Vor 250 Jahren löste ein Betrüger den Großerlacher Silberrausch aus. Ein Stollen im Ort erinnert an das großspurige Unternehmen, das mit immensen Schulden und einem Gefängnisaufenthalt endete.
Was aus dem Mann geworden ist, den in Großerlach alle nur den „Bergrat Riedel“ nennen, weiß keiner mehr. Den Schaden, den er hinterlassen hat, kann Manfred Pommerer, der Vorsitzende des Heimatvereins Großerlach-Grab, hingegen ziemlich genau beziffern: Umgerechnet rund 230 000 Euro haben Riedels Geschäftspartner im Jahr 1773 in ein angeblich lukratives Silberbergwerk in Großerlach investiert – und nichts dafür bekommen. Dabei hatte Riedel den Mitgliedern der 1773 flugs neu gegründeten Companie, einer Art Aktiengesellschaft, einen jährlichen Gewinn von in heutiger Währung zwei Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Riedels zweifelhafte Aktivitäten im Jahr 1773, die für seine Geldgeber desaströs endeten, kann Manfred Pommerer sogar mit Angabe des Tages schildern. Denn in der Heimatstube seines Vereins lagern mehrere dicke Ordner zu diesem Fall und zu dem Silberstollen, der kein Silber abwarf. Uralte Akten in verschnörkelter Schrift sind zwischen den Pappdeckeln abgelegt – Tabellen mit Namen, behördliche Schriftwechsel, seitenweise Listen von Extraausgaben, um welche Riedel die Aktionäre der Companie im Laufe eines Jahres erleichterte.
Beim Brunnenbau taucht glänzendes Gestein auf
Angefangen habe alles Ende des Jahres 1772, berichtet Manfred Pommerer. Da entdeckten drei Bauern beim Graben eines Brunnens unweit des alten Rathauses in Großerlach eine Schicht glänzenden Gesteins. Sie brachten eine Probe zum Bergrat Riedel ins benachbarte Wüstenrot. Der vermutlich aus Sachsen stammende Mann stellte fest, dass das, was da glänzte, zwar nicht Gold, aber immerhin Silber sei. Ein Zentner des Gesteins enthalte 375 Gramm davon, behauptete der Bergrat, ließ sich die Fundstelle zeigen und regte eine Probegrabung an. Weil erst die Eigentumsverhältnisse geklärt werden mussten, schickte Riedel die drei Entdecker zum Amtmann ins benachbarte Sulzbach. „Der sagte, das sei alles Quatsch und der Bergrat ein Betrüger und hat die drei Männer abgewiesen“, berichtet Manfred Pommerer.
Damit hätte die Geschichte auch schon wieder enden können. Doch Riedel wandte sich noch am gleichen Tag an die nächsthöhere Verwaltungsstelle in Löwenstein und bat um Unterstützung. Von dort wurden die Unterlagen weitergeschickt, dieses Mal war die gräfliche Verwaltung in Wertheim der Empfänger. Sie gab grünes Licht, sodass es nach einer Probegrabung im März losgehen konnte.
Eine Aktie kostete umgerechnet rund 3000 Euro
Sechs Arbeiter hätten mit Pickel, Hammer und Schaufeln an dem Stollen gearbeitet, erzählt Manfred Pommerer und zeigt auf die Spuren, die ihre Werkzeuge im Stollen hinterlassen haben. Für zwei Euro die Stunde klopften sich die Männer durch den Stubensandstein – und fanden kein Silber. „Die Aktionäre haben sich beschwert“, berichtet Manfred Pommerer. Kein Wunder, schließlich hatten sie pro Aktie, Kux genannt, 60 Gulden, rund 3000 Euro, berappt.
„Ende Juni war die Hälfte der Startsumme in Höhe von fast 40 000 Euro für Löhne und Material ausgegeben.“ Die verärgerten Aktionäre besänftigte Riedel mit der Nachricht, im nun 36 Meter tiefen Stollen seien die Arbeiter „auf einen mächtigen blauen Flöz mit Edlen Marcasitten und Kupffer Kiessen“ gestoßen. Um an diese heranzukommen, müsse das Gestein aber erst zerkleinert und dann erhitzt werden. Ein Mahlgang der Mühle in Liemersbach sei daraufhin umgebaut worden, gibt Pommerer Einblicke, außerdem wurde eine Schmelzhütte erstellt. Beide zusammen kosteten rund 175 000 Euro – und Riedel bat ein weiteres Mal die Aktionäre zur Kasse. Mit Erfolg.
Der Stollen diente als Luftschutzraum
„Ende des Jahres 1773 hatten die Aktionäre rund 230 000 Euro investiert“, sagt Manfred Pommerer. Die Schmelzhütte, die kein Silber brachte, sei eines Tages ausgebrannt und dann zerfallen. Der Bergrat wurde angezeigt, vor Gericht gestellt und zu einer Haftstrafe verurteilt. Danach sei der Stollen lange Zeit nicht mehr erwähnt worden, sagt Pommerer. Bis in die 1920er-Jahre, als der Albverein ihn als Attraktion wiederentdeckte. Im Zweiten Weltkrieg nutzten die Großerlacher den schlauchförmigen Bau als Luftschutzraum, später verfiel er.
Bei einem Schulausflug Anfang der 1960er-Jahre habe eine Schulkameradin den Stollen wiederentdeckt, erzählt der Heimatvereinsvorsitzende. Mit ihrem Lehrer schafften einige Schüler Sand und Schlamm aus dem Stollen – bis dieser teils einstürzte und gesperrt wurde. In den 90ern hat der Heimatverein mit viel Engagement die Genehmigung bekommen, den Stollen als Besucherbergwerk zu betreiben und diesen flott gemacht. Seither ist er wieder zugänglich – und der Großerlacher Bürgermeister Christoph Jäger offiziell Bergwerksbetreiber.
Aktionen zum 250-jährigen Jubiläum des Silberstollens „Gabe Gottes“
Besichtigung
Der Silberstollen liegt beim Freizeitzentrum Großerlach in der Gartenstraße. Beim Schwäbischen Waldtag am Sonntag, 17. September, bieten Mitglieder des Heimatvereins Großerlach-Grab dort zwischen 11 und 17 Uhr Informationen zum Silberrausch in Großerlach und zum Stollen. Dieser kann auch das ganze Jahr über ohne Führung besichtigt werden.
Kinder
Für Kinder bietet der Heimatverein Großerlach-Grab am 17. September die Möglichkeit, sich als Silberschürfer zu betätigen. Dabei steht schon fest, dass dank der Vorbereitungen des Heimatvereins die Erfolgsquote der Schatzsucher höher liegen wird als bei den vor 250 Jahren tätigen Schatzsuchern.
Betrüger
Die Narrenzunft Großerlacher Schelmenbuckel mischt bei der Jubiläumsaktion ebenfalls mit – und beamt als Stargast den betrügerischen Bergrat Riedel aus dem 18. ins 21. Jahrhundert, wo er beim Silberstollen Besuchern Rede und Antwort stehen wird.
Stollen
Auch in Wüstenrot gab es einen Silberstollen mit zwei Gängen: „Unverhofftes Glück“ hieß der knapp 128 Meter lange Gang, der rund 35 Meter lange „Soldatenglück“. Beide sind nicht mehr begehbar. Auch hier hatte Bergrat Riedel seine Finger im Spiel, auch hier blieb der Silberfund aus. Ein weiterer, 22 Meter langer Stollen wurde bei Spiegelberg gegraben. Er ist nicht zugänglich.