Steffi Jones über die Frauenfußball-WM, die Fans und neue Herausforderungen beim DFB.

Stuttgart - Viereinhalbmal ist die OK-Chefin der Frauenfußball-WM um die Welt gereist. Alles im Namen des Gastgebers. Steffi Jones sagt: "Die Weltmeisterschaft in Deutschland (26. Juni bis 17. Juli) soll ihr eigenes Profil haben."

Frau Jones, sind Sie als Chefin des Organisationskomitees für die Frauenfußball-WM 2011 eigentlich zur Neutralität verpflichtet, oder werden wir auch mal ein Freudentänzchen von Ihnen sehen?

Wenn wir Weltmeisterin werden, sicherlich. Ich fiebere unheimlich mit. Ich war selbst Spielerin und bin mit dem Herzen immer noch bei der Mannschaft.

So aufgeregt wie früher sind Sie aber nicht mehr.

Nein. Es ist auch eine ganz andere Gänsehaut. Ich muss jetzt nicht mehr fünfmal auf die Toilette. Es ist etwas entspannter. Aber ich bin etwas agiler, was mein Mundwerk betrifft.

Eigentlich ist Nervosität doch fehl am Platz. Zumindest bis zum Halbfinale. Deutschland, Brasilien und die USA sind im Frauenfußball so dominant, dass sie für die Top Vier quasi gesetzt sind.

Es gibt diese drei Top-Teams und hoffentlich auch viele Überraschungen. Die Mannschaften rücken jedoch immer dichter zusammen. Gerade die afrikanischen Mannschaften haben sich entwickelt. Auch Nordkorea und Japan sind noch stärker geworden. Es tut sich einiges.

Trotzdem sind die Unterschiede groß, und an der nächsten Weltmeisterschaft werden statt 16 Mannschaften 24 teilnehmen.

Ich finde diesen Schritt wichtig. Die Teams bestreiten nicht sehr viele Länderspiele, auch aus finanziellen Gründen. Aber es ist wichtig, dass sie sich international messen können. Wenn wir sie ausschließen, können sie auch keine Erfahrung sammeln. Bei den vorangegangenen Weltmeisterschaften hat man zudem gesehen, dass diese Mannschaften über sich hinauswachsen, wenn sie gegen Top-Teams spielen.

Dann wird es also kein 11:0 geben?

Das will ich nicht ausschließen. Wenn unsere Mannschaft gut drauf ist, kann sie schon in dieser Höhe gewinnen. Aber hohe Siege gibt es auch im Männerbereich, wenn auch in einer anderen Größenordnung.

Finden Sie es eigentlich ungerecht, dass sich viel mehr Leute für den Männer-Fußball interessieren?

Man sollte einfach mal wertschätzen, was der Frauenfußball bis heute leisten konnte. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich diese Entwicklung miterleben durfte. Man darf Frauenfußball mit Männerfußball einfach nicht vergleichen. Das sind andere Maßstäbe.

Wie man beim Kartenvorverkauf sehen kann.

Es sind doch schon 570.000 von 800.000 Karten verkauft. Kein Spiel ist mehr unter der 10.000er-Marke. Es sind zwar noch Karten übrig, aber Leute, die zum Frauenfußball gehen, kaufen oft erst kurzfristig.

"Aus dem Ausland werden nur wenige Fans kommen"

Aber Partien wie Äquatorialguinea gegen Australien machen Probleme.

Klar gibt es Spiele, bei denen es schwer einzuschätzen ist, wie gut es wird. Ich sage dann immer: Jede Partie kann attraktiv sein. Oder auch nicht: Wenn zum Beispiel Deutschland gegen die USA spielt, muss es nicht unbedingt sehenswert sein, weil es auch sehr taktisch geprägt sein kann. Alle Mannschaften haben es verdient, dass Menschen ins Stadion kommen. Vielleicht wird Äquatorialguinea gegen Australien ganz spannend, gerade weil die Teams nicht einzuschätzen sind.

Wie wollen Sie die Menschen noch animieren, zu diesen Spielen zu kommen?

Wir haben erst jetzt angefangen, in Standorte zu gehen. Noch ist auch die Herren-Bundesliga sehr spannend, und Schalke steht im Champions-League-Halbfinale. Wenn die WM dann näher rückt und alle am Feeling teilhaben wollen, werden auch die Karten für die weniger attraktiven Spiele weggehen. Das kommt aber erst kurz vor der WM.

Werden eigentlich auch Fans aus anderen Ländern erwartet?

Aus dem Ausland werden wohl hauptsächlich Familien der Spielerinnen und nur vereinzelt Fans kommen. Das war der Eindruck, den ich bei der Welcome-Tour hatte. Aber wir in Deutschland sind ja selbst multikulti.

Sie sind wie Franz Beckenbauer 2006 in alle Teilnehmer-Länder gereist. Haben Sie während der Tour eigentlich jeden Morgen gewusst, wo Sie gerade sind?

