Stefan Kuntz wurde mit der U21 Europameister. Foto: dpa/Hakob Berberyan

Ex-U21-Coach Stefan Kuntz vermisst beim frühen EM-Aus der deutschen Elf Leidenschaft und Mentalität. Er nimmt die Spieler in die Pflicht – und sieht Fehler im deutschen Ausbildungssystem.

Aus Sicht des früheren U21-Nationaltrainers Stefan Kuntz können deutsche Fußball-Talente auch wegen ihrer Defizite bei Einstellung und Mentalität international oft nicht mehr auf Top-Niveau mithalten. „Das ist eine Einstellungssache, die hat mit der Ausbildung nichts zu tun. Das hat damit zu tun, ob ich mich einfach aufgebe“, sagte Kuntz der Deutschen Presse-Agentur über den leblosen Auftritt der deutschen U21 beim EM-Aus durch ein chancenloses 0:2 gegen England. „Ich habe den Spieler vermisst, der auf dem Bolzplatz vor Zorn heult und sich ärgert, weil er 0:1 verloren hat“, sagte der 60-Jährige.

Seinen Nachfolger Antonio Di Salvo nahm Kuntz, der die U21 bis 2021 trainiert hatte, aus der Kritik aus. Die Spieler sieht der aktuelle türkische Nationaltrainer dagegen in der Pflicht. „Es haben elementare Sachen gefehlt: Einstellung zum Spiel, Laufbereitschaft und Zweikampfbereitschaft sowohl offensiv als auch defensiv.“ Die U21 war als Gruppenletzter mit einem Punkt aus drei Spielen aus dem Turnier ausgeschieden. „Das musst du dir selbst spiegeln und die richtigen Schlüsse ziehen“, sagte Kuntz. „Nur dann ist dieses Turnier für etwas gut. Ich glaube, dass man an dieser Selbstwahrnehmung arbeiten muss.“

Den Grund für die fehlende Siegermentalität sieht der 60-Jährige vor allem in den Ausbildungsstrukturen in Deutschland. „Den Jungs wird alles abgenommen, sie müssen selbst gar keine Konflikte mehr lösen. Wenn sie nicht spielen, reden die Eltern mit dem Trainer. Wenn es Probleme in der Schule gibt, gehen die Eltern zum Lehrer“, sagte der U21-Europameister von 2017 und 2021. „Da wird insgesamt viel zu wenig auf Eigenverantwortung gesetzt. Das ist nicht nur ein Fußball-Problem, sondern ein gesellschaftliches.“