Der CDU-Politiker und EnBW-Mitarbeiter Andreas Renner (links) mag es lässig, der ehemalige Werbeprofi Sebastian Turner klassisch. Foto: Peter-Michael Petsch

Stilberaterin sagt: Mit der Wahl der Kleidung setzen sich Renner und Turner deutlich voneinander ab.

Stuttgart - Jeder Oberbürgermeister hat seinen eigenen Stil. Auch in Fragen der Kleiderordnung. Vom ehemaligen Stadtoberhaupt Manfred Rommel war bekannt, dass er bei geeigneter Witterung gern Rollkragenpullis trug. Manchmal noch viel lieber einen Nicki, so eine Art von anschmiegsamem Wohlfühlpulli.

Wenn er repräsentieren musste, griff er zum Hemd mit steifem Kragen und zu einer seiner Krawatten, bei denen es sich nicht selten um Geschenke aus anderen Städten handelte. Manchmal auch um offizielle Firmenkrawatten von großen Unternehmen. Was nicht immer gleich auffiel, weil die Aufschriften auf den Krawatten in fremden Sprachen gehalten, etwa mit fernöstlichen Schriftzeichen verfasst waren.

Jeder Mensch sollte sich bei der Kleiderwahl drei Fragen stellen

Da liegt es nahe , schon jetzt zu untersuchen, wie es Anwärter für den Stuttgarter OB-Sessel und die Nachfolge des derzeitigen Amtsinhabers Wolfgang Schuster mit dem Dresscode halten. Zumal Sebastian Turner vergangene Woche beim Griff in den Kleiderschrank offenbar von ganz anderen Motiven geleitet wurde als Andreas Renner, ehe die beiden bei der Jungen Union um Sympathien und Unterstützung bei der Kandidatenkür der CDU am kommenden Samstag werben.

Die Sprache der Kleidung: Von Goethe stammt das alte Sprichwort: „Wie Du kommst gegangen, so Du wirst empfangen.“ Übersetzt in unsere moderne Sprache bedeutet dieses Sprichwort: „professionelle Außenwirkung“, „Impression-Management“ oder „Kleidungskompetenz“. Kleidung ist ein visueller Small Talk und sendet ganz unbewusst und subtil feine Botschaften und Signale aus. Das Auftreten der beiden OB-Kandidaten Renner und Turner bei der Veranstaltung der Jungen Union ist ein Beispiel dafür, wie bewusst unterschiedlich sich die Kandidaten in dieser wichtigen Phase der Eigenwerbung für das Amt präsentieren.

Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch, der anderen Menschen etwas mitzuteilen hat, sollte sich bei der Kleidungswahl die drei wichtigsten Fragen stellen: Wo gehe ich hin? Wen treffe ich? Was will ich erreichen? Wenn man nun die beiden Herren direkt miteinander vergleicht, stellt man fest, dass die Grundbotschaft bezüglich der Außenwirkung und somit auch die Sprache der Kleidung sich grundsätzlich voneinander unterscheiden.

Anzug oder nicht Anzug?

Anzug oder nicht Anzug? Turner wählte den dunklen, klassischen Anzug. Diese Wahl symbolisiert nach dem Grundwortschatz der Kleidung Professionalität, Ernsthaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Korrektheit.

Die Krawatte: Sie ist das zentrale Accessoire in der männlichen Garderobe und unterstützt den Herrn enorm in seiner stimmigen Außenwirkung. Durch den roten Binder setzt Turner – bewusst oder unbewusst – auf die Wirkung: „Ich habe Energie und Power, ich bin erste Wahl, ihr könnt euch auf mich verlassen!“

Das Hemd: Das unifarbene, hellblaue Hemd zum dunklen Anzug wirkt weniger formell als etwa ein weißes Hemd. Turner hat auch hier eine gute Wahl getroffen, denn diese Kombination schafft insgesamt weniger Distanz in seinem äußeren Erscheinungsbild.

Das große Ganze: Turner setzt bei dieser Veranstaltung auf den Faktor „Stil und Klasse“ und repräsentiert die Ernsthaftigkeit und die Glaubwürdigkeit, die dieses Amt fordert. Renner entscheidet sich für einen lässigen, unkomplizierten, nonkonformen Stil und reagiert mit dieser Kleidungswahl ganz sicher auch auf das Publikum der Jungen Union. Er verzichtet bewusst auf den Anzug, das zentrale Kleidungsstück in der Herrengarderobe, das dem Herrn von jeher Status und Ansehen verleiht. Sämtliche Elemente seiner Kleidungswahl haben ihren Platz in der Freizeitgarderobe. Die frohe Farbenwahl des Schals, die Jeans, Form, Farbe und Material des Jacketts signalisieren Lässigkeit, Kreativität, Freiheit, Vielseitigkeit und Natürlichkeit. Seine Botschaft könnte lauten: „Ich bin locker, nah an der Basis, und ich verstehe euch. Gemeinsam erreichen wir unsere Ziele.“

Renner hat sich mit diesem Outfit klar und bewusst gegen den Businessfaktor und somit auch gegen die Steifheit entschieden.

Das Fazit: Das Amt des Oberbürgermeisters von Stuttgart erfordert Ernsthaftigkeit, Pflichtgefühl, Professionalität, Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit. Sicherlich auch eine gewisse Portion an Kreativität und Wir-Gefühl. Daher die Empfehlung an Renner: Diese Grundhaltung sollte sich in der Außenwirkung über die Kleidung verlässlich widerspiegeln. Denn Albert Einstein hat bereits gesagt: „Vorurteile sind schwerer zu knacken als Atomkerne.“