Gut drei Jahre lang hat das Café in der Stadtbibliothek leer gestanden. Lange fand sich niemand, der es betreiben wollte. Jetzt übernimmt die Familie Bubeck. Sie hat bereits Erfahrung mit Gastronomie an einem anderen Stuttgarter Wahrzeichen.
Die Sache ist wackelig. Und die Berufsgenossenschaft sollte nicht mitlesen. Aber in einer Bücherei findet man nun mal viele Bücher, aber keine Leiter. Also muss Mathieu Bubeck (34) improvisieren. Aber als Gastronom und Wengerter ist er das gewöhnt. Er stellt eine Sprudelkiste auf einen Stuhl, steigt hoch, um die Papierbahnen von den Scheiben zu entfernen, die das Café Lesbar vom Innersten der Stadtbibliothek am Mailänder Platz trennen. Es kehrt wieder Leben ein im achten Stock. Es wird Zeit.
Das Leben kehrt zurück
Es war eine Leerstelle. So schön die Stadtbücherei am Mailänder Platz auch ist, es hat etwas gefehlt. Nein, nicht nur mehr Aufzüge, vor allem mehr Leben: Es gab keinen Ort zum Treffen, für Gespräche, zum Austausch, seit vor drei Jahren die Caritas das Café Lesbar nicht mehr betreiben wollte. Nun lebt das Café wieder. An diesem Donnerstag sollen alle Papierbahnen weg sein, dann bitten Ina (33) und Mathieu Bubeck zu Kaffee, Kuchen, Cupcakes, Maultaschen, Wurstsalat, Bagels, Croissant, Veganem, Saft und Wein. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 9.30 bis 17 Uhr, samstags von 9.30 Uhr bis 20 Uhr.
Ein besonderer Ort. Ein schöner Ort. Aber kein einfacher Ort für Gastronomen. Zehn Jahre lang betrieb die Caritas das Café, es arbeiteten dort Menschen mit Behinderung aus den Neckartalwerkstätten. Erst kam das Milaneo mit seinen Cafés und Restaurants, dann die Pandemie. Statt 6000 Menschen am Tag kam niemand mehr, dann allenfalls die Hälfte, zudem fanden keine Führungen mehr statt, die Dachterrasse war geschlossen. Die Aufzüge brauchen liebevolle Begutachtung, damit sie regelmäßig fahren. Und für Architekt Eun Young Yi gehört das Café zum Gesamtkunstwerk. Es muss sich einfügen. Da passte der Plan der Bubecks, das Café wärmer zu gestalten, mit Holz, mit Pflanzen, mit grüner Farbe nicht dazu. Immerhin: Die Bar durften sie verblenden. Und Sofas aus den Lesesälen ins Café holen. Ansonsten konnten sie am Mobiliar wenig ändern. „Wir hätten es gerne anders gemacht“, sagt Ina Bubeck, „aber das war nicht möglich.“ Anders als andere hat sie das nicht abgeschreckt. Seit sie in dieser Zeitung gelesen hatten, dass das Café leer stehe, spukte ihr der Gedanke im Kopf herum, dass man aus diesem „speziellen Ort“ etwas machen könne, „um ihn den Stuttgartern wieder zurück zu geben“.
Familie Bubeck betreibt auch das Bistro am Wirtemberg
So wie sie es auf dem Rotenberg gemacht haben. Dort betreiben sie seit 2020 das 1819 Bistro am Wirtemberg. Mit solchem Erfolg, dass sie dort sonntags und feiertags eine Extra-Bar aufbauen, um des Ansturms Herr zu werden. „Dort läuft es mittlerweile in geordneten Bahnen“, sagen die Bubecks. Sie haben sich etabliert, die Gäste kommen, das Team funktioniert auch ohne die Chefs. Zudem haben „wir dort im Winter geschlossen“, sagt Ina Bubeck. Also bleibt Zeit für Neues. Für das Café Lesbar. Die Erfahrung mit Gastro an einem Stuttgarter Wahrzeichen war einer der Gründe, dass sie zum Zuge kamen. Und ihr Konzept wirkte überzeugend. Regional und lokal. Kaffee von einer Herrenberger Rösterei, Cupcakes, Bagels und Sprossen aus Stuttgart. Der Saft aus Uhlbach. Der Gin ist von ihnen, der Wein kommt vom Collegium Wirtemberg, wo Mathieu Bubeck Mitglied ist. Im Weinberg schaffen, im Keller der Genossenschaft, ein Café, ein Bistro, dann ist da noch die im September geborene Tochter. Langweilig wird ihnen nicht.
Im Café wollen sie dennoch regelmäßig vorbeischauen. Verantwortlich ist Marleen Arle (22), Mitarbeiterin der ersten Stunde. Sie muss zunächst den Anfang meistern, der schwerer fällt als gedacht. Nächste Woche müssen sie von Montag bis Mittwoch schließen, damit die Küche eingebaut werden kann. Dennoch wollten sie unbedingt jetzt öffnen, „schließlich war lange genug zu“. So geht es auch den Gästen, die draußen stehen und spickeln, während Bubeck die Papierbahnen wegreißt und Einblicke gewährt.