, droht Weselsky bereits an. Offenbar sind dann Ausstände von zwei oder drei Tagen denkbar.
Die Bahn bietet bisher elf Prozent höhere Entgelte bei 32 Monaten Laufzeit. Zentraler Streitpunkt ist aber die verlangte Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Wochenstunden; da will Weselsky die Arbeitgeber mit einer Eskalation zum Einlenken zwingen. Deshalb hat er auch die Tarifverhandlungen früh für gescheitert erklärt und die Urabstimmung ausgerufen. Deren Auszählung ist nun für den 19. Dezember angekündigt. Weselsky rechnet mit einer Zustimmung von rund 90 Prozent der Mitglieder.