Das wusste ich. Aber ehrlich gesagt, habe ich mich manchmal gefragt, wo ich am Tag davor war. Brasilien oder Kolumbien? Man lebt immer in den nächsten Tag. Es war aber auch sehr viel: Von 2010 bis heute bin ich viereinhalbmal um die Welt geflogen. Es waren etwa 180000 Meilen.

Sie waren fast überall. Nur nicht in Japan. Wird die Mannschaft trotz des Tsunamis und der nuklearen Katastrophe an der WM teilnehmen?

Bis jetzt wissen wir nichts anderes. Wir haben jeden Tag Kontakt und versuchen zu erfahren, wie es den Menschen geht. Das Team bekommt von uns Hilfe, wenn es welche braucht. Was passiert, wenn die Japanerinnen nicht kommen, entscheidet die Fifa. Vermutlich würde China nachrücken.

Dann ist ja alles perfekt für das nächste Sommermärchen.

Wir wollen die WM 2006 nicht kopieren, das ist von der Größenordnung schon nicht machbar. Das war eine einzigartige Veranstaltung, so etwas werden wir nicht wieder erleben. Der Unterschied ist, dass Frauen spielen. Wir wollen zwar ebenfalls gute Gastgeber sein, aber wir wollen auch ein eigenes Profil haben. Wenn es aber am Ende heißt, es war ein weiteres Sommermärchen, dann ist mir das auch recht.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Fanmeilen genauso bevölkert sein werden wie bei den Männern.

Die Männer-WM war großartig, jetzt haben wir eine Frauen-WM. Wir werden aber Fanmeilen in den Austragungsorten haben. In Frankfurt zum Beispiel.

"Wir müssen für den Frauenfußball werben"

Befürchten Sie nicht, dass viel vorbereitet wird und dann keiner kommt?

Wenn die Spiele ausverkauft sind, wie in Frankfurt, dann wird es auch tolle Fanmeilen geben. In Bochum, wo es noch Karten gibt, sieht das sicher anders aus, aber das heißt nicht, dass in Lokalen oder Biergärten nicht auch Leinwände aufgebaut werden.

Es wird ja viel von Nachhaltigkeit geredet, aber es ist doch unwahrscheinlich, dass die Bundesliga nach der WM boomen wird.

Wir haben einiges angestoßen. Insgesamt haben wir 20 Millionen Euro in das Thema Nachhaltigkeit investiert. Die Bundesliga ist aber noch ein Stück weit anders. Da müssen wir hinterher genau analysieren, wir das angehen.

Welchen Tipp können Sie denn Teams wie dem Zweitligisten VfL Sindelfingen geben, der regelmäßig vor einer mageren Zuschauerkulisse spielt?

Die Vereine sind ein Stück weit selbst in der Pflicht. Die Leute müssen rausgehen und für den Frauenfußball werben.

Wie Sie!

Genau. Ich war als Spielerin in Schulen und habe Trainingseinheiten geleitet. Wenn die Kinder hören, dass eine Bundesligaspielerin vor ihnen steht, sind sie begeistert. Das ist wenig Aufwand, aber es bringt viel.

Trotzdem haben es kleine Vereine wie der VfL nicht leicht.

Ich würde mir wünschen, dass Vereine, die Frauenfußball-Geschichte geschrieben haben, bestehen bleiben. Sindelfingen gehört da ja auch dazu, wie Potsdam, Frankfurt, Wörrstadt oder Duisburg. Ich würde mir wünschen, dass in den Regionen selbst - dazu kann die WM beitragen - Sponsoren auf die Teams aufmerksam werden und dann sagen: Ich investiere in den Frauenfußball. Die Vereine müssen aber auf sich aufmerksam machen. Das kann der DFB nicht leisten, das müssen sie selbst in die Hand nehmen.

Nach der WM werden Sie sich noch mehr um den Vereinsfußball kümmern.

Stimmt. Ich werde Direktorin der Frauenfußball-Abteilung hier im DFB. Das ist eine tolle Aufgabe. Ich werde dort weitermachen, wo ich nach der WM aufhöre. Nur werde ich dann mehr operative Aufgaben übernehmen. Jetzt ist viel repräsentativ.

Sie haben vor kurzem gesagt, Sie könnten sich vorstellen, einmal DFB-Präsident Theo Zwanziger nachzufolgen.

Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn man mir diesen Job in 20 Jahren anbieten würde, dann würde ich ihn annehmen. Aber das würde jeder andere auch. Meine Aussage war und ist: Ich bin 38, OK-Präsidentin und werde danach Direktorin. Es gibt so viele Leute hier im Haus, die einen guten Job machen und die vor mir an der Reihe wären. Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg zum Beispiel. Es ist aber eine große Ehre, dass mir in der Öffentlichkeit dieser Job zugetraut wird.