In wenigen Wochen ist Anpfiff zur Fußball-WM. Als Austragungsort des Sportspektakels richten sich alle Augen auf Katar. Das Emirat ist hier noch traditionelles Arabien, dort schon Übermorgenland.
Als der Muezzin zum Maghrib gerufen hatte, dem vierten Gebet des Tages, waren die Läden noch geschlossen gewesen und die Stühle der Cafés unbesetzt. Nur am Brunnen herrschte reger Verkehr, weil die Glaubensvorschriften des Islam für Tauben nicht gelten. Nun aber werden im Souq Waqif die Lichter angeknipst. Es ist die beste Zeit für einen Besuch: Die Hitze des Tages hat sich verzogen, eine milde Brise zieht durch die Gassen des Basars, und plötzlich ist überall Betrieb.
Vollreife Datteln aus Saudi-Arabien? Getrocknete Karkadeh-Hibiskusblüten aus dem Sudan? Berghonig aus dem Jemen? Safranfäden aus Iran? Weihrauch aus Oman, natürlich nur Hojari, die beste aller Sorten? All das (und noch viel mehr) bieten die Händler im Zentrum von Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar. Im Souq scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Der Kunde ist König – sofern er die Traditionen achtet, also weder zu viel Haut zeigt, noch öffentlich seine Reisebegleitung knutscht.
Nur 300 000 Einwohner sind Einheimische
Das passt zu einem Land, das sich zwar liberaler gibt als Saudi-Arabien, in dem der Islam im Alltag aber eine größere Rolle spielt als in Abu Dhabi und Dubai. Nur 300 000 Einwohner sind Einheimische: Es gibt zehnmal so viele Ausländer, die hier unter oft fragwürdigen Bedingungen schuften. An fairer Bezahlung fehlt es, Geld für Entwicklung gibt es aber genug: Das Emirat ist dank der Öl- und Gasförderung in der Region das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen.
Die hölzernen Dhaus an der Kaimauer sind also nur noch eine fotogene Kulisse: Die Herrscherfamilie baut Katar in Windeseile zu einem Übermorgenland um. So ziemlich alles ist deshalb funkelnigelnagelneu in Doha: Der Stadtteil West Bay mit seiner nachts prächtig erleuchteten Skyline, die künstliche Insel The Pearl mit der Marina, das angesagte Msheireb-Viertel und die gerade entstehende Lagunenstadt Lusail. Neu sind der Airport und die acht Stadien für die Fußball-WM, neu ist die vierspurige Küstenstraße Corniche – und neu sind die Shoppingmalls, die hier als Konsumtempel den Status von Sehenswürdigkeiten haben.
Spektakuläres Nationalmuseum
Wirklich schön anzuschauen sind dagegen die Gebäude jener Star-Architekten, die in Doha ihre Projekte in den Sand gesetzt haben. Auf einer künstlichen Insel steht das Museum für Islamische Kunst, das letzte Meisterwerk von I. M. Pei. Jean Nouvel hat Katar ein spektakuläres Nationalmuseum geschenkt. Es erinnert mit seinen 539 Rundscheiben an eine Sandrose – so heißen die Kristallgebilde, die man mit etwas Glück außerhalb der Stadt in der Wüste finden (aber natürlich nicht mitnehmen) kann. In die Dünen geht es ohnehin nur mit Guide: Die Tour zur Lagune Khor Al-Adaid, wo Sandwellen aufs Salzwasser des Persischen Golfs treffen, fühlt sich an wie eine Achterbahnfahrt – glücklicherweise ohne Looping.
Auch die eigene Kultur wird in Doha ins beste Scheinwerferlicht gerückt. „Als Katarer sollte man mindestens einen Falken, ein Kamel und ein Pferd haben“, erzählt Abdul Rashid bei einer Führung durch das Gestüt Al Shaqab. Für Kamele ist er nicht zuständig. Die rennen in den Wintermonaten jeden Freitag auf dem Track von Al Shahaniya, angetrieben von Robotern. Für die Falken gibt es eigene Tierkliniken. Die Vollblutaraber aber sind bei ihm zu Hause. Der ältesten und edelsten Pferderasse werden hier nur positive Eigenschaften zugeschrieben: „Sie sind sowohl ausdauernd und athletisch als auch schnell und schön.“ Die Zucht ist also eine Frage der Ehre. Deswegen bekommen die Araberpferde alles, was sie brauchen – große Boxen, viel Auslauf, frisches Heu. Und auch, was sie vielleicht nicht unbedingt brauchen, nämlich einen Jacuzzi für die Entspannung.
Suche nach dem einfache, ursprünglichen Leben
Wo aber findet man das Alte, das Einfache? Im Souq Waqif wirkt Katar wie auf den Schwarz-Weiß-Bildern, als Doha noch ein Dorf war. Lehmputz bröckelt von den Decken, die Fassaden sind viele Male überstrichen. Die besten Gewürze kauft man bei Shams Al Qassabi, Mutter von fünf Kindern.
Als erste Frau – und gegen viele Widerstände – hat sie im Basar einen Laden eröffnet und betreibt außerdem das Restaurant Shai Al Shamoos, bekannt für traditionelle Gerichte. Auch Saad Ismail Khalifa Al Jassim (87) ist hier zu Hause. Früher war er Perlentaucher. Nun handelt er nur noch mit den Meeresmurmeln und hat mehr Zeit, um Geschichten zu erzählen. Am liebsten seine eigene: Wie er als Junge zur See fahren musste, wie hart das Leben war und wie viel besser es heute ist.
Nicht minder spannend ist aber, was der alte Mann von seinem neuen Zuhause berichtet. Was so authentisch aussieht, als stamme es aus Tausendundeiner Nacht, wurde erst vor gerade mal 15 Jahren gebaut, nachdem der alte Basar abgebrannt war und es Überlegungen gab, die Ruinen einfach abzureißen. Der Souq Waqif soll nur alt aussehen und ist in Wahrheit neu – errichtet nach den Erinnerungen von Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani. Der Vater des heutigen Emirs hatte die Modernisierung des Landes vorangetrieben, hegte dann aber Bedenken, die Vergangenheit werde durch den Boom ausgelöscht. Es hat geklappt: Der Basar wird angenommen, als habe es ihn schon immer gegeben.
Info: Katar
Anreise
Qatar Airways fliegt von Frankfurt nach Doha (www.qatarairways.com).
Unterkunft
Gut und günstig ist das Best Western Plus Doha nahe der Uferstraße Corniche (DZ ab 75 Euro, www.bestwestern.com). Das Alwadi Hotel M Gallery passt perfekt ins Hipster-Viertel Msheireb (DZ ab 207 Euro, www.alwadihoteldoha.com).
Ausflüge
Sehenswert in Doha sind der Souq Waqif, das Msheireb-Viertel und die Corniche mit ankernden Dhaus. Schön flanieren kann man in der Marina von The Pearl. Wie Araberpferde gezüchtet werden, zeigt das Gestüt Al Shaqab (27 Euro, www.alshaqab.com). Die Museen kosten 13 Euro (www.qm.org.qa). Touren führen zur Lagune Khor Al-Adaid (ab 100 Euro, www.discoverqatar.qa).
Veranstalter
Geoplan organisiert eine achttägige City-Tour nach Doha mit Badeverlängerung ab 2830 Euro, www.geoplan-reisen.de/. Bei FTI gibt es einwöchige Pauschalen für Flug und Ü/F ab 872 Euro pro Person, www.fti.de.
Allgemeine Informationen
Visit Qatar, www.visitqatar.qa