So möchte Roland Ostertag den Vorplatz des Hauptbahnhofs gestalten Foto: Ostertag/Kunz-AV

Der Architekt Roland Ostertag kritisiert, dass Stuttgart bei der Stadtplanung noch viel zu sehr das Auto in den Mittelpunkt stelle. Vieles sollte seiner Meinung nach anders aussehen in der Stadt, auch der Vorplatz des Hauptbahnhofs.

Stuttgart - Die autogerechte Stadt ist zwar auch in Stuttgart nicht mehr die Leitidee der Stadtplanung, aber das Auto stehe noch zu sehr im Mittelpunkt, meint Roland Ostertag. Mit einem neuen Buch fordert der Architekt jetzt den Abschied von der „ideologisierten Stadtplanung“.

Eingemischt hat sich Roland Ostertag schon immer in die Diskussion um Stadtplanung und Städtebau. Jetzt legt der Architekt nach und fordert eine „verantwortungsvolle Mobilität in Stuttgart“. Für die Stadtplanung sei es hier noch immer das oberste Ziel, das rasche Durch- und Ausfahren mit dem Auto möglich zu machen. Die Qualität des Wohnens und Verweilens komme zu kurz. Durch Straßen getrennte Stadtviertel müssten wieder vereinigt werden.

Alle Unterführungen für Autos und Fußgänger sollten am besten zugeschüttet werden. Neue Tunnel dürfe es nicht geben, auch nicht an der Kulturmeile. „Die Menschen werden in Stuttgart wie Ratten behandelt und nach unten in Unterführungen geschickt“, sagte Ostertag am Montag bei der Vorstellung seines neuen Buches. Stuttgart habe mehr Unterführungen als andere Städte mit dieser Einwohnerzahl. Bisherige kosmetische Reparaturen wie zwei Fußgängerfurten auf der Hauptstätter Straße seien zu wenig.

Das 2013 vorgelegte Verkehrsentwicklungskonzept bezeugt nach Ostertags Urteil, dass das Auto zu sehr in den Mittelpunkt gestellt wird und die Stadtplanung auf die Lösung von Teilproblemen wie die Abwicklung des Autoverkehrs fokussiert ist. Das Beste an dem Konzept sei das Vorwort von OB Fritz Kuhn (Grüne) zu dem noch unter dem Vorgänger Wolfgang Schuster (CDU) entwickelten Papier. Das Konzept sei dünn und bestenfalls eine Fortschreibung der Gegenwart. Ostertag und seinem verkehrsplanerischen Zuarbeiter, dem Stadtplaner und ehemaligen Uni-Lehrer Gunter Kölz, geht es aber nicht um Konfrontation und Anklage. Sie warben am Montag dafür, dass die Politik eine breite Bürgerbeteiligung anstößt und selber mitarbeitet. Im Moment hinke Stuttgart weit hinter Städten wie Oslo, Stockholm, London, Bordeaux, Singapur und Zürich her. Dort könne man lernen, wie man das Auto in Schranken weist, um eine lebens- und liebenswerte Stadt zu erreichen.

Verkehrsschneisen sollten zurückgebaut und begrünt, Teile der freiwerdenden Fläche mit insgesamt 1500 Wohnungen bebaut werden. Parken am Cityring solle man verbieten, das Zentrum innerhalb des Cityrings auch von Autos frei halten. Parkhäuser solle es dort nur geben, wenn sie vom Cityring her erschlossen sind. Zunächst müsse der Autoverkehr in der Innenstadt um 20 bis 30 Prozent verringert werden. Da sind sich Ostertag und Kölz mit Kuhn einig, der selbst eine Reduzierung im Talkessel um 20 Prozent anstrebt. Der OB müsse aber handeln, die Zeit laufe ihm davon, sagte Ostertag.

Kölz beklagte, dass in Stuttgart einst zwar ein Cityring für die Autos geschaffen wurde, aber kein Mittlerer Ring zwischen Cityring und Autobahnen. Darum leide Stuttgart noch immer unter dem Verkehr, der auf den Radialstraßen durchs Zentrum fahre. Einen Mittleren Ring könne man heutzutage wohl nicht mehr realisieren, räumte Kölz ein. Er und Ostertag halten aber eine Citymaut und manche Tangentialstraßen wie die Filderauffahrt für nötig. Die 2500 Parkplätze der neuen Einkaufszentren sind für Ostertag und Kölz ein Rückschlag und Ergebnis „dieses vorgestrigen Denkens“. Die Politik müsse ihrer Aufgabe wieder gestalten statt nur zu verwalten. Sie müsse die Ziele vorgeben und eine neue Kultur des Umgangs mit dem Stadtboden einführen – damit es wieder ein positives Abenteuer werde, die Innenstadt zu durchschreiten und sie zu entdecken.

Das Buch „Verantwortungsvolle Mobilität in Stuttgart“ ist im Peter-Grohmann-Verlag erschienen. Es kostet 12,80 Euro.