Die Stadt möchte Portale wie Airbnb zwingen, Adressen für möglicherweise zweckentfremdete Wohnungen zu nennen. Das Wirtschaftsministerium will das nicht. Und das zieht Protest nach sich.
Stuttgart - Das Wirtschaftsministerium des Landes ist heftig in die Kritik geraten, weil es der Stadt Stuttgart keine bessere Handhabe gegen die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen verschaffen will. Nach dem Bericht unserer Zeitung, dass es die Auskunftspflicht für Betreiber von Vermarktungsportalen im Internet nicht verschärfen will, schaltete sich am Mittwoch der Mieterbund Baden-Württemberg ein.
Der Landesvorsitzende Rolf Gaßmann, der auch den Mieterverein Stuttgart führt, ging das von Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) geführte Ministerium frontal an. Die Interessen derer, die ihre Wohnungen in Zeiten der Wohnungsnot mit manchmal dreifachem Ertrag als Ferienwohnungen oder Gästezimmer vermieten, seien der Landesregierung wichtiger als der Erhalt bestehender Dauerwohnungen. „Das ist unverständlich und unverantwortlich“, sagte Gaßmann. Das Ministerium missachte dabei die Städte. Es frage zwar Praktiker in den Kommunen nach ihren Erfahrungen, ignoriere aber deren Antworten. Das sagte Gaßmann auch im Blick darauf, wie man Altfälle von Wohnungsleerstand aus der Zeit vor dem Erlass von städtischen Zweckentfremdungsverboten behandeln soll, in Stuttgart betrifft das Fälle vor 2016.
Regierung „belässt bewusst Schlupflöcher“
Das Baurechtsamt hatte die Meinung vertreten, man sollte auch bei Altfällen die Vermietung von bewusst nicht vermieteten Wohnungen durchsetzen können. Das Ministerium hatte sich dagegen gewandt. Hier verweigere sich die CDU im Landtag, erklärte Gaßmann, obwohl die Bevölkerung gerade den jahrelangen Leerstand besonders kritisch sehe. Unserer Zeitung sagte Gaßmann, vor zwei Wochen habe der Mieterverein die Mitglieder um die Meldung von Leerstandsfällen gebeten. Inzwischen seien schon 15 Meldungen da. Die Forderung nach einer strengeren Auskunftspflicht für die Betreiber von Portalen habe er auch schon den wohnungspolitischen Sprechern der Grünen und der CDU vorgetragen und dabei erfahren, dass die Koalitionsfraktionen einen Deal geschlossen hätten: Weil die einen das Zweckentfremdungsgesetz befürworten, die anderen ablehnen, solle es zwar fortbestehen – allerdings ohne Verbesserungen und ohne strengere Auskunftspflicht.
Im Ergebnis belasse die Regierung bewusst Schlupflöcher. So toleriere sie, dass an Brennpunkten des Wohnungsbedarfs jedes Jahr mehr Wohnungen vom Markt verschwänden als mit hohem Geldaufwand durch das Wohnraumförderprogramm des Landes neu entstünden. 2017 seien im Land 1500 Sozialmietwohnungen neu gebaut worden, in Stuttgart bis zu 1200 Wohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen worden.
Neben Airbnb gibt es auch Vermittlungen von Monteurzimmern
Das ergibt sich für den Mieterbundschef aus dem Befund der städtischen Statistiker, dass pro 1000 Wohnungen in Stuttgart im Schnitt zwischen drei und vier Objekte via Airbnb vermarktet wurden und es in Stuttgart rund 300 000 Wohnungen gebe. Durch Nichtstun fördere die Regierung zu Lasten von Wohnungssuchenden den lukrativen Hotelersatz, dabei würden die hohen Gewinne in der Regel nicht einmal versteuert. Laut Immobilienentwickler GBI seien 2016 allein in Stuttgart 225 000 Übernachtungen in Privatunterkünften vermittelt worden.
Die rund 340 Objekte, die im vergangenen Jahr über Airbnb ausschließlich als Ferienwohnungen angeboten wurden, sind wohl wirklich nur die Spitze des Eisberges. Es waren auch 539 Privatzimmer unterschiedlicher Art dort gelistet. Neben Airbnb gibt es weitere Portale, zum Beispiel eines für die Vermittlung von Monteurzimmern. Allein dort tauchten am Mittwoch 317 Angebote in Stuttgart und Umgebung auf, oft mit mehreren Einheiten und manche mit Wohnungscharakter.