Ein Blick vom höchsten Gebäude der Stadt, vom Turm der evangelischen Petruskirche: Gerlingen ist im Umbruch. Foto: factum/Granville

Ein neuer Bürgermeister, ein neuer Gemeinderat und eine umgestaltete, moderne Ortsmitte: Die Kommune am Fuß der Solitude geht mit dem Abschied von Vertrautem in ein schwieriges Jahr.

Gerlingen - Nach 33 Jahren ist Schluss. Horst Arzt will bei der Kommunalwahl im Mai nicht mehr für den Gemeinderat kandidieren. Der Freie Wähler konstatierte am Mittwoch, seine letzte Haushaltsrede zu halten. Er freute sich an diesem Abend zwar auch über „überdurchschnittliche Steuereinnahmen“ von Gerlingen, meinte aber zugleich, man könne sich auf nichts mehr verlassen. „So gut es uns geht auf der einen Seite, so zerbrechlich und empfindlich ist das Gefäß, in dem unser Glück liegt.“

Arzt bezog sich auf globale Zusammenhänge, in denen auch der größte örtliche Gewerbesteuerzahler Bosch agiert. Die Auswirkungen weltwirtschaftlicher Verflechtungen und finanzpolitischer Entscheidungen bekommt deshalb eben auch die Stadt am Rande Stuttgarts zu spüren.

Frank Moll (SPD) schloss sich der Sichtweise des Ratskollegen an. „Der Geldsegen ist unter Umständen zeitlich begrenzt und ist so schnell weg, wie er kommt.“

Auf dem Sprung zur Großen Kreisstadt

Doch Gerlingen, auf dem Sprung zur Großen Kreisstadt, wird spätestens nächstes Jahr mehr abhanden kommen als die Gewissheit, dass Unternehmen verlässlich für ein ausgesprochen gutes finanzielles Polster sorgen. Dieses Jahr rechnet Gerlingen mit Gewerbesteuereinnahmen von 55 Millionen Euro. Was 2020 ist, ist offen.

Die Stadt kann sich auch noch auf ihren Bürgermeister verlassen. Aber Georg Brenner hat angekündigt, sein Amt nach zwei Jahrzehnten zum Jahresende abzugeben. Das Korrektiv des Verwaltungschefs ist der Gemeinderat. Aber auch dieses Gremium steht nach allem, was bekannt ist, vor großen Veränderungen. Nicht nur Horst Arzt wird demnach im Mai nicht mehr für ein Mandat kandidieren. Verlässlichkeit wird den Gerlingern in naher Zukunft also weder durch alle handelnden Personen vermittelt, noch durch die Themen, mit denen sich der Gemeinderat befassen muss. „Die Lösung der mit Bauen und Wohnen einhergehenden Fragen werden elementare Aufgaben für uns sein“, lenkte etwa Rolf Schneider von den Grünen den Blick auf bezahlbares Wohnen. Wohnraum ist in der Stadt ein knappes und daher ausgesprochen teures Gut. Doch wer es sich leisten kann, zieht offenbar gerne in den Ort: Im Träuble-Areal ist bis auf eine Penthousewohnung alles verkauft.

Noch ist das Areal in der Innenstadt längst nicht fertig. Dass nun höher und dichter bebaut wird, freut nicht jeden. Muss denn so modern dort gebaut werden, wo einst die Keimzelle war, die ersten Straßen nachgewiesen sind, die ältesten Gebäude standen? Die Diskussion darüber wird weitergehen, auch wenn Edeka eröffnet hat und die Fläche wie geplant begrünt ist.

Öffentliche Debatte, um das Interesse zu wecken

Die Grünen sehen freilich noch weit mehr Diskussionspotenzial, wie Schneider anlässlich der – einmütigen – Verabschiedung des Haushaltsplans anmerkte: „Plan steht für Kampfplatz, und die zweite Bedeutung steht für Entwurf beziehungsweise Absicht.“ Der SPD-Mann Moll warb dafür, die kontroversen Positionen öffentlich zu diskutieren, um dadurch das Interesse der Bürger zu wecken. Zumal die Harmonie im Gemeinderat schwinde, wenn der Wind sich drehe. Dem pflichtete Peter Zydel von der FDP bei: „Wenn Geld vorhanden ist, ist der Krach nicht so groß.“

Gabriele Badenhausen (CDU) lenkte den Blick ebenfalls auf die Finanzen. Das neue Haushaltsrecht stelle die Generationengerechtigkeit in den Fokus. „Dazu gehört auch, nicht für alles – so wünschenswert es jetzt auch sein mag – Geld auszugeben, ohne die finanziellen Folgen zu berücksichtigen.“ Der Überschuss, den die Stadt erwirtschaftet, ist in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gesunken.