Der Ausstand der Lokführergewerkschaft zwingt die DB Cargo, die Güterzüge zu priorisieren. Höchste Wichtigkeit hat zum Beispiel die Batterie-Lieferung von Mercedes in Untertürkheim nach Bremen.
Der Streik der Lokführer hat die Deutsche Bahn (DB) auch am zweiten Tag weitgehend blockiert. Der Notfahrplan hält zwar noch ein Fünftel des Fernverkehrs aufrecht – doch ist aus der DB Verwunderung darüber zu vernehmen, dass diese Züge „recht leer“ sind. Demnach scheuten sich die Kunden derzeit massiv davor, Zug zu fahren.
DB Cargo kann nur ein Drittel der üblichen Züge fahren lassen
Auf gut Glück einen Zug zu erwischen, geht im Güterverkehr eher nicht. Dort sorgt der Ausstand seit Dienstagabend um 18 Uhr für Stillstand, wenngleich die Lage noch beherrschbar erscheint. „Wir können die Kunden nach wie vor versorgen, es gibt keine Engpässe“, sagt ein Sprecher der DB Cargo. Es müsse in hohem Maße priorisiert werden, damit es in den wichtigsten Bereichen „nicht knirscht“. Gemeint sind vor allem die Automobilindustrie, Stahlindustrie und Grundstoffbranchen wie die Chemie. Großkraftwerke zum Beispiel sind dringend auf Steinkohle angewiesen. Drei Tage Streik seien allerdings „grenzwertig angesichts der Versorgung unserer Kunden“.
DB Cargo hat einen Marktanteil von etwa 42 Prozent. In Normalzeiten werden täglich ungefähr 3000 bis 3500 Züge auf dem deutschen Schienennetz bewegt, im Wochendurchschnitt etwa 20 000 Züge. Allein am Donnerstag hätten davon 2000 Züge nicht fahren können – es könnten aber bis Freitag auch noch mehr Abmeldungen erfolgen. Die Zahl der Güter im Rückstau sei eher gering. Diese Rückstände bei den Kunden könnten erst von Freitagabend an aufgearbeitet werden.
DB Cargo ist eine Netzwerkbahn: So werden einzelne Güterwagen etwa bei Daimler in Untertürkheim oder Sindelfingen abgeholt, um daraus in Kornwestheim einen großen Zug zu bilden, der zum nächsten großen Güterbahnhof nach München bewegt wird, wo ein neuer Zug gebildet wird. So überqueren zwei Drittel aller Güterzüge mindestens eine Grenze im europäischen Netzwerk. Das Problem entsteht, wenn es an einer Ecke klemmt – „ dann kommt an der anderen Ecke nichts mehr an“, erläutert der Sprecher. Teils werden Lkw-Spediteure eingespannt.
EQE-Batterien direkt vor die Werkhalle in Bremen
Stark tangierte Unternehmen sind etwa BASF in Ludwigshafen, aber auch Mercedes in Untertürkheim. Per Bahn werden in der Nacht die Batteriesysteme des Modells EQE vom Werk Hedelfingen über rund 650 Kilometer „just in time“ bis auf 45 Minuten genau nach Bremen geliefert. Dort gibt es einen lediglich kleinen Puffer direkt an der Fabrikhalle. Insofern wird am Neckar eine Flotte von Dutzenden Lastwagen bereit gehalten, um die Batterien gen Norden zu karren – was freilich eine teure Alternative ist, damit das Band von Mercedes nicht stillsteht.
Zur Zahl der Streikenden gibt es keine offizielle Angaben – die GDL will sich nicht in die Karten schauen lassen, und die Bahn will die Gewerkschaft damit nicht aufwerten. Von einer niedrigen vierstelligen Zahl ist die Rede. Um die 2000 mögen es sein – in jedem Fall genug, um das Netzwerk teilweise zu blockieren. Nur vereinzelt sind offenbar Stellwerker dabei, deren Streik in einer Region relativ viel ausrichten kann.
Derweil geißeln die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) den Streik, „der unserer Volkswirtschaft massiv schadet“. Im Konkreten scheinen sich die Unternehmen auf den seit Wochen angekündigten Ausstand aber gut eingerichtet zu haben. Ausweichmöglichkeiten gibt es beispielsweise zu Mitbewerbern der DB oder über die Straße. Dies habe die negativen Auswirkungen in Grenzen gehalten, sagt ein Sprecher des Verbands – wenngleich mit der Umplanung immer noch Mehrkosten verbunden seien. Ein finanzieller Gesamtschaden lasse sich ohnehin kaum beziffern.
Lkw-Spediteure wittern ein Geschäft
Der Dienstleister Kombiverkehr, der ein europaweites Netz für den Verkehr auf Schiene und Straße vermarktet, geht im aktuellen Streik von insgesamt 100 ausgefallenen Zügen aus. Die dafür gebuchten Sattelauflieger, Container und Wechselbehälter müssten umgebucht oder teilweise auf die Straße verlagert werden – eine begrenzte Ausweichmöglichkeit. Denn dafür bräuchte es ja auch Lkw-Spediteure, von denen einige bereits einen länger laufenden Vertrag zur Bedingung machten, weil sie nicht nur für wenige Tage eingespannt werden wollen, wie ein Kombiverkehr-Sprecher schildert.
Das Vertrauen in den Schienengüterverkehr schwindet
Spediteure
Der Bundesverband Spedition und Logistik stellt wegen der Länge der GDL-Streiks einen massiven Rückstau von Containern und Gütern fest, sodass Liefertermine bei Industrie und Handel über das Streikende hinaus nicht eingehalten werden. Generell befürchtet er einen „nachhaltigen Vertrauensverlust der Logistikakteure in den Schienengüterverkehr, dessen Qualität durch wiederkehrende technische Störungen des Schienennetzes und Infrastrukturschwächen ohnehin massiv leidet“.
Appell
DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster sagte unserer Zeitung: „Es geht nicht darum, legale Mittel von Tarifauseinandersetzungen zu kritisieren – doch gehen Planungssicherheit und Lieferkettenstabilität Hand in Hand.“ Wenn bei Auslaufen eines Tarifvertrags schon absehbar sei, dass bei den Bahnen wieder alle Räder stillstehen, „dann planen immer mehr Logistikunternehmen Lieferketten ohne Berücksichtigung der Schiene“. Ohne in die Tarifhoheit einzugreifen, müsse der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn „stärker auf Verhandlungslösungen drängen“.