Nachdem Straßenfeste während der Pandemie zu den Leidtragenden gehörten, ist davon beim Auftakt des Heusteigviertelfests nichts mehr zu spüren: Manche Beobachter glauben, mehr Besucher kamen nie zuvor.
Am Freitagabend hat das dreitägige Heusteigviertelfest seinen Auftakt gefeiert: mit womöglich so vielen Besuchern wie noch nie. So zumindest präsentierte sich das Heusteigviertel gut zwei Stunden nach dem offiziellen Start am Freitag. Von der Bühne am Mozartplätzle lässt La Diri zwar „Sweet Alabama“ ertönen, doch Sehnsucht in die Ferne weckt das bei niemandem. Warum auch! Schließlich ist man an diesem Abend „ganz hier zuhause“, wie Leon (24) sagt, „beim Feiern vor der Haustüre.“ Und Trauben von Leuten quellen an den beiden Eckkneipen bis in die querende Straße hinaus. Die entspannte Atmosphäre scheint sogar auf Autofahrer abzufärben, die sich die paar Meter unaufgeregt durchtasten.
Durchkommen auf dem Mozartplätzle? Einen Versuch ist es wert, auch wenn dieser Tipp aus der Masse nicht wirklich weiterhilft: „Der Bierstand ist rechts, dort geht es schneller!“ Mit der „heiligen Wurst“ und dem kühlen Hellen wird es also vorerst nichts, was Martin Gabriel nicht überrascht: „So voll wie dieses Jahr war es noch nie“, sagt der Senior, der seit über 30 Jahren im Viertel wohnt.
Nun schaut er sich das Treiben vom Rande her an, sitzt mit seiner Frau auf einem Fenstergesims: „Es eine tolle Atmosphäre, die Leute haben Lust, draußen zu sein und das Leben zu genießen. Das ist Stadt, und wir sind gerne Stadtbewohner“, betont er, als sich Nachbarn dazugesellen: „Man kennt sich, man sieht sich, und es ist was los. Nur die Musik müsste leiser sein, damit man sich besser unterhalten kann“. Und dass jetzt ab 22 Uhr runtergeregelt wird, sei „unbedingt sinnvoll.“
Wie ein nach draußen verlegtes Wohnzimmer
Vor der Bühne aber gehen die Hände zum Himmel, die dicht an dicht stehende Menge singt in mit und wogt ein bisschen hin und her beim „Jodi, jodi, joooh“, was den Sänger begeistert: „Stuggi, das klingt brutal gut!“ Während der Dämmerung wirkt die Mozartstraße zwischen den beiden Platzen mit Bandbühnen wie ein großes, nach draußen verlegtes Wohnzimmer mit unzähligen Besuchern. Junge Leute sitzen auf der Bordsteinkante oder in Grüppchen auch direkt auf dem noch warmen Asphalt oder Kopfsteinpflaster. Anwohner haben teils die Rollläden heruntergelassen, andere die Fenster weit geöffnet und manche lehnen auch auf der Fensterbank und schauen dem Treiben zu. Zwei Straßenmusiker finden mit ihrem hingebungsvollen Indie-Pop schnell ihr Publikum, was Tayla mit ihrem Gitarristen Basti auch für Eigenwerbung nutzt: „Man sieht sich wieder beim Parklücken-Festival in Esslingen und beim Lichtfest in drei Wochen in Stuttgart!“ Für die beiden war es „die beste Street Music ever, mit einem tollen Vibe“.
Am Mozartplatz wo es enger auch kaum gehen dürfte, wo „Upfunkcoolo“ das Publikum mit ihrer starken Bläserfraktion und leidenschaftlichen Vokals unterhalten, stehen Dennis und Laura aus Stuttgart-Nord mittendrin und schwingen mit: „Ein wunderbarer Sommerabend“ sei das, findet Laura und ihr Freund bringt die Sache so auf den Punkt: „Hier ist Stuttgart ein cooles, hippes Ding!“
Das Paar aus Vaihingen kommt von einem Geburtstag und will hier gut eine Stunde vor Mitternacht „eigentlich noch ein bisschen nachfeiern.“ Für sie ist das Heusteigviertelfest „eine feste Größe“ unter den Straßenfesten. Jetzt finden sie es „fast ein bisschen leise“. Die Atmosphäre aber sei prima, ein perfekter Sommerabend, eine „Einladung für einen kleinen Absacker“. Sowieso freuen sich auf das, was das Fest am Samstag und Sonntag noch bringt. Schließlich trägt der Mann noch „wertige Schuhe“, die er vor 15 Jahren auf dem samstäglichen Flohmarkt ergattert hatte: „Hier entdeckt man immer was, und falls nicht kann man es sich auch so gutgehen lassen und den Tag genießen.“ Schließlich gehe es am Wochenende erst richtig los.